Die Forsyte-Saga. John Galsworthy
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Читать онлайн книгу Die Forsyte-Saga - John Galsworthy страница 16
Gewohnt, Unglückliche unter ihren Schutz zu nehmen, hatte June Irene tatsächlich ein Geständnis abgelockt und ihrerseits dann die Notwendigkeit gepredigt, dem Übel, selbst durch eine Trennung, wenn es sein mußte, Trotz zu bieten. Aber Irene hatte diesen Ratschlägen gegenüber nachdenklich geschwiegen, als fände sie den Gedanken fürchterlich, mit kaltem Blut einen solchen Kampf durchzuführen. Er würde sie nie freigeben, hatte sie zu June gesagt.
»Was macht das?« rief June, »laß ihn tun was er mag – wenn du nur daran festhältst!« Und sie hatte kein Bedenken gehabt, bei Timothy einige Andeutungen darüber zu machen. Als James davon hörte, war er natürlich entrüstet und erschrocken.
Wenn Irene es sich nun wirklich in den Kopf setzte, Soames – er konnte den Gedanken kaum zu Ende denken – zu verlassen? Aber dieser Gedanke schien ihm so unerträglich, daß er ihn schnell von sich schob. Was für dunkle Visionen er heraufbeschwor, dies Familiengetuschel, das ihm im Ohre summte, dies Entsetzen, daß so etwas in seiner Nähe, bei einem seiner Kinder geschehen konnte! Glücklicherweise hatte sie kein Geld – elende fünfzig Pfund im Jahre! Und er dachte mit Verachtung an den verstorbenen Heron, der ihr nichts hatte hinterlassen können. Über seinem Glase brütend, hatte er die langen Beine unterm Tisch übereinander geschlagen und versäumte aufzustehen, als die Damen das Zimmer verließen. Er mußte mit Soames sprechen – mußte ihn warnen; so konnte es nicht weitergehen, nachdem eine solche Möglichkeit vor ihm aufgetaucht war. Und er bemerkte verstimmt und unwillig, daß June ihr gefülltes Weinglas hatte stehen lassen.
»Das kleine Ding ist an allem schuld,« dachte er. »Irene wäre von selbst nie darauf gekommen.« James hatte Phantasie.
Swithins Stimme erweckte ihn aus seiner Träumerei.
»Ich gab vierhundert Pfund dafür,« sagte er. »Es ist aber auch ein wirkliches Kunstwerk.«
»Vierhundert! Hm! Ein Haufen Geld!« stimmte Nicholas ein.
Der Gegenstand, um den es sich handelte, war eine sorgfältig gearbeitete Gruppe aus italienischem Marmor, die auf einem hohen Sockel (ebenfalls von Marmor) stand und eine Atmosphäre von Kultur im ganzen Zimmer verbreitete. Die Nebenfiguren, es waren deren sechs, weiblich und nackt, von höchst zierlicher Arbeit, wiesen alle auf die Mittelfigur hin, die ebenfalls weiblich und nackt war und auf sich selbst wies; und alles dies gab dem Beschauer eine lebhafte Empfindung ihres hohen Wertes. Tante Juley, die ihr gerade gegenüber gesessen, hatte es den ganzen Abend die größte Schwierigkeit bereitet, sie nicht anzusehen.
»Vierhundert Goldfüchse! Du wirst mir doch nicht weißmachen, daß du dafür vierhundert Pfund gegeben hast?« sagte der alte Jolyon jetzt, durch den die ganze Diskussion veranlaßt war.
Zwischen den Ecken seines Kragens machte Swithins Kinn die zweite schmerzhafte Bewegung. »Vier–hundert – Pfund in gutem englischen Geld, keinen Heller weniger. Es reut mich nicht. Es ist nicht gewöhnliche englische Arbeit – sondern echte, modern italienische!«
Soames' Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und er sah zu Bosinney hinüber. Der Architekt grinste hinter den Dampfwolken seiner Zigarette. Jetzt allerdings, sah er wirklich eher wie ein Bukanier aus.
»Es steckt eine Menge Arbeit darin,« bemerkte James eifrig, denn die Größe der Gruppe machte sichtlich Eindruck auf ihn. »Man bekäme bei Jobson sicher einen guten Preis dafür.«
»Der arme fremde Dei–bel, der das gemacht hat, forderte fünfhundert – ich gab ihm vier. Wert ist es acht. Sah halb verhungert aus, der arme Dei–bel!«
»Ach ja!« stimmte Nicholas plötzlich ein, »arme schäbige Gesellen, diese Künstler. Es ist mir ein Rätsel, wie sie leben. Da ist zum Beispiel dieser junge Flageoletti, den Fanny und die Mädchen immer zum Geigen kommen lassen; wenn's hoch kommt, verdient er hundert Pfund im Jahr!«
James schüttelte den Kopf. »Ja,« sagte er, »ich weiß nicht wie sie leben!«
Der alte Jolyon hatte sich erhoben und sah sich, mit der Zigarre im Munde, die Gruppe in nächster Nähe an.
»Hätte nicht zweihundert dafür gegeben!« sagte er schließlich.
Soames sah seinen Vater und Nicholas einen besorgten Blick wechseln, und an der andern Seite, neben Swithin, saß Bosinney noch immer in Rauch gehüllt.
»Möchte wissen, was er davon hält?« dachte Soames, der wohl wußte, daß diese Gruppe hoffnungslos vieux jeu war, hoffnungslos der vorigen Generation angehörte. Derlei Kunstwerke gingen bei Jobson nicht mehr.
Endlich kam Swithins Antwort. »Du hast nie was von Skulpturen verstanden; du hast deine Bilder, und damit gut!«
Der alte Jolyon ging an seinen Platz zurück und paffte an seiner Zigarre. Fiel ihm nicht ein, sich mit einem so eigensinnigen Starrkopf wie Swithin auf Argumente einzulassen, der störrisch war wie ein Maulesel und eine Statue von einem – Strohhut nicht unterscheiden konnte.
»Stuck!« war alles was er sagte.
Es war seit lange eine psychische Unmöglichkeit für Swithin, aufzuspringen; er schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Stuck! Ich möchte in deinem Hause mal etwas sehen, das nur halb so gut wäre!«
Und hinter seinen Worten schien abermals jene leidenschaftliche Gewaltsamkeit früherer Generationen hervorzutönen.
Es gelang James, die Situation zu retten.
»Und was sagen denn Sie dazu, Mr. Bosinney? Sie sind Architekt, Sie müssen mit Statuen und dergleichen doch Bescheid wissen!«
Aller Augen waren auf Bosinney gerichtet; jeder wartete mit seltsam mißtrauischem Blick auf seine Antwort.
Und Soames, der zum ersten Mal das Wort ergriff, fragte:
»Ja, Bosinney, was meinen Sie?«
Bosinney erwiderte gelassen:
»Es ist eine bemerkenswerte Arbeit.«
Seine Worte waren an Swithin gerichtet, seine Augen lächelten verschmitzt dem alten Jolyon zu; aber Soames war unbefriedigt.
»Bemerkenswert, weswegen?«
»Wegen ihrer Naivität.«
Der Antwort folgte ein eindrucksvolles Schweigen. Nur Swithin war nicht sicher, ob ein Kompliment beabsichtigt war.
Viertes Kapitel
Bauprojekte für das Haus
Drei Tage nach der Mittagsgesellschaft bei Swithin trat Soames Forsyte durch seine grüngestrichene Haustür, und als er von der andern Seite des Squares zurückblickte, befestigte sich der Eindruck, daß das Haus eines neuen Anstrichs bedurfte.
Er hatte seine Frau, mit gekreuzten Händen im Schoß, auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzend verlassen; sie hatte