Der Ring der Niedersachsen. Cornelia Kuhnert

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Der Ring der Niedersachsen - Cornelia Kuhnert

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bewaffnet, die hier lebenden Barbaren nicht bereit, auf das gute Leben zu verzichten. So wurden die Eindringlinge zurückgeschlagen, wagten immer seltener anzugreifen. Im Großen und Ganzen lag die Provinz ruhig, wartete auf weitere Erschließung.

      Ich bereitete den Rückmarsch nach Vetera vor, der Eindruck genügte für das erste Jahr. Erst in diesem Sommer in meiner Provinz eingetroffen, wollte ich nicht den Winter in den Tiefen des Landes, das ich noch nicht genügend kannte, verbringen. »Ich bleibe und führe Gespräche, wenn du nichts dagegen hast«, sagte der Blonde, »und bereite die Provinz weiter für dich und deine Pläne vor.«

      Was meinte er? Hatte er mich durchschaut? Aber nein, das konnte nicht sein, ich war vorsichtig gewesen. Dennoch konnte und wollte ich seine Bitte nicht abschlagen, zumal er des Augustus’ Günstling war. So ließ ich ihn und seine Reiter zurück. Es war wie eine Befreiung, seinen wachen Augen entronnen zu sein.

      Zurück in Vetera, richtete ich mich für den Winter ein. Das Lager war groß und bot Komfort, wenn auch keine Kultur. Pulchra langweilte sich, wurde missmutig, mied mein Bett. »Lass uns in die Belgica gehen«, bat sie.

      »Nein«, lehnte ich ab, »ich kann meine Provinz nicht verlassen, ich muss mich vorbereiten auf den Zug im nächsten Jahr. Geh doch allein, wenn du möchtest, ich gebe dir genügend Männer mit, um die Reise zu sichern.« Doch das wollte sie nicht. Der Princeps wäre erzürnt, reiste sie allein. Ich sagte nicht, was mir auf der Zunge lag, dass es egal sei, was Augustus denke und sage, bald habe er ohnehin nichts mehr zu sagen. Pulchra verließ schimpfend den Raum.

      Doch des Nachts legte sie sich wieder zu mir. Nach einigen Monaten verkündete sie, sie sei schwanger. Ich freute mich, verordnete ihr Ruhe und keinen Verkehr, es könne dem Kind schaden.

      Privatus, mein treuer Sklave, war es, der mir die Augen öffnete. »Ich hörte von einem der anderen Sklaven, Herr«, sagte er eines Abends, »dass die Dame Pulchra sich mit einem Einheimischen vergnügt, es schon während deiner Abwesenheit getan hat.«

      Ich starrte ihn an. Darum also! Sofort ließ ich Pulchra rufen. »Mit einem Einheimischen!«, brüllte ich sie an, »mit einem Barbaren treibst du es, versuchst, mir sein Balg als meines unterzuschieben! In Rom hast du doch auch aufgepasst.«

      Sie erbleichte, legte die Hände auf den Bauch, fing sich. »Du wagst es, mir Vorhaltungen zu machen? Was soll ich denn tun in dieser tristen Gegend? Sitzen und warten, dass du von deinem Feldzug nach Hause kommst? Ich stamme aus dem Hause der Claudier, ich bin ein anderes Leben gewohnt!«

      »Oh ja, du bist eine Claudierin, dem Princeps anverwandt, und so solltest du dich auch verhalten. Was ist, wenn er es erfährt? Ein Kind von einem Einheimischen! Du wirst froh sein, wenn du deine Insel mit Julia teilen kannst und dein Exil nicht schlimmer sein wird!«

      »Es ist nicht sein Kind, es ist deines! Beweise, dass es nicht von dir ist!« kreischte sie, Panik in den Augen.

      Ich fühlte, wie der Zorn in mir hochstieg, mir die Kehle zuschnürte und das Denken raubte. »Das wird Scribonia auch gesagt haben, als sie Augustus ihre Schwangerschaft gestand. Ich weiß nicht, ob er deine Geschichte positiv aufnehmen wird.«

      Pulchra wurde totenbleich. »Du redest wie einer von den Verschwörern.« Sie drehte sich um und ging. Ich blieb zurück, zitternd. Würde sie dem Princeps berichten? Was war stärker, ihre Loyalität oder die Angst, wegen des Kindes verbannt zu werden? Am Morgen reiste sie ab, ohne ein weiteres Wort zu mir, Gesprächsversuche wies sie ab. Nur dass sie in die Belgica wollte, ließ sie verlauten. Ich hatte ein ungutes Gefühl, doch ich musste weitermachen, jetzt erst recht. So opferte ich dem Jupiter einen Stier und veranstaltete ein Fest für die Legionäre.

      Eine notwendige Maßnahme. Sie hatten zu murren begonnen. Nun, sie murrten immer im Winter, berichteten die Centurionen, besonders, wenn ein neuer Kommandant eingetroffen sei. Dennoch, ich musste sie mir gewogen halten. Normalerweise ließ man sie arbeiten, den Vicus, das Dorf vor den Lagertoren, wie das Lager selbst weiter ausbauen. All dies aber würde mich unbeliebt machen, denn im kalten nordischen Winter bei Schnee und Eis, Matsch und Regen arbeitete es sich nicht gut. Ich ließ Einheimische schuften, die Männer nur exerzieren, damit sie beschäftigt waren und nicht fett wurden. Abends würfelten sie in der Taverne, und weil sie ihr ganzes Geld verspielten, murrten sie wieder. »Sie machen Witze über dich«, berichtete Privatus, »sie erzählen, du liebtest das ruhige Leben und den Luxus mehr als das Lager.« Ich richtete Spiele aus, Wettkämpfe, Feste. Sie begannen, mich zu mögen. Ich machte jedem Legionär ein großzügiges Geldgeschenk. Sie jubelten mir zu.

      Ich stand in Briefkontakt mit Naso. Wir konnten nicht offen schreiben, das war uns klar, die Briefe wurden überwacht. Alles stand gut, schrieb ich ihm und erzählte ein paar Anekdoten für die ungebetenen Leser. Naso schrieb zurück, in Rom gehe alles seinen Weg, er sei erfolgreich in seinen Bemühungen. »Mache weiter wie bisher, mein Freund«, schloss er seinen Brief, und: »Ich freue mich auf das Wiedersehen.« Nichts hatte also bis jetzt unsere Pläne durchkreuzt.

      Im Frühjahr zog ich mit meinen Legionen wieder aus, gen Osten. Ich wollte die Provinz friedlich zurücklassen, Unruheherde im Rücken, wenn innenpolitische Umwälzungen anstehen, sind nicht von Vorteil. Ich marschierte diesmal bis zur Visurgis, an deren Ufer ein Lager stand, gut ausgebaut und befestigt, neben einer neuen Civitas, einer Bürgerschaft, einer Perle römischer Kultur. Im Mittelpunkt ein Quadrifons, ein nach vier Seiten offener repräsentativer Bau, mit Inschriftentafel, die in goldenen Lettern von unserer Größe kündete. Schade nur, dass die wenigsten Barbaren lesen konnten. Doch die Wandmalereien im Inneren kündeten in Bildsprache von den Taten des Herkules, von der Göttin Venus, von Delphinen. Staunend standen die Blonden davor. Die Säulenkapitelle, obwohl noch nicht ganz vollendet, schienen mit lebenden Pflanzen bewachsen, so gut hatten die Bildhauer und Maler gearbeitet. Das ganze Gebäude war ein Wunder für die Einheimischen, von denen die meisten nie ein Bauwerk aus Stein gesehen hatten. Es tat seine Wirkung, sie bewunderten die Kultur Roms, empfanden Stolz dazuzugehören. Das Forum, nicht minder kunstvoll gestaltet und mit zahlreichen Läden und Ständen zeigte ihnen die Effektivität einer Zentralisierung. Dort diskutierten sie bei gallischem Wein, einheimischem Bier und römischen Würsten, lauschten den Geschichten von fernen Ländern. Das kleine Pantheon, ein Tempel für alle Götter, besuchten sie und brachten Opfer, für ihre Götter, für unsere Götter, es war egal. Im Winter litten sie keinen Hunger mehr, wenn ihre Vorräte aufgebraucht waren, Missernten wurden durch Importe ausgeglichen. Streit und Kämpfe zwischen den Stämmen nahmen ab, die Politik, die Verwaltung formell in die Hände einheimischer Fürsten zu legen, griff. Allein die Thermen mieden die Barbaren, das Bad im warmen Wasser genossen nur die Römer.

      Die Stimmung meiner Männer war gut. Ich mischte mich unter sie, manchmal unerkannt, und lauschte ihren Gesprächen. Sicher, manchen war es zu nass, zu kalt, sie vermissten die sanften Hügel ihrer Heimat und hatten Angst vor den dichten Wäldern und tiefen Sümpfen dieses Landes. Doch der Sommer war schön, die Sonne strahlte, sie waren beschäftigt, hatten zu essen, zu trinken, und Weiber hatten sie auch.

      Im Südosten, in Pannonien, tobte ein Aufstand, Tiberius hatte den Auftrag, ihn niederzuschlagen. Eine schwierige Aufgabe, schwierig auch die meine, da ich die Grenzen sichern musste, verhindern, dass sich Stämme meiner Provinz auf die Seite der Feinde schlagen würden. Auch musste ich Lebensmittel liefern, die Legionen des Tiberius, vierzehn an der Zahl, wollten versorgt werden. Das hatte Vorrang vor meinen eigenen Plänen, zumal Tiberius mir regelmäßig schrieb, um Nachschub bat, seine Erkenntnisse mit meinen abglich, immer freundschaftlich, immer verbindlich, nie aber mehr.

      Ich sandte meinen Neffen Lucius Asprenas mit zwei meiner Legionen gen Osten. Ich hatte fünf Legionen, die zu versorgen waren, schwierig genug, wenn auch über die Visurgis fast täglich Güter herangeschifft wurden. Und doch, wir mussten uns verteilen. Ich hatte Asprenas vor dem Kommando lange nicht gesehen, den Winter hatte er in Mogontiacum4 verbracht, und

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