Bubishi. Roland Habersetzer

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Bubishi - Roland Habersetzer

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grob ausgeführten Zeichnungen wie auch verschiedene zweifelhafte Übertragungen alter chinesischer Schriftzeichen setzen beim Leser umfangreiche Kenntnisse der Techniken, auf die im Text angespielt wird, voraus. Beispielsweise wird in dem Abschnitt, der den Heilkräutern und ihrer praktischen Anwendung bei Verletzungen gewidmet ist, offenkundig davon ausgegangen, daß derjenige, der den Text liest, bereits mit einer Vielzahl von Kräuterarten und Kräuterabsuden vertraut ist. Es ist klar, wie gefährlich es unter diesen Umständen sein kann, das entsprechende Kapitel falsch oder unzureichend zu erläutern. Das gleiche gilt natürlich für die Erklärungen zu Angriffen auf die Vitalpunkte. Die Ausführungen im Bubishi, die sich auf den „tödlichen Stoß“ oder auf die „vergiftete Hand“ (Dianxue oder Tien hsueh auf Mandarin, Dim mak im kantonesischen Dialekt) beziehen, sind relativ undeutlich. Auch in diesem Fall läßt sich mit den Elementen, die durch das Bubishi gegeben werden, nicht viel beginnen, wenn die Techniken nicht korrekt und zusammenhängend durch einen Experten entschlüsselt werden. Dem „Uneingeweihten“ bleibt die praktische Anwendung somit verwehrt. All dies legt den Schluß nahe, das Bubishi sei eine Art „Notizbuch“, denn nichts darin wird tatsächlich ausdrücklich benannt, und nur jene, die „bereit“ für dieses Wissen sind, können die Botschaft empfangen. Ihnen erlaubt es, das zu überprüfen, was sie bereits vermuteten, es weist ihnen die Richtung für weitere Forschungen und hilft ihnen, neue Fragen zu stellen. Die anderen, die nicht „bereit“ sind, können hingegen mit dem zusammenhanglos wirkenden Informationsgeflecht keinen Mißbrauch treiben. Ihnen wird das Buch letztendlich überhaupt nichts „sagen“. So gesehen, hat das Bubishi aus Fujian etwas Hermetisches an sich. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde der Versuch unternommen, gefährliches „Kriegerwissen“ schriftlich weiterzugeben, und dies wurde verständlicherweise von entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen begleitet.

      Wie oben dargelegt, ist der Eckstein des jüngeren Bubishi der „Weiße Kranich“, ein Wushu-Stil. In dem 1983 von Liu Yinshan Shifu veröffentlichten Werk über diesen Kampfstil18 stellt der Autor die These auf, daß unter den Mönchen, welche die Zerstörung des Shaolinklosters im Jahre 1674 überlebt hatten,19 ein Mann namens Fang Houshu war. Dieser gelangte schließlich in die Provinz Fujian, wo er sich in dem Dorf Fuzhou niederließ. Verschiedene Quellen behaupten, daß Fang Houshu der Vater Fang Jin Jangs war, die in dem Nachbardorf Yongchun aufwuchs und den Stil des Weißen Kranichs begründete. Dies würde bedeuten, daß der Stil im 18. Jahrhundert entstand. Weiterhin behauptet Liu Yinshan, daß diese Technik im Jahre 1922 durch Lin Deshun, einen Schüler der fünften Generation der von Fang Jin Jang begründeten Schule nach Taiwan gebracht wurde. Er soll ebenfalls eine Kopie des Bubishi mit sich geführt haben. Nach Okinawa gelangte das Bubishi hingegen bedeutend früher, doch solch präzise Angaben wie über seinen Weg nach Taiwan können nicht gemacht werden.

      In seinem 1934 erschienenen Werk über das Karatedô behauptet Miyagi Chojûn, daß 1828 ein Stil des chinesischen Boxens von Fuzhou nach Okinawa gelangte, der zur Grundlage für das von ihm entwickelte Gôjû ryû Kempô Karate wurde. Über die Umstände, wie dieser Stil nach Okinawa gelangte, trifft er jedoch keine Aussage. Wurden die Grundlagen dieser Technik, wie allgemein angenommen wird, durch chinesische Meister (Shifu) eingeführt,20 oder wurden sie von Okinawanern, die aus verschiedenen Gründen nach China gereist sein mochten, von dort in ihre Heimat mitgebracht? Falls letzteres der Fall war, stellt sich auch die Frage, ob diesen „Pilgern“ Einblick in das Bubishi gewährt wurde und ob sie die Möglichkeit hatten, sich Kopien für den persönlichen Gebrauch anzufertigen. Es gibt guten Grund, zu vermuten, daß tatsächlich Okinawaner, die China bereisten, um ihren Kampfkunsthorizont zu erweitern, das Buch nach Okinawa brachten. Möglicherweise versahen sie den Text an verschiedenen Stellen sogar mit Ergänzungen, denn diese Meister, die ins Reich der Mitte reisten, waren bereits zuvor Experten der Kampfkünste. Letzte Aufklärung über all diese Fragen wird es wohl nie geben.

      Ich habe in meinem Buch „Koshiki Kata – die klassischen Kata des Karatedô“ ausführlich die Geschichte der Kunst der „leeren Hand“ erörtert, ausgehend vom antiken China bis hin zum modernen Japan. Ich habe gezeigt, wie wesentlich für diese Entwicklung Okinawa als Schmelztiegel war. Ich werde daher an dieser Stelle zu dieser Thematik nur das erwähnen, was unbedingt notwendig ist, um das Phänomen Bubishi begreifen zu können. Jene, die mit dieser historischen Entwicklung vertraut sind, werden allerdings bemerken, daß ich einige neue und wichtige Präzisierungen, neue Teilchen des Puzzles, aus dem heute immer klarer und glaubwürdiger ein Bild entsteht, hinzugefügt habe.

      Foto 6: Bodhidharma lehrt im Shaolinkloster die „18 Hände des Lo Han“, Techniken, die als Grundlage aller chinesischen Kampfkünste angesehen werden. Auf den Mauern der Baiyi-Halle des heutigen Klosters kann man noch immer ein eindrucksvolles Fresko bewundern, das Mönche beim Training zeigt (siehe auch S. 48 ff.)

      Foto 7: Shurei-no-Mon, das aus dem 15. Jahrhundert stammende Portal zum alten Palast von Naha auf Okinawa. Durch die in der Nachbarschaft von Naha gelegene chinesische Kolonie Kumemura erhielten Mitglieder der okinawanischen Kriegerelite Kenntnis von verschiedenen Shaolin-Kampfkunsttechniken.

      Foto 8: Statuen in Menschengröße, die die einst im Shaolinkloster praktizierten Kampfkünste repräsentieren. Von ihnen existieren einige Dutzend in einem der Höfe des heutigen Klosters. Bereits ein oberflächlicher Vergleich genügt, um die enge Verbindung zwischen den im Bubishi beschriebenen und den Shaolin-Techniken zu erkennen.

      Die Bewohner Okinawas (die Uchinanku) entwickelten bis zum 19. Jahrhundert selbständig die Techniken des Okinawa te (der „Hand Okinawas“) aus lokalen, chinesischen und japanischen Kampfkunststilen. Der japanische Einfluß wird für gewöhnlich selten berücksichtigt. Es ist jedoch so gut wie sicher, daß die Inselbewohner bereits seit der Heian-Epoche (794 - 1192) Einblicke in die japanischen Militärwissenschaften gewinnen konnten. Aus den „Geschichten des Hogen-Krieges“ (Hogen Monogatari) erfahren wir, daß nach der Niederlage, die Minamoto Tameyoshi im Kampf gegen Taira Kiyomori 1156 erlitten hatte, zahlreiche Anführer und Samurai des Minamoto-Klans ins Exil auf die bergige Halbinsel Izu und auf die Insel Oshima gingen. Zu ihnen zählte auch Minamoto Tametomo (1139 - 1170), der Sohn des Besiegten. Er, wie andere seiner Gefährten im Unglück, war ein Kundiger auf dem Gebiet der Kriegskünste, vor allem auf den Gebieten des Bogenschießens, des Schwertkampfes und des Kampfes mit bloßer Hand. Nachdem er sich die südlichste Insel Japans, Kyûshû, unterworfen hatte, begab er sich nach Okinawa, wo er den einheimischen Stammesführer, Ozato, in seiner Burg Urazoe besuchte. Er heiratete dessen Tochter, von der er einen Sohn bekam, Shunten. Dieser wurde im Jahre 1186 der erste König der Insel, und er begründete die Shunten-Dynastie (1186 - 1253). Shunten war zweifelsohne Erbe verschiedener Kampftechniken und kriegerischer Traditionen, die die Kämpfer (Bushi) seines Vaters auf die Insel gebracht hatten.

      Zwei Jahrhunderte später gelang es nach etlichen Kriegen zwischen rivalisierenden Klanen einem mächtigen Anführer, Shô Hashi (1422 - 1439), die drei unabhängigen Königreiche auf der Insel unter seiner Herrschaft zu vereinigen und im Jahre 1429 eine Zentralregierung zu installieren. Er (oder einer seiner Nachfolger, Shô Shin) verbot den Besitz von Waffen aller Art. Es ist bekannt, daß dieses Verbot zu einem wiedererweckten Interesse an Methoden der Selbstverteidigung mit bloßer Hand führte und daß das königliche Edikt unbeabsichtigterweise zur Entwicklung des Okinawa te geführt hat. Zweihundert Jahre später erhielt diese Entwicklung einen weiteren Auftrieb, als im Jahre 1609 Scharen von Samurai aus dem Satsuma-Klan auf die Insel kamen. Diesen Kämpfern war der Weg zum Shôgunat21

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