Die Forsyte-Saga. John Galsworthy

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Die Forsyte-Saga - John Galsworthy

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ging ins Vorzimmer und setzte sich mit gespreizten Knieen auf den Rand eines Stuhles. Seine große, wohlbeleibte Gestalt fiel alsbald in eine seltsam erwartungsvolle, ihm eigentümliche Reglosigkeit zurück. Er war bereit, sich jeden Augenblick zu erheben. Seit Monaten hatte er niemand zu Tisch geladen. Dies Mittagessen zu Ehren von Junes Verlobung war ihm anfangs lästig und langweilig erschienen (die Forsytes hielten andächtig an dem Brauch fest, Verlobungen durch Gastmähler zu feiern), aber nachdem die Mühe, Einladungen zu versenden und das Essen zu bestellen, überstanden war, fühlte er sich angenehm angeregt.

      Und als er fett und glatt und prächtig, wie eine abgeplattete Butterkugel, mit der Uhr in der Hand da saß, dachte er an nichts.

      Ein langer Mensch mit einem Backenbart, der früher in Swithins Dienst gestanden hatte, jetzt aber Grünkramhändler war, kam herein und meldete:

      »Mrs. Cheßman, Mrs. Septimus Small!«

      Zwei Damen traten ein. Die vordere, ganz in Rot gekleidet, hatte große Flecke von der gleichen Farbe auf den Wangen und ein hartes, blitzendes Auge. Sie ging auf Swithin zu und streckte ihm die Hand in langem primelfarbenen Handschuh entgegen:

      »Nun, Swithin,« sagte sie, »ich habe dich eine Ewigkeit nicht gesehen. Wie geht's? Aber, lieber Junge, wie du stark wirst!«

      Nur der starre Blick in Swithins Auge verriet Erregung. Ein dumpfer, zürnender Groll schwellte seine Brust. Es war ordinär stark zu sein, von Starksein zu reden; er hatte eben eine breite Brust. Er wandte sich zu seiner Schwester, ergriff ihre Hand und sagte in gebieterischem Ton:

      »Nun, Juley!«

      Mrs. Septimus Small war die größte der vier Schwestern; ihr gutes, rundes altes Gesicht war ein wenig säuerlich geworden; zahllose Schmollfältchen durchzogen es, als hätte es bis zu diesem Abend in einer eisernen Drahtmaske gesteckt, die, plötzlich entfernt, kleine Wülste rebellischen Fleisches über ihrem ganzen Antlitz zurückgelassen hatte. Selbst ihre Augen blickten schmollend. Auf diese Weise gab sie ihren beständigen Groll über den Verlust von Septimus Small zu erkennen.

      Sie war bekannt dafür, immer das Verkehrte zu sagen, und hartnäckig wie ihre ganze Sippe, hielt sie daran fest, wenn sie einmal etwas gesagt hatte und fügte immer noch etwas Verkehrtes hinzu. Seit dem Hinscheiden ihres Gatten hatten die Familienhartnäckigkeit und Familiennüchternheit keinen fruchtbaren Boden mehr bei ihr gefunden. Sie war sehr gesprächig, wenn sie Gelegenheit dazu fand, konnte ohne die geringste Aufmunterung stundenlang mit epischer Eintönigkeit von den zahllosen Anlässen erzählen, bei denen sie vom Schicksal mißbraucht worden war und merkte nie, daß ihre Zuhörer mit dem Schicksal übereinstimmten, denn sie hatte ein gutes Herz.

      Da die gute Seele lange Zeit am Bette von Septimus Small (einem Manne von schwächlicher Konstitution) hatte verbringen müssen, war es ihr zur Gewohnheit geworden, und sie hatte später zahllose Gelegenheiten gehabt, bei Kranken, Kindern und andern hilflosen Personen zu sitzen und sie zu zerstreuen, war aber nicht davon abzubringen, die Welt für die undankbarste Stätte zu halten, in der man leben konnte. Sonntag für Sonntag saß sie zu Füßen des außerordentlich geistreichen Predigers Thomas Scoles, der einen großen Einfluß auf sie ausübte; aber es gelang ihr jedermann zu überzeugen, daß selbst dies ein Unglück sei. Sie war sprichwörtlich in der Familie geworden, und wenn man einen von ihnen besonders verstimmt sah, wurde er ›eine wahre Juley‹ genannt. Ihr Gemütszustand hätte jeden, der kein Forsyte war, zu vierzig Jahren ins Grab gebracht; aber sie war vierundsiebzig und hatte nie wohler ausgesehen. Und man fühlte, daß Genußfähigkeiten in ihr schlummerten, die noch zutage treten konnten. Sie besaß drei Kanarienvögel, den Kater Tommy und einen halben Papagei – die andere Hälfte gehörte ihrer Schwester Hester, und diese armen Geschöpfe (sie wurden Timothy sorgfältig ferngehalten – er mochte keine Tiere) erkannten besser als die Menschen, daß sie für ihr Mißgeschick nichts konnte, und hingen leidenschaftlich an ihr.

      Sie erschien an diesem Abend in der düstern Pracht ihres schwarzen Seidenkleides mit dem malvenfarbenen Einsatz und dem schüchtern dreieckigen Ausschnitt, den ein schwarzes Samtband um den Ansatz ihres dünnen Halses abschloß. Schwarz und Malvenfarbe für eine Abendtoilette galt bei fast allen Forsytes für sehr vornehm.

      Schmollend sagte sie zu Swithin:

      »Ann hat nach dir gefragt. Du bist eine Ewigkeit nicht bei uns gewesen.«

      Swithin steckte die Daumen in die Armlöcher seiner Weste und erwiderte:

      »Ann wird sehr klapprig, sie sollte einen Arzt zu Rate ziehen!«

      »Mr. und Mrs. Nicholas Forsyte!«

      Die rechtwinkligen Brauen hochgezogen, kam Nicholas Forsyte lächelnd herein. Es war ihm im Laufe des Tages geglückt, einen Vorschlag zur Verwendung von Eingeborenen aus Oberindien in den Goldminen von Ceylon zur Annahme zu bringen. Ein Lieblingsplan von ihm, der trotz großer Schwierigkeiten schließlich doch zur Ausführung gekommen war – er konnte wohl zufrieden sein. Es mußte den Ertrag seiner Minen verdoppeln, und, wie er oft mit Nachdruck hervorgehoben hatte, zeigte alle Erfahrung, daß Menschen sterben müssen. Ob sie nun im eignen Lande an Altersschwäche starben oder frühzeitig an der Feuchtigkeit auf dem Grunde einer Mine in der Fremde, war sicherlich von geringer Bedeutung, vorausgesetzt, daß die Veränderung ihrer Lebensweise dem Britischen Reiche einen Nutzen brachte.

      Seine Fähigkeiten waren nicht zu verkennen. Er pflegte die eingeknickte Nase zu seinem Zuhörer emporzuheben und hinzuzufügen:

      »Aus Mangel an ein paar Hundert dieser Kerle haben wir jahrelang keine Dividende zahlen können. Sehen Sie nur wie die Aktien stehen, ich bekomme nicht zehn Schillinge dafür.«

      Er war auch in Yarmouth gewesen und mit dem Gefühl zurückgekehrt, sein Leben wenigstens um zehn Jahre verlängert zu haben. Er ergriff Swithins Hand und rief in scherzhaftem Tone:

      »Ja, da wären wir wieder hier!«

      Seine Gattin, ein verblühte Frau, lächelte hinter ihm ein Lächeln verschüchterter Munterkeit.

      »Mr. und Mrs. James Forsyte! Mr. und Mrs. Soames Forsyte!«

      Swithin schlug die Hacken zusammen, seine Haltung war bewunderungswürdig wie immer.

      »Na, James, na Emily! Guten Tag, Soames! Und wie geht's dir

      Seine Hand umschloß die Irenens, und seine Augen vergrößerten sich. Sie war eine schöne Frau – ein wenig zu blaß, aber diese Figur, diese Augen, diese Zähne! Viel zu schade für diesen Soames!

      Die Götter hatten Irene mit dunkelbraunen Augen und goldenem Haar ausgestattet, jener seltsamen Zusammenstellung, die die Blicke der Männer reizt und das Zeichen eines schwachen Charakters sein soll. Und die volle weiche Blässe ihres Halses und der Schultern über einem goldfarbenen Gewand, gaben ihrer Persönlichkeit eine verführerische Fremdartigkeit.

      Soames stand hinter seiner Frau, die Augen auf ihren Hals geheftet. Die Zeiger auf Swithins Uhr, die er noch immer geöffnet in der Hand hielt, waren über die Acht hinausgerückt; es war eine halbe Stunde über seine Tischzeit – er hatte nicht gefrühstückt – und eine seltsame, unverhüllte Ungeduld wallte in ihm auf.

      »Es ist nicht Jolyons Art, zu spät zu kommen!« sagte er zu Irene, ohne seinen Ärger verbergen zu können. »Wahrscheinlich hält June ihn auf.«

      »Verliebte kommen immer zu spät,« erwiderte sie. Swithin starrte sie an; ein dunkles Orangegelb färbte seine Wangen.

      »Sie haben kein Recht

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