Der mondhelle Pfad. Petra Wagner
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Loranthus kam nicht umhin zu bemerken, wie sauber der Platz am Ende aussah.
Afal schabte einen Feuerstein über sein Feuereisen und ließ gekonnt die Funken in das trockene Gras spritzen. Schon qualmte es und die Boten begaben sich von Mutter Erde zu Vater Himmel. Bald entschwand der Rauch, dafür brannte nun der ganze Wall lichterloh und lockte die Götter herbei zum Opferschmaus.
Afal hielt eine Fackel ins Feuer und reichte sie König Gort. Der lief damit von einem Holzhaufen zum nächsten und zündete sie an.
Als wäre dies eine Aufforderung, gingen alle Clanmitglieder an den Bottichen vorbei und nahmen sich Fleischscheiben, die Stücken von Herz und Leber waren allerdings den Kriegern des Königs vorbehalten.
Nach Dörfern geordnet setzten sie sich um die Feuer, steckten das dünne Fleisch wellenförmig auf bereitliegende Spieße und hielten es in die Flammen.
Loranthus wartete darauf, dass seine Scheibe gar wurde und lugte nebenbei in den Kessel, der an einem Dreibein über dem Feuer hing. Morgen würde es also Fleischbrühe geben. Lavinia schien seine Gedanken zu erraten, sagte aber nichts, sondern lächelte nur. Bis auf schwaches Babygeschrei war auf der gesamten Wiese kein Laut zu hören. Abrupt verstummte auch dieses Geräusch, alle warteten.
Arminius drückte sein Fleisch prüfend zwischen den Fingern und nickte zufrieden. Bedächtig schnitt er die Hälfte ab und warf sie ins Feuer. Es zischte kurz auf, teilte sich, und schon schlugen die Flammen wieder zusammen, züngelten gierig empor. Arminius schob seinen Spieß in die Erde, ging auf die Knie und legte die Hände flach auf die Wiese. Alle taten es ihm nach, auch Loranthus und Hanibu.
„Heilige Mutter Erde, du gibst uns das Leben, du gibst uns Nahrung, du gibst uns Unterkunft, du gibst uns Heilung, du gibst uns alles, was wir brauchen und dafür danken wir dir. Wir achten dich und wir ehren dich, solange unsere unsterblichen Seelen im großen Kreis existieren. Aber du bist auch die Mutter aller anderen Wesen: aller Tiere, aller Pflanzen, allen Seins auf Erden. Deshalb: Vergib uns. Wir haben gegen unsere Brüder und Schwestern gekämpft. Wir haben sie verletzt und getötet und sie taten uns das Gleiche an. Ich weiß, wir alle, ob Götter oder deren Kinder, sind der Allmacht unterworfen, und natürlich bin ich froh, dass wir den Sieg errungen haben und unser göttliches Erbe verteidigen konnten. Doch ich bin kein Krieger und kein Druide und kein König, ich bin Bauer. Deshalb, ehrwürdige Mutter, erhöre meine Bitte: Lass mein Blut nie wieder gegen deine Kinder kämpfen und wenn es doch sein muss, hilf. Hilf den Gerechten.“
Loranthus zog nachdenklich die Stirn kraus. Nicht weil Arminius diese sanftmütige Einstellung demonstrierte – als objektiver Grieche hatte er schon längst begriffen, dass nicht alle Keltoi rauflustig waren; das traf nur für die Krieger zu und auch da nicht bei jedem. Nein, er wunderte sich, weil er diese Bitte an Mutter Erde noch nie gehört hatte. Was meinte er denn mit ‚hilf den Gerechten‘? Sollten sie möglichst schnell den Sieg erringen, damit Menschenleben verschont wurden? Und wenn doch einer von den Gerechten starb? Sollte Mutter Erde den gut in sich aufnehmen, damit er ein friedvolles Dasein in der Anderswelt führen durfte? Wie war das dann bei den ‚Ungerechten‘, die besiegt werden sollten? Wenn die nur gezwungenermaßen kämpften und ihre bösen Taten bereuten – gehörten sie dadurch zu den Gerechten? Wer richtete darüber?
‚Gerechte‘, ‚Gerichtete‘ … so oder so, oder alles zusammen – sonst sprach Arminius immer eine andere Bitte vor dem Abendbrot. Aber eigentlich war das hier ja auch kein Abendbrot. Dafür war es viel zu früh. Dieses Großopfer war also etwas ganz Außergewöhnliches. Das gab es scheinbar nur deshalb, weil die Kämpfer siegreich aus der Schlacht heimgekehrt waren, genau wie es Madite prophezeit hatte.
Loranthus sah zu Madite, die mit König Gort, Amaturix, Afal, seinem Weib Fea und Gardan am Feuer saß, da schossen plötzlich grüne Flammen aus dem Opferwall empor. Afal hob sein Horn und stieß drei Mal hinein, dass es laut über die gesamte Wiese schallte. Alle erhoben sich, streckten ihre Hände zum Himmel, jubelten, klatschten und hüpften hoch, so sehr freuten sie sich. Medan nickte ihm bedeutsam zu: Die Götter hatten ihr Opfer wohlwollend angenommen. Jetzt fehlte nur noch die ausgelassene Feier, dann würde Madite mit einem Teil ihrer Weissagung zu Beltaine schon mal recht gehabt haben.
Als wären seine Gedanken erhört wurden, erklang von Ferne Musik. Loranthus drehte sich um, und sein Herz machte einen Freudensprung. Sein Körper hüpfte hinterher, auf seiner Haut knisterte es, in seinen Adern loderte es auf und von seinem Kopf bis zum Fuß begann sein ganz persönliches Freudenfeuer zu prasseln.
Elektra erschien im Burgtor.
Neben ihr gingen Königin Elsbeth und davor der Barde, der sich ihrem Tross angeschlossen hatte. Kablitu hieß er und war ein guter Freund von Lew, dem Barden des Hirschclans. Lew war ja auch gerade auf Wanderschaft durch das Großkönigreich und hatte sich König Ebu vom Hermannsberg im Thuringer Wald angeschlossen, wo er schon vor der Schlacht zu Gast gewesen war.
Auch Kablitu beherrschte sein Spiel auf der Leier perfekt; Elektra und Königin Elsbeth tänzelten zu seiner Melodie über die Wiese Richtung Opferwall. Es sah so aus, als wären ihre Bewegungen vorgegeben, denn sie machten immer genau drei Schritte nach rechts vorne, drehten sich um sich selbst und machten darauf drei Schritte nach links vorne. Es war kein einziger Sprung dabei und als sie näher heran gekommen waren, wusste Loranthus auch, warum. Sie hielten große Weidenkörbe. Aus denen warfen sie bunte Blütenblätter heraus und verstreuten sie im Kreis um den Opferwall und um alle Leute an den Feuern. Anmutig setzten sie sich zu König Gort und Amaturix, die ihnen Spieße reichten; Afal blies in sein Horn und schwenkte den seinen auffordernd durch die Luft.
Jetzt konnten alle mit dem Essen beginnen.
Nach der ersten Scheibe holten sie sich neue. Die Sklaven teilten Met für die Erwachsenen, Tee und noch etwas anderes für die Kinder aus. Auch für die Erwachsenen hatten sie ein zweites Getränk in den Fässern und Loranthus ließ sich nicht lange bitten, es einmal zu probieren.
„Mmmh, das ist einfach köstlich! Euer Birkensaft zu Beltaine war schon wunderbar, aber das hier …“ Loranthus schmatzte genüsslich. „ … mmmh. Was ist das, Arminius?“
„Elder.“
„Was für’n Zeug?“
„Du kannst auch Holunder sagen. Wenn der Hollerbusch blüht, machen wir davon einen Sud und geben reinen Alkohol dazu. Schmeckt gut, nicht wahr?“
„Oh ja, daran könnte ich mich gewöhnen. Richtig lieblich und süffig.“
„Süffig, garantiert! Wenn es dir in den Kopf steigen sollte, es gibt auch Eldersud für die Kinder. Der wird aus Blüten, Wasser, Honig und Essig gemacht, schmeckt herrlich erfrischend und dreht den Kopf nicht schneller als man tanzen kann.“
„Tanzen, Elder ohne Alkohol, muss ich probieren“, murmelte Loranthus, schnupperte fasziniert an seinem Horn und sah zu Elektra hinüber. Sofort verschleierte sich sein Blick, als hätte er schon ein halbes Fass Elder intus.
Arminius griente Flora an, die nickte Großmutter Mara zu, Viviane und Lavinia kicherten und flatterten mit den Händen, als wollten sie fliegen lernen … Loranthus nahm nichts davon wahr.
Er schlürfte langsam aus seinem Horn und merkte nicht einmal, wie Bewegung in die Leute kam. Sie gingen umher, setzten sich an andere Feuer, redeten, lachten, tranken sich zu … der Barde spielte auf seiner Leier, andere Musikanten