Der mondhelle Pfad. Petra Wagner
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Читать онлайн книгу Der mondhelle Pfad - Petra Wagner страница 17
Loranthus rieselte es heiß den Rücken runter.
Hastig drehte er sich zu Elektra um, die ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte und sich ganz ungezwungen neben ihn setzte. Wie war sie unbemerkt hinter ihn gekommen? Er hatte sie doch die ganze Zeit angestarrt!
„Elektra!“, krächzte er. „Wie bist du …?“ Er fuhr sich verlegen durch die Haare. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Deine Eltern haben mir schöne Grüße für dich aufgetragen. Sie waren sehr freundlich zu mir. Besonders deine Mutter und deine Großmutter Dana. Schau mal, das habe ich für dich geschnitzt, als ich bei ihn … äh … Großmutter Dana war.“
Bloß gut, dass er diese Begrüßung schon geübt hatte. So kam es fast fehlerlos über seine Lippen, nur ein bisschen zu eilig. Betont ruhig nahm er ihre Hand und legte ein kleines geflügeltes Pferd hinein. Mutig gab er sich einen Ruck, umarmte sie und hauchte ihr dabei rechts und links einen Kuss auf die Wange.
Elektra tippte auf das Holzpferdchen und zog ein vorwurfsvolles Schnutchen.
„Aber, Loranthus! Das kann ich doch nicht annehmen!“
Loranthus legte sich ins Zeug.
„Es ist nur eine Kleinigkeit! Klein, im wahrsten Sinne des Wortes!“ Er winkte ab. „Einer Königstochter nicht würdig, ich weiß. Aber Königin Birgie, also deine leibliche Mutter, meinte, du liebst phantastische Wesen und würdest dich darüber sehr freuen.“
Eigentlich hatte Königin Birgie ihm das Lindenholz zum Schnitzen gegeben, damit er aufhörte, vor Aufregung an seinen Fingernägeln zu kauen. Die untätige Wartezeit bis zur Schlacht hatte ihn dermaßen hibbelig gemacht, dass sie ihn vor die Wahl stellte: entweder Baldrian oder Schnitzen. Wenn er kein Fernrohr ans Auge gedrückt hielt, hatte er also das Holz statt seiner Nägel bearbeitet. Und siehe da! Königin Birgie war mit seinen ordentlich gestutzten Fingernägeln zufrieden und von dem geflügelten Pferdchen richtig beeindruckt. Darum hatte sie ihm auch ein schmales Lederband gegeben, damit er daraus einen Anhänger machen konnte.
Elektra sah ihn schelmisch an und zog sich den Anhänger über den Kopf.
„Da hat meine Mutter recht, aber trotzdem …“ Sie tippte sich tadelnd an den Hals.
„Nein, Loranthus! Ich kann wirklich nicht annehmen, dass das schon alles war!“
Loranthus sackte in sich zusammen und betastete den fast verheilten Schnitt am Daumen. Waren seine Mühen also doch umsonst gewesen. Vielleicht hätte er ihr lieber die Lilien schenken sollen, die ihm auf dem Weg zur Burg so gefallen hatten? Aber dieser Schmollmund …
Elektras azurblaue Augen blickten vorwurfsvoll, sie schniefte, ihr Mund zuckte, prustend warf sie sich auf ihn, wühlte ihre Lippen in seine und schob ihre Zunge verlangend hinterher. Loranthus riss die Augen auf, bewegte nichts – außer seine Zunge – und hielt sie sachte umschlungen. Gleichzeitig versuchte er, ihrem Druck standzuhalten und nicht umzukippen; seine Bauchmuskeln zitterten, Elektra schnurrte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie ihren Mund löste. Sofort huschten ihre Lippen an sein Ohr und ihr heißer Atem trieb ihm wohlige Schauer vom Genick bis sonst wohin.
„Ich kann wirklich nicht annehmen, dass deine steife Rede schon alles war!“ Feixend biss sie Loranthus ins Ohrläppchen und ihre Hand rutschte an seinen Bauch hinunter. „Hmmm, schon besser. Das ist ja wohl eher die richtige Stelle dafür. So möchte ich ab sofort immer von dir begrüßt werden. Das ist einer Königstochter würdig.“
Loranthus japste. Ohne Gegenwehr ließ er sich von Elektra umdrücken und ergab sich stöhnend in sein Schicksal: Einer Königstochter musste man jeden Wunsch erfüllen. Das hatte sie ihm ja schon zu Beltaine im See erklärt.
Seine Sklavin Hanibu tanzte derweil mit Medan um die Feuer. Vor ihnen hüpften Viviane und Silvanus, Nora und Harthu, Susanne und Hirlas. Viviane drehte sich zu Hanibu um, deutete zwinkernd auf das Knäuel neben ihrem Feuer und flatterte wieder mit den Händen, als wolle sie fliegen. Sie grienten sich alle an; ihr Tanz wurde noch ausgelassener.
Bis in die Nacht hinein wurde getanzt, getrunken, gegessen, gelacht, erzählt … als die Sonne aufging, lag der ganze Clan über die Burgwiese verstreut, paarweise oder in Gruppen.
Die Kinder schliefen zusammen innerhalb der Feuer. Die Nacht war mild, sodass sie eigentlich keine zusätzliche Wärme gebraucht hätten, aber die Mitte gab ihnen einen besseren Schutz. Ihre Eltern, Großeltern und erwachsenen Geschwister waren vom Fest zwar noch benommen, doch der eine oder andere hätte es bestimmt bemerkt, wenn sich ein Raubtier angeschlichen hätte.
Viviane wäre die Erste gewesen, denn sie lag am Waldrand und hatte keinen Alkohol getrunken. Wenn sie bloß an einem Horn mit Met roch, wurde ihr schon übel. Deshalb trank auch Silvanus nur Tee und Eldersud für Kinder, er wollte ja keinen Schritt von ihr weichen.
Es war für ihn nicht schlimm, nüchtern zu bleiben; er fand es sogar lustig, dass Viviane so extrem auf Gerüche reagierte. Genau genommen zollte er dieser Erscheinung ihrer Schwangerschaft sehr große Ehrfurcht. Ihr Geruchssinn glich dem eines Hundes – er konnte das einschätzen, seine Ethmanja war die beste Hirschhündin weit und breit – und so hatte Viviane ihnen als Späher einen immensen Vorteil verschafft. Aber nicht nur ihre empfindliche Nase, sondern auch ihre listigen Täuschungen waren genial und Silvanus war überzeugt: Viviane war die personifizierte Todesgöttin für alle Feinde, die sich ihr in den Weg stellten.
Dieses Weib war nun seines. Offiziell zwar erst zu Lugnasad, wenn sie vom höchsten Druiden zusammengeführt wurden, aber Viviane hatte sich ihm bereits versprochen. Seit Beltaine waren sie zusammen und Silvanus war total stolz, Viviane sein eigen nennen zu können. Es störte ihn nicht einmal, dass sie das Kind eines anderen erwartete. Sie konnte ja nichts dafür. Außerdem hatte sie einmal erwähnt, dass dieser britannische Merdin fast so aussah wie er. Nur seine Augen waren nicht dunkelbraun, sondern blau. Wenn der Kleine dann Vivianes moosgrüne Augen bekäme, wäre das irgendwie befriedigend: Der Sohn des zukünftigen höchsten Druiden von Britannien würde bei ihnen aufwachsen und jeder, der ihn ansah, würde ihn für sein Kind halten.
Viviane blinzelte, sah in die lächelnden Augen von Silvanus und schlang ihm die Arme um den Nacken. Voller Leidenschaft gab sie ihm einen wilden Kuss, nahm seine Hüften in die Beinzange und presste ihn an sich, bis er stöhnte.
„Schon wieder Angriff ohne Vorkampf?“, hauchte ihr Silvanus ins Ohr und seine Lippen flüsterten weiter zu ihrem Nacken: „Seit wir es das erste Mal richtig gemacht haben, sind wir nicht mehr zum Spielen gekommen.“ Seine Zunge strich leicht über ihr Schlüsselbein, sachte biss er in ihre Schulter. „Du bist unersättlich.“
Viviane japste, bäumte sich auf und zog einen Schmollmund, während sie ihre Beine noch mehr verschränkte.
„Das liegt an meiner Schwangerschaft. Wir müssen es schließlich ausnutzen, wenn es eh schon zu spät ist. Außerdem: Wenn ich solchen Hunger habe, kann ich nicht spielen wie die Katze mit der Maus. Schon gar nicht …“ Sie rutschte sich ein wenig zurecht und schnurrte: „ … wenn sich die Maus so einladend vor dem Mauseloch präsentiert.“ Knurrend schnappte sie mit den Zähnen nach seiner Gurgel und Silvanus keuchte: „Friss mich!“
Lavinia drehte sich auf die andere Seite, gähnte und blinzelte verschlafen in die goldene Morgendämmerung. Hastig riss sie die Augen weit auf und rüttelte Robin, der neben ihr leise schnarchte. Brummend öffnete er ein Auge, sah Lavinia strafend an und drehte sich von ihr weg. Die ließ sich davon aber nicht beirren, zerrte ihn unsanft wieder zurück und drückte ihm mit den Daumen