Eva sieht rot. Liza Cody

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Eva sieht rot - Liza  Cody

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sich die Gelegenheit zu einer faulen Minute nicht entgehen.

      »Selbstverteidigung?«, sagte er. »Weiber? Ich bitte dich, Eva. Ich würde Weibern nie Selbstverteidigung beibringen. Die sind auch so schon schwer genug aufs Kreuz zu legen.«

      Am nächsten Nachmittag, es war so gegen halb fünf, kam die ganze Truppe ins Studio gestöckelt. Vor Wut wäre ich beinahe aus der Kniebeuge auf die Nase gekippt. Mein Gesicht war so heiß wie ein kochender Suppentopf.

      Sie waren vollzählig erschienen – Crystal, Bella, Mandy und Stef, und sie hatten auch noch die beiden anderen angeschleppt, Kath und Lynn. Sie hatten knallenge, knallbunte Gymnastikanzüge und Leggings an und geschminkte Lippen. Ich wäre am liebsten gestorben.

      »Achtung«, sagte Gruff Gordon. »Fotzen im Anmarsch, Fotzen im Anmarsch.«

      Alle ließen sofort alles stehen und liegen, nur California Carl nicht, der vor dem Spiegel seine waschbrettartigen Bauchmuskeln auf Hochglanz polierte.

      »Wo ist Eva?«, fragte Bella, die Fäuste in die Hüften gestemmt, Kinn in die Höhe gereckt. Aber trotz dieser selbstbewussten Pose konnte man sie nicht für voll nehmen. Ihre Haare sahen aus wie ein Haufen Brombeeren.

      »Was willst du mit Eva?«, sagte Pete Carver und wanzte sich schon an sie ran.

      »Was du brauchst, ist ein richtiger Mann«, sagte Gruff. Die beiden treten immer als Pärchen auf, genau wie die Bullen.

      »Da hätte ich schon lieber Hämorrhoiden«, sagte Bella.

      »Sie steht auf mich«, sagte Gruff.

      »Eva!«, brüllte Mr. Deeds. »Was zum Teufel soll das werden?« Seine Augäpfel kullerten in ihren Höhlen herum, was immer ein schlechtes Zeichen ist.

      Ich legte die Hantel weg, blieb aber in der Hocke, um nicht ins Schussfeld zu geraten. Doch leider bin ich nun einmal nicht als Glückspilz geboren.

      »Eva bringt uns Selbstverteidigung bei«, sagte Crystal. Sie war die Einzige, die wenigstens annähernd wie ein Mensch aussah. Nur waren die Kerle von den Neonfarben und der Schminke anscheinend so geblendet, dass sie sie überhaupt nicht bemerkten.

      Eine von den Weibern, Kath, wie sich später herausstellte, hatte einen Busen, auf dem man Teetassen hätte abstellen können. Gruff Gordon konnte seinen Blick nicht davon lassen. Dafür konnte sie die Hände kaum von California lassen.

      »Was für ein Knackarsch«, sagte sie. Weil sie ein Organ hatte, auf das jeder wilde Buchmacher beim Pferderennen stolz gewesen wäre, bekamen wir es alle mit.

      »Wehe, du fasst mich an«, sagte California. Was ebenfalls nicht zu überhören war. Es klang nicht gerade freundlich.

      »Oh«, sagte sie. »Legst du mich dann etwa übers Knie?«

      Sie hatten alle getrunken, bis auf Crystal. Die sagte nur: »Eva, wann fangen wir an?«

      Die Tussi, die Lynn hieß, ließ schon ihre Fäustchen und Füßchen fliegen – Pinocchio, der sich über Kung-Fu lustig machte. »Ha!«, quiekte sie. »Ha, ho! Ha!«

      In diesem Augenblick sagte Flying Phil: »Selbstverteidigung. Deshalb sind die Weiber hier, Mr. Deeds.« Es hatte zwar ein bisschen gedauert, aber nun war der Groschen doch noch gefallen. »Eva bringt den Torten Selbstverteidigung bei.«

      Harsh sagte: »Wie interessant.«

      Und Mr. Deeds schoss heißer Dampf aus den Ohren. Er sagte: »Wenn das mal wieder eine von deinen Schnapsideen ist, Eva Wylie …«

      Ich stellte die Lauscher auf Durchzug. Von da an lief alles wie im Fernsehen vor mir ab.

      Es sah ganz so aus, als ob Bella mit Pete Carver über eine schnelle Nummer im Stehen verhandelte. Stef drehte sich einen Joint. Gruff Gordon grapschte nach Kath. Kath grapschte nach California. California holte zu einem brutalen Schwinger aus, traf aber nicht Kath, sondern Gruffs Brustkorb.

      Mandy, die zur Tür flüchten wollte, stolperte über eine Hantel und riss Mr. Deeds mit sich auf die Matte – zwei Fleischklöpse mit Armen und Beinen.

      Gruff rammte California den Kopf in die Magengrube.

      Harsh ging duschen.

      Mir reichte es. Das Studio war voll von Chaoten und Irren, und California spuckte Lynn mit blutigem Schleim an. Ich tat, was ich schon immer tun wollte, solange ich den Kerl kannte – ich versenkte meine Faust in Gruff Gordons Wampe.

      Ich weiß auch nicht, warum, ich wollte es einfach. Ich war voll bei der Sache. Das Ziel lag direkt unter Gruffs Rippen. Ich zielte, ließ die rechte Faust fliegen und traf genau ins Schwarze. Wuff! Hätte ich das bei California Carl versucht, hätte ich mir die Hand gebrochen, aber der hat schließlich einen Bauch wie eine Tür. Gruff Gordons Wanst ist so weich wie ein Wäschesack, und meine Knöchel versanken tief in seinem Speck. Hätte ich mehr Kraft in den Schlag angelegt, hätte ich ihm die Nieren kitzeln können – so schlaff waren seine Bauchmuskeln.

      Ein Liegestuhl hätte nicht schneller zusammenklappen können. Ich war höchst zufrieden mit mir.

      Gruff Gordon meint, Frauen gehören nicht in den Ring. Andauernd nervt er Mr. Deeds, damit er mich aus dem Programm nimmt. Gruff Gordon, der meint, eine Frau gehört mit den Röcken über dem Gesicht rücklings auf den Küchentisch, klappte wie ein Liegestuhl zusammen und lag würgend auf dem Boden.

      Es war herrlich. Und wenn du irgendwann die Chance kriegst, jemandem eine reinzuhauen, der dich so lange getriezt hat wie Gruff Gordon mich, wirst du mir recht geben. Darauf kannst du Gift nehmen.

      »Was sollte das denn?«, fragte Flying Phil verdattert. »Was hat Gruff dir denn getan?«

      Weil ich immer noch ein bisschen überdreht war und keine Lust zum Reden hatte, stieß ich ihn mit der Schulter weg und ging.

      Als Nächstes weiß ich nur noch, dass ich in einem Auto auf dem Weg zu meiner Ma war und nasse Haare hatte. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich geduscht habe, aber das muss ich wohl, weil meine Haare nass waren. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich umgezogen habe, aber das muss ich wohl auch, weil ich nämlich Jeans und ein Sweatshirt anhatte. Ich weiß nicht mehr, ob ich mir einen Wagen ausgeborgt habe, aber das muss ich wohl, weil ich nämlich in einem gelben Ford Cortina saß, an dessen Innenspiegel ein kleines blaues Püppchen baumelte. Ich weiß nicht, ob ich das Studio verlassen habe, aber das muss ich wohl, weil ich schließlich nicht mehr dort war.

      So was hasse ich. Es ist unheimlich. Du bist irgendwo, und plötzlich bist du ganz woanders. Und dazwischen liegt eine Lücke. Ich hasse diese Lücken. Schließlich bestimme immer noch ich. Aber wer bestimmt, wenn ich nichts mitkriege?

      Außerdem wollte ich meine Ma gar nicht besuchen. Früher bin ich regelmäßig zu ihr gefahren, aber letztes Jahr hat sie mich tief enttäuscht, was ich ihr bis heute nicht vergessen habe. Sie hat nicht so viel Familiensinn wie ich. Sie könnte uns alle wieder zusammenbringen, aber sie will nicht. Das hat sie noch nie gewollt. Also werde ich sie erst wieder besuchen, wenn sie es sich anders überlegt hat. Vorher nicht.

      Früher habe ich geglaubt, sie hätte deshalb nicht so gut für meine Schwester und mich sorgen können, wie sie es gern gewollt hätte, weil sie es selber nicht leicht gehabt hat im Leben. Aber letztes

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