Jesus nach 2000 Jahren. Gerd Ludemann
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Er aber sprach sogleich mit ihnen und sagt ihnen: »Schöpft Mut, ich bin es, fürchtet euch nicht!« (51) Und er trat zu ihnen in das Boot und der Wind legte sich, und sie gerieten innerlich völlig außer sich. (52) Denn sie hatten bei den Broten keine Einsicht gewonnen, sondern ihr Herz war verstockt. (53) Und sie fuhren hinüber zum Land und kamen nach Genezareth und legten an.
(54) Und als sie aus dem Boot herausstiegen, erkannten sie ihn sogleich (55) und liefen umher in der ganzen Gegend und begannen, auf Liegen die Kranken herzutragen, wo sie hörten, daß er es sei. (56) Und wo er Dörfer oder Städte oder Gehöfte betrat, legten sie die Kranken auf die freien Plätze und baten ihn, daß sie wenigstens den Saum seines Gewandes berühren dürften. Und alle, die ihn berührten, wurden gerettet.
Redaktion
V. 45-46: Das Boots-, Volks- und Gebetsmotiv sind redaktionell.
V. 48b: »denn sie hatten Gegenwind« ist ein mk Nachtrag (vgl. zu 5,8).
V. 51-52: Hier wird das mk Jüngerunverständnismotiv besonders deutlich sichtbar; V. 52 bezieht sich auf die Speisungsgeschichte Mk 6,34-44 zurück und stellt deren Interpretation dar. Vgl. später 8,14-21.
V. (53.)54-56: Dieses Stück ist ebenso wie 1,32-39; 3,7-12 eine redaktionelle Bildung, ein Summarium, das ausführlich Jesu Heiltätigkeit schildert und im mk Kontext die Massenszene von 6,30-34 aufnimmt.
Tradition
V. 45-51: Dieses Stück ist, formal betrachtet, eine Epiphaniegeschichte, im Unterschied zu dem Naturwunder 4,37-41. Gelegentlich wird aber gefragt, ob es sich bei beiden Erzählungen nicht um Varianten ein und desselben Archetyps handelt. Dann müßte die Stillung des Sturmes (vgl. V. 48.51) das ursprüngliche Motiv sein, das durch den Seewandel in den Hintergrund gedrängt wurde. Doch zeigt der abgerissene Satz V. 48 (»Er wollte an ihnen vorbeigehen«), daß der Seewandel traditionsgeschichtlich am Anfang steht.
Die Erzählung vom Seewandel Jesu soll dessen Ebenbürtigkeit mit anderen Söhnen Gottes aus der Umwelt des frühen Christentums erweisen, die ebenfalls auf dem See wandeln können. Denn in der Antike galt die Fähigkeit, auf dem Wasser zu gehen, als göttliche Macht. Weiter sind hier aber auch alttestamentliche Parallelen zu berücksichtigen, denen zufolge Gott auf dem Wasser bzw. den Wogen des Meeres wandeln kann (vgl. Hiob 9,8; Ps 77,20).
Möglicherweise ist die Geschichte von Jesu Seewandel eine Ostergeschichte. Hierzu würden auch V. 49f passen, wo die Tatsächlichkeit der Gegenwart Jesu betont und die Furcht der Jünger, ein Gespenst gesehen zu haben, zurückgewiesen wird (vgl. Lk 24,36-43). In einer zweiten Stufe wäre dann diese Ostererzählung um das Motiv der Rettung aus der Seenot erweitert worden.
Historisches
Gegen die Historizität der Erzählung vom Seewandel Jesu sprechen a) die zahlreich vorhandenen Analogien aus der damaligen Umwelt und im Alten Testament, b) der Charakter und die Form der Erzählung und c) ihre mögliche Herkunft aus der Ostersituation.
Mk 7,1-23: Der Streit über Rein und Unrein
(1) Und es versammeln sich bei ihm die Pharisäer und einige der Schriftgelehrten, die aus Jerusalem gekommen waren. (2) Und als sie einige der Jünger sahen, daß sie mit unreinen Händen, das bedeutet ungewaschen, die Brote essen –
(3) denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie nicht mit einer Faust die Hände gewaschen haben, und halten so an der Überlieferung der Ältesten fest, (4) und wenn sie vom Markt (kommen), essen sie nur, wenn sie sich (oder: es) besprengt (= gereinigt) haben. Und vieles andere gibt es, was sie übernommen haben, daran festzuhalten: Abspülungen von Bechern und Krügen und Kupfergefäßen.
(5) Und es fragen ihn die Pharisäer und die Schriftgelehrten: »Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Ältesten, sondern essen mit unreinen Händen das Brot?«
(6) Er aber antwortete ihnen: »Gut hat Jesaja über euch Heuchler prophezeit, wie geschrieben ist:
›Dieses Volk ehrt mich mit Lippen,
ihr Herz aber ist weit von mir entfernt.
(7) Vergeblich verehren sie mich,
indem sie als Lehren Menschengebote lehren.‹
[Jes 29,13 LXX]
(8) Indem ihr das Gebot Gottes fahren laßt, ergreift ihr die Überlieferung der Menschen.«
(9) Und er sagte ihnen: »Gut setzt ihr das Gebot Gottes außer Kraft, damit ihr eure Überlieferung beachtet. (10) Moses nämlich sagte:
›Ehre deinen Vater und deine Mutter‹,
[Ex 20,12; Dtn 5,16]
und:
›Wer Vater und Mutter schmäht, soll des Todes sterben‹.
[Ex 21,17; Lev 20,9]
(11) Ihr aber sagt: ›Wenn ein Mensch zu Vater oder Mutter gesagt hat: ›Korban‹ – was heißt: ›Weihegeschenk sei, was dir von mir geschuldet wird‹ –, (12) dann laßt ihr ihn nichts mehr für den Vater oder die Mutter tun. (13) So hebt ihr das Wort Gottes durch eure Überlieferung auf, die ihr weitergegeben habt. Und dergleichen tut ihr noch viel mehr.«
(14) Und wiederum rief er das Volk und sagte ihnen: »Höret mich alle und begreift! (15) Nichts gibt es, was von außerhalb des Menschen in ihn hineinkommt, das ihn verunreinigen kann; sondern diejenigen Dinge, die aus dem Menschen herauskommen, sind es, die den Menschen verunreinigen.« [V. 16 gehört nicht zum ursprünglichen Text.]
(17) Und als er von der Volksmenge weg in ein Haus hineinging, fragten ihn seine Jünger nach dem Gleichnis. (18) Und er sagt ihnen: »So seid ihr unverständig? Begreift ihr nicht, daß alles, was von außerhalb in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann, (19) weil es nicht in sein Herz geht, sondern in seinen Bauch und in den Abort hinausgeht?«
Damit erklärte er alle Speisen für rein.
(20) Er sagte aber: »Was aus dem Menschen herauskommt, jenes verunreinigt den Menschen. (21) Von innen nämlich, aus dem Herzen der Menschen, kommen die schlimmen Gedanken heraus: Hurereien, Diebstähle, Morde, (22) Ehebrüche, Begehrlichkeiten, Bosheiten, Arglist, Ausschweifung, böser Blick, Lästerung, Hochmut, Unverstand.
(23) Alles dieses Böse kommt von innen heraus und verunreinigt den Menschen.«
Redaktion
Im Kontext des MkEv wirkt 7,1-23 wie ein grober Klotz, da nur wenige »Beziehungen zum Kontext bestehen. Die Auseinandersetzung mit Pharisäern und Schriftgelehrten ist nach hinten nur in 2 locker verbunden über das Motiv ›Brote essen‹, nach vorne ebenso locker durch dasselbe Motiv in 28, inhaltlich vielleicht etwas stärker, insofern die folgende Geschichte vom Glauben einer Heidin im Gegensatz zur Auseinandersetzung mit den Juden (3) erzählt. Insgesamt hat 1-23 die Funktion einer