Weihnachtswundernacht 1. Группа авторов

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Weihnachtswundernacht 1 - Группа авторов

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neben ihm, könnte er das. Mit dem Navi dagegen ist nicht zu reden. Auch mit Sprachsteuerung nicht. Der/ die/ das Navi fordert immer nur Gehorsam. Und ist hinterher nicht mal schuld, wenn die Umleitungsstrecke über unbefestigte Forstwege verlief. Letzte Woche, nach drei Tagen Dauerregen, soll ja ein 7,5-Tonner auf so einem Feldweg versackt sein.

      Er hat schon Predigten gehört und Lieder gesungen, erinnert sich Wolf-Rüdiger, die stellten Gott genau so dar: Blinden Gehorsam fordernd, immer im Recht, nie zur Verantwortung zu ziehen. Je angestrengter und erschöpfter der dumme kleine Mensch mit den Widrigkeiten seiner Lebensumstände kämpft, umso triumphaler erhebt sich der Himmelsherrscher über ihn. Je winterlicher und dunkler die Verhältnisse seiner orientierungslosen Geschöpfe sind, desto majestätisch glänzender strahlt der Schöpfer. Wolf-Rüdiger fand das nie »herrlich«. Sondern immer nur herrisch.

      Seine Stimmung hebt sich, als die Autoschlange vor ihm an Tempo gewinnt und ein paar Kilometer zügige Fahrt möglich werden. Quer über der Straße hängt im nächsten Dorf ein riesiges Banner. Ein rotwangiger Weihnachtsmann mit Sprechblase: »Hohoho, Weihnachtsmarkt!«

      Also gut. Ich werde der Umleitungsempfehlung Folge leisten, denkt Wolf-Rüdiger. Was soll’s. Eine ganze Stuhlreihe genervter Zuschauer wird aufstehen müssen, Frederike wird enttäuscht sein, ihre Eltern werden vorwurfsvoll dreinschauen, und Roswitha, seine Frau, wird »typisch!« zischeln. Eine letzte Chance, rechtzeitig zum Krippenspiel zu kommen, gibt es nur, wenn der Pfarrer eine lange Einleitungsrede hält.

      Wolf-Rüdiger schaltet runter, blinkt nach links, lässt den Gegenverkehr durch und biegt in die Nebenstrecke ein.

      »Na?« Erwartungsvoll schaut er aufs Display. Sein Navi schweigt.

      »Was ist?! Ich tue, was du sagst, merkst du das eigentlich? Könntest mich ja ruhig mal ein bisschen loben.«

      Mein Gott, jetzt rede ich schon mit einem Gerät …

      Die Umleitung ist eine überraschend breit ausgebaute Umgehungsstraße. Nagelneu. Es muss Jahre her sein, dass er das letzte Mal diese Strecke fuhr. Wolf-Rüdiger gibt Gas, schnurgerade bergab, rast mit knapp 110 km/h am Ortsschild vorbei und wird prompt geblitzt. Egal.

      »Ankunft am Ziel auf der linken Seite.«

      Schau an, Frau Oberlehrerin hat die Sprache wiedergefunden.

      Er stellt den Wagen vor dem Gemeindehaus auf einen gebührenpflichtigen Parkstreifen und legt den Kassenbon vom Getränkemarkt unter die Windschutzscheibe.

      »Sie haben Ihr Ziel erreicht«, sagt der/die/das Navi.

      Wolf-Rüdiger schnallt sich ab und schaut auf die Uhr.

      »In exakt 24 Minuten«, nickt er. »Aber woher wusstest du, dass ich fahren würde wie eine gesengte Sau?«

      Drinnen beginnt der Pfarrer gerade mit einer langen Einleitungsrede.

      Frederike auf der Bühne, im Engelkostüm, strahlt ihren Patenonkel an. Wolf-Rüdiger kommen schier die Tränen. Ihre Eltern freuen sich, Roswitha begrüßt ihren Mann mit einer heftigen Umarmung und einem Kuss auf den Mund.

      »Wie hast du das denn geschafft?!«

      »Einfach mehr vertrauen. Mehr darauf vertrauen, dass Gott menschlich ist. Darum geht’s doch im Advent, oder?«

      Die beiden setzen sich.

      Der ist ja völlig überarbeitet, denkt sie.

      ANDREAS MALESSA

       Was soll einmal werden?

      Ein Nachmittag in adventlicher Stimmung. Kerzen, Zimtsterne und Kakao. Die Kinder fertigen ihre Wunschzettel an, wir Erwachsenen reden über alte Bräuche, blöde und schöne. Wie nebenbei frage ich eins meiner Patenkinder, das gerade einen pinkfarbenen Schal, Mütze und Handschuhe gemalt hat: »Was willst du denn eigentlich mal werden?« Und die Kleine antwortet: »Groß!« Da sie es mit einem kleinen Lispeln ausspricht, klingt es besonders bezaubernd. Ich lache sie an und frage weiter: »Und dann? Wenn du groß bist, was dann?« Sieben Erwachsene sind auf einmal gespannt, neugierig und sehen sie erwartungsvoll an. Und die Kleine, sie ist gerade fünf Jahre alt geworden, sagt mit einem selbstbewussten Ton der Selbstverständlichkeit und keineswegs so, als kündige sie ein Geheimnis an: »Eisprinzessin!« Dann winkt sie und geht weg zu den anderen Kindern.

      Wir, sieben Erwachsene, wissen nicht, was eine Eisprinzessin ist. Das Wort klingt, als käme es aus einem Märchen. Oder gehört es in den Sommer? Zu Vanille, Erdbeer und Schokolade? Oder doch auf den zugefrorenen See und zum Schlittschuhlaufen?

      Da sagt einer von uns: »Ich, ich wollte ja immer Erfinder werden.« Heute ist er Anwalt. Und er findet, dass er schon lange keine Entdeckung mehr gemacht hat, viel zu lange schon nicht mehr. Und das allerdings war jetzt eine Entdeckung, und er nimmt sich vor, dringend mal wieder etwas zu erforschen oder zu suchen.

      Seine Frau sagte, sie habe, wie viele andere Mädchen auch, Stewardess werden wollen. Sie sei dann aber zunächst einmal von der Schule geflogen. Sie grinst ihren Mann an. Und sie sei Mutter geworden. Aber später sei sie viel gereist. Sie schaut sehnsüchtig aus dem Fenster. Sie sieht so aus, als würde sie sich freuen, wenn ihr gleich jemand einen Tomatensaft anbieten würde.

      Der Vater der zukünftigen Eisprinzessin meint, er habe Fußballprofi oder Rennfahrer, aber Hauptsache reich werden wollen. Das ist ihm auch gelungen. Weil er eine von Hause aus wohlhabende Frau geheiratet hat.

      Genau die wiederum gesteht uns mit einem Schulterzucken: »Ich war ja immer so supergut in Latein.« Aber Latein habe so alt geklungen, nach Vergangenheit. Zukunft aber sei BWL gewesen, und so sei sie eben Managerin geworden. »Vielleicht hole ich meinen Cicero mal wieder raus«, meint sie. »Oder ich lese die Weihnachtsgeschichte mal auf Latein. Gloria in altissimis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis’« zitiert sie versonnen. Und fügt gnädigerweise hinzu: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.«

      Und einer überrascht uns, weil er leise sagt, so als wage er kaum, es zuzugeben, er habe Tänzer werden wollen. Pina Bausch, Ballett. Der neben ihm stupst ihn in die Seite und meint feixend: »Du ein sterbender Schwan?« Aber er merkt, dass der andere es ernst meint und schweigt.

      Wir sind alle nachdenklich geworden. Was ist, wenn der Kindertraum eines Tages ausgeträumt ist? Wenn wir versäumt haben, zu verwirklichen, was wir eigentlich wollten? Heute ist der Traum-Tänzer ein erfolgreicher Designer. Ist er denn nicht glücklich? Niemand wagt, es in diesem Moment zu fragen.

      Und der von uns, dem immer schon alles einfach so zugefallen ist, meint: »Ich bin da, wo ich immer hin wollte.« Er sagt es so nüchtern, dass wir alle spontan und wie verabredet beschließen, ihn heute einmal nicht zu beneiden.

      Eine wollte eigentlich immer nur singen oder Flöte spielen. Aber Künstlerin sei nun mal nach Ansicht ihrer Eltern kein Beruf, und so habe sie etwas Anständiges gelernt. Da sie nicht berufstätig ist, fragt niemand nach, was sie damit wohl meint.

      Wir Erwachsenen gucken in Richtung der Kinder, die immer noch schreiben, malen, verzieren und ihre

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