Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Der mondhelle Pfad - Petra Wagner

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er jedoch oben.

      Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Bewegung in die Leute kam. Gemächlich zogen sie die Speckblasen aus der noch warmen Asche, wischten sie sauber und schnitten sie in Scheiben. Die Feuer wurden neu entfacht und die Fleischbrühe erhitzt; dazu kam noch das restliche Fleisch. Die jungen Maiden hatten kühles Quellwasser geholt und manch einer schöpfte gleich mehrere Hörner hintereinander, um sie gierig in einem Zug zu leeren.

      Viviane und Silvanus grienten sich an und beobachteten Conall, der jetzt das Wasser hinunter kippte wie gestern Met und Elder. Nur Loranthus schien kein Interesse an Ess- oder Trinkbarem zu haben und widmete die ganze Aufmerksamkeit seinen Händen, die er immer mal zur Nase führte. Silvanus ließ seinen Mittelfinger über Vivianes Hand kreisen und sie schnappte zu. Da grienten sie sich wieder an und winkten Elektra, die gerade zwischen Königin Elsbeth und dem Barden Kablitu saß und zu Loranthus herüber sah. Elektra hielt triumphierend den Daumen hoch, grinste breit und nahm noch ihren Zeigefinger und ihren Mittelfinger dazu. Silvanus schüttelte mit gespielten Entsetzen den Kopf; er sah gerade noch, wie Viviane ihre Finger einzog und die Faust in Siegerpose in die Luft stieß.

      Nach der Mahlzeit erklang ein melodischer Posaunenstoß und Ruhe trat ein. Afal stellte sich neben die abgebrannte Opfergabe und deutete auf die geschwärzten Tierschädel.

      „Nachkommen des stolzen Cernunnos! Die Götter haben unser Großopfer wohlwollend angenommen. Wenn sich die Sonne das dritte Mal neigt, werden sie zu uns herabsteigen und mit uns tanzen. Lasst sie uns ehrerbietig begrüßen. Lasst uns mit weitem Herzen über Mutter Erde wandeln und am Tag der Birke den Göttern huldigen. Geht nun in Frieden.“

      Beschwingt fuhren alle in ihre Dörfer. Loranthus rannte mit Silvanus und Medan den kürzeren Weg quer durch den Wald. Als Arminius mit dem Rest der Familie ankam, hatten sie schon die Hühner aus dem Gehege gelassen, die Eier eingesammelt, Brunnenkresse am Fluss geholt, Zwiebeln und Möhren geputzt und Brot geschnitten. Loranthus musste schmunzeln, als Viviane eintrat und ihm dabei zusah, wie er die Kresse auf Butterbrote schnippelte und sie akribisch zusammenklappte.

      Arminius klopfte ihm zufrieden auf die Schulter, wickelte die Brote in ein Leintuch und legte es mit Eiern und Gemüse in eine Kütze. Die Männer liefen los, um die Felder zu begutachten.

      Viviane stand in der Tür und beobachtete Medan, wie er die Kütze schulterte und Robin, der stolz an den Fingern aufzählte, was sie alles für Arbeiten verrichtet hatten. Sie wäre auch gerne mitgegangen, aber ihre Mutter hatte Schmerzen im Unterleib. Da wollte sie ihr lieber einmal den Bauch abtasten.

      „Also, Mama, ich kann nichts Ungewöhnliches finden. Alles sitzt da, wo es hingehört. Werden wohl die Bänder sein, die sich dehnen müssen. Die Gebärmutter ist immerhin schon faustgroß.“

      Viviane drehte sich zu Lavinia um und hielt Daumen und Zeigefinger ein Stück auseinander.

      „Unser Schwesterchen dürfte jetzt etwa so groß sein.“

      Lavinia nahm sich das kleinste Ei aus der Bastschale und hielt es prüfend zwischen den Fingern.

      „Dann ist es ja so groß wie das Ei von einem jungen Huhn!“

      Vorsichtig legte sie das kleine Ei in ihre Hand, strich liebevoll darüber und wiegte es hin und her.

      „Mein liebes Schwesterchen. Wenn du geboren bist, wiege ich dich genauso immer hin und her. Das kann ich schon gut, sagt Noeira.“

      Viviane gluckste und wollte schon den Mund aufmachen, doch Flora schüttelte warnend den Kopf. Ihr stand nämlich gerade das Bild vor Augen, auf welche Weise Viviane damals Medan gewiegt hatte.

      Sie hatte sich unter die Wiege gehängt und war daran hin und her geschaukelt. Das ging gerade noch gut. Der Balken an der Decke war ja stark genug, um die hängende Wiege und Viviane zu halten. Doch auf die Wiederholung dieser Belastungsprobe konnte Flora gerne verzichten und der Deckenbalken bestimmt auch, immerhin war er nun schon seit elf Generationen im stetigen Gebrauch und musste geschont werden.

      Noeira stemmte die Hände in die Hüften.

      „Da wir gerade von Babys reden … Wie bist du eigentlich zu deinem gekommen?“

      Viviane schnaufte, als wäre ihr eine Fliege in die Nase geflogen.

      „Das habe ich euch doch schon erzählt!“

      Noeira winkte gelangweilt ab, von Fliegen – egal welcher Art – ließ sie sich nicht beirren, wenn es etwas Neues zu erforschen gab.

      „Ja, ja, wir haben aufgepasst. Morgens Prüfung für das Drachenschwert im Wald, abends Initiation für den Orden mit himmlisch duftender Schale in einem sonst leeren Raum. Was mich persönlich dabei interessieren täte, ist das, was nach dem Riechen an der Schale passierte.“

      „Na, nichts!“ Viviane warf die Hände in die Höhe und verscheuchte einen ganzen Schwarm Fliegen. „Nichts, nichts und nochmal nichts!“ Es war die reinste Fliegenplage. „Einfach nur am nächsten Morgen orientierungslos mit schmerzenden Gliedern aufgewacht!“

      Noeira reckte das Kinn und sah Viviane herausfordernd an.

      „Hast du nicht gesagt, du hättest einen Traum gehabt?“

      Jetzt winkte Viviane ab, als wolle sie eine ganz besonders lästige Fliege mit einem Wisch schnappen.

      „Ach, das war doch nur ein total abstrakter Traum, Noeira! Absolut surreal! Skurril! Abstrus! Hervorgerufen durch Drogen! So was Irres sehen nicht mal die Feinschmiede, wenn sie in Trance sind und ihre phantastischen Figuren ins Edelmetall treiben.“

      Noeira wedelte mit ihrem Zeigefinger vor Vivianes Nase herum und beförderte sie energisch auf die Sitzbank.

      „Da wäre ich mir nicht so sicher! Schließlich ist bei dir ja auch ein Kunstwerk entstanden. Hauptsache, der Kleine hat keine Hufe oder einen Hirschkopf, wenn er raus kommt! Das wird nämlich schwierig mit dem Anziehen.“

      Viviane schüttelte übertrieben tadelnd den Kopf, verdrehte die Augen und nickte zur Tür.

      „Du denkst schon wie Silvanus! Der hat letztens erst gemeint, ich solle bei den Mützchen Löcher rein machen, damit das Geweih gut durchpasst.“

      „Also wirklich!“ Noeira klatschte entrüstet die Hand auf den Tisch. „Das schlägt dem Fass den Boden aus! Ich hoffe doch, du hast ihn für so eine freche Rede ordentlich bezahlen lassen!?“

      Viviane grinste listig.

      „Der bezahlt mir jeden Tag dafür! Doppelt und dreifach.“

      „Recht so! Also los! Erzähl schon von diesem phantastischen Traum! Je mehr abstrakt, surreal, skurril und abstrus, umso besser.“

      Mit rollenden Augen schaute Viviane zu Noeira und allen andern, die sich nun erwartungsvoll um den Tisch platzierten. Lavinia huschte schnell zwischen Großmutter Mara und Taberia, damit sie Viviane exakt gegenüber saß, und beugte sich sogar noch weiter vor als Noeira. Nur Hanibu sah aus, als wüsste sie schon Bescheid. Viviane seufzte und verschränkte die Hände auf dem Tisch.

      „Also. Mein oberster Lehrer, Akanthus, hatte Merdin und mich in ein mickriges kreisrundes Grubenhaus ohne Mobiliar geführt und von außen den Riegel vorgeschoben. Da es nur ein winziges Fenster hatte, haben wir neben der Tür darauf gelauert, was nun

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