Die Forsyte-Saga. John Galsworthy
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Читать онлайн книгу Die Forsyte-Saga - John Galsworthy страница 59
Er gehörte zu jenen Menschen, die mit kreuzweise untergeschlagenen Beinen gleich chinesischen Miniaturgötzen im Gehäuse ihres eigenen Herzens sitzen, und ewig zweifelnd über sich selbst lächeln. Doch dieses beständige, so vertraute Lächeln widersprach nicht etwa seinen Handlungen, die wie sein Kinn und sein Temperament ein ganz sonderbares Gemisch von Sanftmut und Entschiedenheit waren.
Er war sich auch vollbewußt, in seiner Arbeit ein Forsyte zu sein, in diesem Malen von Aquarellen, worauf er zu seinem eigenen Erstaunen soviel Energie verwandte, denn ihm war, als könne er ein so unpraktisches Tun nicht völlig ernst nehmen, und es beunruhigte ihn immer seltsam, daß er nicht mehr damit verdienen konnte.
Und dies Bewußtsein, was es bedeutete ein Forsyte zu sein, veranlaßte ihn darum auch, den folgenden Brief des alten Jolyon mit einem gemischten Gefühl von Sympathie und Entrüstung zu begrüßen:
»Sheldrake House.
Broadstairs.
1. Juli.
Mein lieber Jo!
(Papas Handschrift hatte sich in diesen dreißig Jahren, seit er sich ihrer erinnerte, nur sehr wenig verändert.)
»Wir sind jetzt seit vierzehn Tagen hier und haben im Ganzen gutes Wetter gehabt. Die Luft ist stärkend, aber meine Leber ist nicht in Ordnung, und ich werde froh sein nach der Stadt zurück zu kommen. Von June kann ich nicht viel sagen; mit ihrer Gesundheit und Stimmung geht es nicht sonderlich, und ich weiß nicht, was daraus werden soll. Sie sagt nichts, aber man merkt, daß diese Verlobung sie fortwährend beschäftigt, die eine Verlobung ist und doch wieder keine oder – weiß der liebe Himmel was sie ist. Ich zweifle ernstlich, ob man sie unter den jetzigen Verhältnissen wieder nach London zurücklassen soll, aber sie ist so eigenwillig, daß es ihr jeden Augenblick einfallen könnte hinzufahren. Eigentlich müßte jemand mit Bosinney sprechen und zu erfahren suchen, was er vorhat. Ich selbst fürchte mich davor, denn ich würde ihm sicherlich auf die Finger klopfen, aber ich dachte, daß du, da du ihn vom Klub her kennst, ein Wörtchen mit ihm reden könntest und Dich überzeugen, was der Bursche treibt. Du darfst June natürlich in keiner Weise bloßstellen. Es würde mich freuen im Laufe einiger Tage von Dir zu hören, ob es Dir gelungen ist, eine Auskunft zu erhalten. Die Sachlage bekümmert mich sehr, und es quält mich in den Nächten. Mit Grüßen für Holly und Jolly
Dein treuer Vater
Jolyon Forsyte.«
Der junge Jolyon grübelte so lange und ernst über diesem Briefe, daß seine Frau ihn nach der Ursache seines Nachdenkens fragte, aber er erwiderte: »Es ist nichts.«
Es war sein fester Grundsatz, June niemals zu erwähnen. Sie hätte sich beunruhigt fühlen können, und er wußte nicht wie sie es aufnehmen würde. Er beeilte sich darum alle Spuren seiner Versunkenheit zu verwischen, war aber darin ebenso erfolgreich, wie sein Vater es gewesen wäre, denn er hatte des alten Jolyon ganze Durchsichtigkeit in Bezug auf Angelegenheiten häuslicher Finesse geerbt. Und die junge Mrs. Jolyon ging bei ihren Beschäftigungen im Hause mit festgeschlossenen Lippen umher und warf verstohlen unergründliche Blicke auf ihn.
Am Nachmittag begab er sich mit dem Brief in der Tasche, doch ohne einen Entschluß gefaßt zu haben, in den Klub.
Jemand auf ›seine Absichten‹ hin zu prüfen, war ihm ganz besonders unangenehm, und seine eigene anomale Lage war nicht geeignet das Unangenehme zu vermindern. Es sah seiner Familie und all den Leuten die sie kannten und mit denen sie verkehrten so ähnlich ihre Rechte, wie sie es nannten, auf einen Mann geltend zu machen, ihn zu einem Entschluß zu zwingen; es sah ihnen so ähnlich ihre Geschäftsgrundsätze auf ihre Privatangelegenheiten zu übertragen!
Und wie die Phrase in dem Brief – »du darfst June natürlich in keiner Weise bloßstellen« – die ganze Sache preisgab.
Und doch war der Brief mit dem persönlichen Kummer, der Teilnahme für June, dem ›auf die Finger klopfen‹ so natürlich. Kein Wunder, daß sein Vater wissen wollte, was Bosinney beabsichtigte, kein Wunder daß er zornig war.
Es war schwer es abzuschlagen! Aber warum mußte die Sache gerade ihm übergeben werden? Sicherlich war das ganz unpassend; aber solange ein Forsyte erlangte, was er begehrte, war er nicht sonderlich wählerisch in Bezug auf die Mittel, vorausgesetzt, daß der äußere Schein gewahrt blieb.
Wie sollte er davon loskommen oder es abschlagen? Beides schien unmöglich.
Er traf um drei Uhr im Klub ein, und die erste Person, die er erblickte, war Bosinney selbst, der in einer Ecke saß und aus dem Fenster starrte.
Der junge Jolyon setzte sich nicht weit davon und begann unruhig über seine Lage nachzudenken. Er blickte heimlich zu Bosinney hinüber, der ahnungslos dort saß. Er kannte ihn nicht sehr gut und studierte ihn aufmerksam vielleicht zum ersten Mal. Ein Mann von ungewöhnlichem Aussehen, den meisten andern Klubmitgliedern unähnlich in Kleidung, Gesicht und Wesen – der junge Jolyon selbst hatte, so anders er auch von Gemüt und Sinnesart geworden, immer die diskrete Vornehmheit eines Forsyteschen Äußeren beibehalten. Ihm allein von allen Forsytes war Bosinneys Spitznamen unbekannt. Der Mann war ungewöhnlich, nicht exzentrisch, aber ungewöhnlich; er sah auch abgezehrt, hager, hohlwangig unter den breiten starken Backenknochen aus, doch ohne jeden Anschein von Kränklichkeit, denn er war stark gebaut und hatte lockiges Haar, das ein Zeugnis für die volle Lebenskraft einer guten Konstitution zu sein schien.
Etwas in seinem Gesicht und seiner Haltung rührte den jungen Jolyon. Er wußte was Leiden war, und dieser Mann sah aus, als litte er.
Er stand auf und berührte seinen Arm.
Bosinney fuhr auf, verriet aber keine Spur von Verlegenheit als er sah, wer es war.
Der junge Jolyon setzte sich.
»Ich habe Sie lange nicht gesehen,« sagte er. »Wie weit sind Sie mit meines Vetters Haus?«
»Es wird in einer Woche etwa fertig sein.«
»Ich gratuliere!«
»Danke – ich weiß nicht, ob eine Gratulation hier angebracht ist.«
»Nicht?« fragte der junge Jolyon, »ich hätte gedacht, Sie wären froh, eine so lange Geschichte wie das war endlich los zu sein; aber Sie betrachten es wahrscheinlich wie ich, wenn ich mich von einem Bilde trenne – als eine Art Kind?«
Er blickte Bosinney freundlich an.
»Ja,« sagte dieser herzlicher, »man schafft es aus sich heraus, und dann ist alles vorbei. Ich wußte nicht, daß Sie malen.«
»Nur Aquarelle; ich kann nicht sagen, daß ich von meiner Arbeit etwas halte.«
»Sie halten nichts davon? Wie können Sie dann arbeiten? Arbeit hat keinen Zweck, wenn man nichts davon hält!«
»Sie haben recht!« sagte der junge Jolyon, »genau, was