Der Ring der Niedersachsen. Cornelia Kuhnert
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Marcella mied mich seit jenem Vorfall, kein persönliches Wort wurde gesprochen. Ich sah sie nur zu offiziellen Anlässen, wenn sie an meiner Seite Rom repräsentieren musste. Ich war wie befreit. Die Provinz lag ruhig dank meiner Anstrengungen, ich konnte mich auf die Verwaltung, auf die Durchsetzung des Rechtes konzentrieren. Ich konnte das Leben genießen, das, was ich erreicht hatte, ich, nicht der Name meiner Frau. So gab ich mich dem Luxus des syrischen Lebens hin, nahm ihn als Lohn für meine Verdienste. Die Gastmahle der örtlichen Würdenträger waren grandios, die Speisen erlesen, der Wein schwer und zu Kopfe steigend. Er regte zu Diskussionen an, bei Symposien deuteten wir die Welt. Platon und Pythagoras, Epikur und Euripides, es war eine reine Freude. Dichter traten auf und rezitierten ihre Werke, in griechischer Sprache, griechische Gedanken, ich hielt dagegen mit Auszügen aus dem neuen, noch nicht veröffentlichten Werke meines Freundes Ovidius Naso, den ›Metamorphosen‹, einer Darstellung und Deutung der griechischen und römischen Geschichte. Humorvoll und tiefgründig ist die Arbeit, mit vielen Anspielungen, die selbst ich noch nicht in ihrer Bedeutung erfasst hatte. Man war angemessen beeindruckt, besonders eine junge Frau, Phyllis, Tochter des Bürgermeisters von Antiochia, Priesterin des Apollon.
Phyllis. Sie war die Erfüllung meines Lebens. Jung, zierlich, schön, schöner als jede Statue der Venus. Augen, so dunkel und tief wie eine Schlucht in der Nacht, mit langen dunklen Wimpern, die sie nie züchtig senkte. Ihre Stimme melodisch, doch allzu selten hörte man sie, Phyllis war eine stille Person. Ich eroberte sie mit Nasos Werken. Guter alter Naso, du brachtest uns kein Glück.
Ich besuchte sie, löste ihr langes schwarzes Haar, erfreute mich mit ihr an der Liebe. Oh, nicht dass ich mich in all den Jahren zurückgehalten hätte, doch selten war das Herz involviert, eher die Sinne, die Lust. Phyllis nahm mein Herz und meine Seele. Phyllis beherrschte meine Gedanken, meine Schritte, mein Tun. Nach Rom wollte ich sie mitnehmen, ihr ein Haus kaufen, sie mit Dichtern bekanntmachen, selbst sollte sie schreiben, denn das konnte sie, ich wollte sie immer in meiner Nähe, an meiner Seite wissen.
Sie lehnte ab. Sie liebe mich, beteuerte sie, doch sie fühle sich Apollon verbunden, seinem Heiligtum hier in der Provinz.
Es gäbe auch anderswo Apollon-Heiligtümer, hielt ich dagegen, und wo es noch keine gab, würden wir sie aufbauen. Es bestand die Möglichkeit, dass ich in die neue nördliche Provinz gesandt werden würde, sagte ich, und ob es sie nicht locke, dort ein Heiligtum für die Barbaren zu schaffen, ihnen den Kult des Apollon nahezubringen, den Wettstreit mit den dortigen Göttern und deren Priesterinnen aufzunehmen, die einst dem Drusus den Untergang vorhergesagt hatten?
Phyllis zögerte, bat sich Bedenkzeit aus. Oh Phyllis, meine Glaphyra, meine Kleopatra – meine Kassandra.
Sie wollte den Gott befragen in dieser Sache. Voller Neugier und Ungeduld überredete ich sie, dabei sein zu dürfen. So begleitete ich sie in den Tempel, in das Allerheiligste, nur weil ich Statthalter war, durfte ich hinein. Phyllis setzte sich auf einen kleinen Dreifuß, entzündete Weihrauch und anderes Räucherwerk, atmete tief die Rauchschwaden ein. Mir wurde schwindelig von dem Dunst, seltsam leicht der Kopf, Bilder jagten hindurch, die ich nicht fassen konnte. Phyllis auf ihrem Schemel wiegte sich vor und zurück und sang leise in einer mir unbekannten Sprache. Ihre Augen waren geschlossen, das Antlitz bleich, der Körper gespannt. Ich bin eingeweiht in die Mysterien von Eleusis, ich weiß, was die Dämpfe bewirken, ich weiß, wie ein Orakel funktioniert. Was jetzt jedoch folgte, war beängstigend. Phyllis’ Körper bog sich wie ein gespannter Bogen, sie riss die Augen auf, die ins Leere blickten, sie krümmte sich unter gutturalen Lauten, wie von der Heiligen Krankheit gepeinigt. Schaum trat ihr vor den Mund, »anulus«, schrie sie, und noch einmal »anulus!«. Dann fiel sie vom Dreifuß und blieb regungslos liegen. Die Stille war unheimlich.
Ich sprang zu ihr, Venus sei Dank, sie atmete. Ich hob sie auf, den leichten, zierlichen Körper, und trug sie in ihr Gemach, in dem sie mir zuvor noch Worte der Liebe ins Ohr geraunt hatte, bettete sie auf die Liegestatt, zerwühlt von unseren Körpern, und rief einen Sklaven, Hilfe zu holen. Kurz darauf betrat ein Priester den Raum. Er hob Phyllis’ Augenlid, fühlte den Puls, nickte und schickte mich fort. Ihr Zustand sei nicht beunruhigend.
Am Tage darauf kam ich nach einer Zeremonie zurück in meine Privatgemächer, müde, abgespannt, besorgt wegen Phyllis. Die Zeremonie hatte mich nicht mit Freude erfüllt, in einem Tempel des Divi Filius, wie Augustus sich nannte, waren von den Einheimischen Opfer dargebracht worden. Tempel und Opfer für einen lebenden Mann, den sie als Gott verehrten! Der nichts dagegen unternahm. Unglaublich!
Eine Sklavin kam mir entgegen, ich hätte einen Gast, sagte sie, im Empfangsraum würde ich erwartet. Dort saß Phyllis, Marcella ihr gegenüber, auf dem Tisch stand Wein. Die Frauen schwiegen. »Dein Besuch«, sagte Marcella und erhob sich, stellte die Weinkaraffe auf das Tablett, die Becher dazu, winkte der Sklavin, es hinauszutragen. In ihren Augen stand Triumph. Warum Triumph?
Phyllis sah klein und verletzlich aus, bleich. Wohl Marcellas wegen. Egal. Nie war sie zu mir gekommen, immer hatte ich sie besucht, brauchte sie mich? Ich trat zu ihr, nahm ihre Hände, die eiskalt waren. Sie entzog sie mir. »Publius«, sagte sie, »nicht hier, nicht jetzt. Ich kam, dich zu warnen.«
»Wovor?«
»Apollons Botschaft war nicht klar, ich kann sie nicht richtig deuten. Und doch war sie mächtig, so mächtig, dass ich sie nicht ertragen konnte. Ich weiß nur eines, folge nicht deinem Plan, denn er wird dich vernichten. Nimm keine Geschenke, denn sie werden die Welt ins Unglück stürzen.«
Ich hörte nicht zu, ich hatte Wichtigeres im Sinn. »Phyllis, wirst du mit mir kommen, wenn meine Zeit hier abgelaufen ist? Du weißt, es sind nur noch ein paar Monate.«
Sie stand auf, schenkte mir ein schwaches Lächeln. »So Apollon will. Ich werde nach dir schicken lassen, wenn es mir besser geht.«
»Phyllis!«
Zwei Tage später war sie tot. Marcella triumphierte.
Nicht lange. Ich konnte sie nicht mehr ertragen, machte sie – zu Recht oder zu Unrecht – verantwortlich für Phyllis’ Tod. Ich verkündete die Scheidung, und sie, die stolze Tochter Agrippas, die Großnichte des Augustus, brach weinend zusammen. Ich hatte nie realisiert, wie sehr der Princeps die Mitglieder seiner Familie unter Druck setzte. Doch Marcella fing sich schnell, funkelte mich mit hasserfüllten Augen an. »Überlege diesen Schritt gut! Deine politische Karriere wird vorbei sein ohne mich.«
»Nein, dein gutes Leben wird vorbei sein, ich glaube nicht, dass Augustus die Anwendung von Gift gutheißt.«
»Er heißt es nicht gut, wenn Angehörige seiner Familie offen Affären haben, so offen, dass die ganze Stadt davon weiß. Und damit nicht genug, mitnehmen wolltest du sie, sie lebenslang zu deiner Mätresse machen, eine Priesterin des