Der taube Himmel. Herbjørg Wassmo

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Der taube Himmel - Herbjørg Wassmo

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kam keine Antwort. Die Wände saugten die Worte an. Gierig. Als ob es darauf ankäme, sie möglichst schnell unsichtbar zu machen.

      Er strich sich entmutigt übers Gesicht. Wurde sich allmählich dessen bewusst, dass er bei einem um gut Wetter bat, der gar nicht daran interessiert war, etwas in Ordnung zu bringen. Er sah sich in der Küche mit den schäbigen Wänden um. Die Farbe war abgewaschen oder abgerieben worden, schon lange bevor Ingrid mit ihrem Schmierseifenwasser angefangen hatte. Die armseligen Möbel. Die abgetragenen Kleidungsstücke am Haken neben der Tür. Der Geruch eines Hauses, in dem viele Menschen lebten. Die Türen konnten neugierige Augen und Ohren nicht ausschließen. Wahrscheinlich klebten Ohren im Treppenhaus an den Wänden. Um zur Stelle zu sein, wenn etwas los war. Die Ohnmacht gegenüber dem eigenen Schicksal konnte dadurch gelindert werden, dass man miterlebte, wie das Leben anderer Menschen zerbrach. Einen Augenblick sah er Rakels Familie vor sich, dann erhob er sich müde und machte sich fertig zum Gehen.

      Henrik und Ingrid folgten ihm stumm mit den Augen. Getrennt, ohne Kontakt zueinander. Simon empfand es als eine Erleichterung, seine eigenen Schritte auf dem abgetretenen Holzfußboden zu hören.

      »Du – ihr könntet schon erzählen, was in der Hütte gesagt worden ist.« Ingrid sah endlich von einem zum anderen. Es rauschte wütend in den Rohren über ihren Köpfen. Eine Art Signal, dass die Welt sich drehte – noch.

      Simon blieb stehen – und versuchte dankbar, die Worte, die Henrik in der Tobiashütte gebraucht hatte, wiederzugeben. Was Einar geantwortet hatte. Den Schlag. Die Schlägerei.

      Henriks Gesicht war eine nicht gestrichene Bretterwand.

      »Die Rakel ist in Breiland, um nach der Tora zu sehn, das wisst ihr doch?«, fügte er hinzu.

      »Warum denn? Wie meinste das?« Ingrid wurde unruhig. War auf dem Sprung. Knickte in der Mitte etwas zusammen.

      »Die Rakel hat angerufen und gesagt, dass sie vor morgen nicht nach Haus kommt. Denn der Tora geht’s nicht besonders gut.«

      »Hat sie nicht gesagt, was ihr fehlt?«, fragte Ingrid.

      »Nein. Nur, dass sie noch bleibt. Ich dachte, ihr wüsstet …«

      »Nein«, sagte Ingrid. Sie zog sich mit steifen Händen die verschlissene geblümte Schürze aus. Legte sie auf dem Tisch ordentlich zusammen. »Ich geh jetzt mit dir nach Haus, Simon, und dann ruf ich in Breiland an. Ich muss was Genaueres erfahren.«

      Henrik hob endlich den Kopf. Die Schwellungen von den harten Schlägen wurden immer bedenklicher. Er sah ziemlich fertig aus.

      »Du gehst nirgendwo mit ihm hin!«

      Beide drehten sich zu Henrik um.

      »Ich ruf nur kurz an und frag, wie es aussieht, verstehste das nich?«

      »Ich will nicht, dass du nach Bekkejordet raufläufst wie ein Flittchen!«

      Die Stimme klang wie alte dürre Kiefernstämme, die im Sturm brachen. Einer nach dem anderen. Ein einsamer Ruf. Den Simon verstand. Im tiefsten Herzen. Er wusste nicht, warum. Es war einfach so. Endlich erkannte er die Eifersucht, die Gedanken und Reaktionen dieses Mannes antrieb.

      »Geh du nur anrufen, Ingrid. Ich bleib solange hier unten und leiste dem Henrik Gesellschaft. Kochste Kaffee, Henrik?«

      Über das Gesicht des Mannes in der Herdecke huschten Schatten. Scham? Ein Funken Trauer? Ein Eingeständnis? Ingrid sah ratlos aus, aber sie ging. Als die Tür hinter ihr zufiel, überkam Simon ein Gefühl des Unbehagens. Es schien alle seine Gedanken zu überdecken. Er zwang sich, Henrik den Rücken zu kehren, während er selbst Kaffee kochte. Holte die Kaffeedose und ließ Wasser in den Kessel laufen. Heizte ein. Alles in der verkehrten Reihenfolge. Aber der Kaffee kam zum Kochen. Und die Geräusche im Haus erinnerten ihn daran, dass er mit Henrik nicht allein war. Zu guter Letzt zwang er sich auf den Stuhl, der Henrik am nächsten stand, und sah den Mann abwartend an.

      »Du redst nicht viel, Henrik. Aber du sagst jedenfalls Bescheid, so dass du’s immer so hinkriegst, wie du’s haben willst.«

      »Das schert mich den Teufel, was ihr glaubt.«

      »Ja, das wissen wir.«

      Simon sagte mit Absicht wir. Überlegte, wie er es anfangen sollte.

      »Glaubste wirklich, Henrik, dass Ingrid und ich was miteinander haben, so dass wir nicht zusammen nach Bekkejordet gehn dürfen? Man hat dauernd den Eindruck, dass du nicht ganz richtig im Kopf bist, mein Junge.«

      »Ich scheiß darauf, was du denkst. Aber du sollst zum Teufel noch mal meiner Frau nicht nachstellen.«

      »Ich glaub, du spinnst. Andrerseits ist es ein Wunder, dass sie dich immer noch hierhaben will, so wie du dich benommen hast – mit dem Brand und dem Alkohol. Aber das geht ja niemand was an.«

      »Halt’s Maul!«

      »Na schön.«

      Simon passte auf den Kessel auf. Dann machte er den Kaffee fertig. Langsam und umständlich. Rakel hatte es ihm beigebracht. Nahm zwei Tassen heraus und schenkte ein.

      »Du bist sehr vertraut hier, wie ich seh«, stichelte Henrik mit einem Grinsen. »Du warst wohl öfters hier, während ich gesessen hab? Was?«

      »Hör mal zu, jetzt reicht’s mir bald. Lass uns von was anderm reden. Warum haste meinen Betrieb angesteckt, Henrik? Ich hätte nie geglaubt, dass sich mal die Gelegenheit bieten würde, dich zu fragen. Aber jetzt tu ich’s. Warum, Henrik?«

      »Ich hab nie gesagt, dass ich’s getan hab!«

      »Aber du hast’s getan!« Simons Herz hämmerte. »Du hast’s getan!«, wiederholte er. Die Stimme war leise und atemlos.

      »Ja. Es ist so …«

      Simon sah die ganze Zeit dem Mann direkt in die Augen. Jetzt schien der Blick dort hinten in der Ecke zu bersten. Kam und ging. Hatte keinen Anfang. Kein Ende.

      Das Wort Ja – bedeutete nichts. Aber das Gesicht des anderen!

      Der Mann schielte zur Tür, als ob er darauf wartete, dass jemand hereinkäme. Um im nächsten Moment die Augen wieder auf Simon zu richten. Es lag etwas wie eine Bitte in ihnen.

      »Aber warum?«, flüsterte Simon. Fenster und Türen hatten Augen und Ohren. Das ganze Haus hielt die Luft an.

      Simon schlürfte den glühend heißen Kaffee, aber er ließ Henrik nicht aus den Augen.

      »Ich weiß nicht …«

      Simon hatte schon den Mund geöffnet für den nächsten Schachzug, aber er hielt inne.

      »Ja, vielleicht bin ich gemein. Und wenn schon. Ist doch egal. Aber jedenfalls weiß ich, was die Hölle ist! Verstehste? Ich weiß es.«

      Henrik erhob sich. Stand zusammengesunken da und sah vor sich hin. Dann bewegte er sich seitwärts bis zur Mitte des Raumes. Wie ein verletzter Krebs scharrte er über den Boden.

      »Vielleicht muss ich ja so sein. Gemein!« Sein Lachen klang heiser und gepresst.

      »Erzähl mir, Henrik, von deiner Hölle.«

      Es

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