Highcliffe Moon - Seelenflüsterer. Susanne Stelzner

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Highcliffe Moon - Seelenflüsterer - Susanne Stelzner

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      Charlie griff nach ihren Einkaufstüten. »Komm, Val, es wird Zeit.« Sanft hakte sie sich bei mir unter und lenkte mich aus dem Park heraus. Wie ein Schlafwandler ließ ich mich von ihr abführen und fand mich irgendwann samt meinem Gepäck im Yellow Cab wieder. Wehmütig blickte ich aus dem Rückfenster des Taxis, um bis zum letzten Augenblick die Sicht auf die Skyline zu haben. Dann war Manhattan nicht mehr zu sehen und der restliche Weg zum Flughafen führte an weniger attraktiven Gebäuden entlang. Charlie kramte schon eine geraume Zeit in ihrem Handgepäck und suchte verzweifelt die Flugtickets. Ich lehnte mich im Sitz zurück und tat so, als döste ich. In Wahrheit versuchte ich, nicht vor Verzweiflung zu sterben.

      Pünktlich saßen wir im Flieger. Mit leerem Blick sah ich aus dem kleinen Fenster, bis die Lichter New Yorks unter mir immer schwächer wurden. Kaum hatte die Maschine abgehoben, war Charlie schon weggenickt. Um diese Fähigkeit beneidete ich sie. Ich konnte im Flugzeug einfach nicht schlafen und zog mir einen Film nach dem anderen rein, doch die Bilder flackerten an mir vorbei, ohne dass ich etwas davon aufnahm. Dabei dachte ich an Charlies Gesichtsausdruck, als sie mich pflichtbewusst noch einmal nach dem Vorfall im Park gefragt hatte. Wieder hatte ich an ihrem unsicheren Blick gemerkt, dass sie an der Geschichte zweifelte. Zeitweise war ich selbst nicht mehr sicher, ob das alles wirklich real gewesen war. Trotzdem konnte ich es nicht vergessen. Unablässig arbeitete es in meinem Hirn. Die Bilder des Unfalls tauchten immer wieder vor meinem geistigen Auge auf. Und dieses Gesicht, dieses atemberaubende Gesicht. Warum war das ausgerechnet ihm passiert? Oder war ihm vielleicht doch nicht so viel passiert? Das würde erklären, warum alle so schnell wieder verschwunden und zur Tagesordnung übergegangen waren. Aber der Körper schien ohne Leben gewesen zu sein. Oder hatte er sich im Krankenhaus erholt und dachte jetzt vielleicht sogar an mich? Der Gedanke ließ mein Herz rasen. Ich wollte zu gern glauben, dass es so war. Ich hätte fragen sollen, wohin sie ihn bringen. Aber wen? Von diesen Leuten war ja schon nach kürzester Zeit niemand mehr zu sehen gewesen, sonst hätte auch Charlie mir leichter geglaubt. Sie hielt mich wahrscheinlich sowieso für übergeschnappt. Und ich wurde wirklich langsam irre, denn meine Gedanken drehten sich ergebnislos im Kreis. Ich spürte, dass ich diese unauslöschliche Erinnerung in beklemmender Intensität mit mir nehmen würde.

      Die hellen Bilder auf dem Monitor und mein Gedankenmarathon wurden anstrengend. Vielleicht war es auch eine Art Selbstschutz meines Körpers, dass ich schließlich einnickte.

      Als ich eine zarte Berührung auf meiner Hand fühlte, kam ich langsam wieder zu mir. Lächelnd drehte ich meinen Kopf zu Charlie und hob müde meine Lider. Aber sie schlief tief und fest, gab sogar ganz leise Schnarchgeräusche von sich. Seltsam. Ich hatte die Berührung doch ganz deutlich gespürt. So tief wie sie hatte ich nicht geschlafen, nichts geträumt. Grübelnd betrachtete ich ihr hübsches Gesicht, das zur Hälfte in dem Kissen der Airline verschwunden war, das sie zwischen ihre Kopfstütze und die Bordwand des Airbus gepresst hatte. In diesem Moment kam die Durchsage, dass wir in fünfundzwanzig Minuten landen würden.

      Charlie kam gähnend aus dem Land der Träume zurück und fuhr sich mit beiden Händen durch das kräftige Haar. »Wie spät ist es?« Sie wartete meine Antwort gar nicht ab. »Du meine Güte. Hab ich etwa die ganze Zeit gepennt? Hat er gesagt, dass wir landen?«

      »Jepp, wir sind da«, bestätigte ich.

       Quälende Erinnerungen

      Meine Mutter holte uns in Heathrow vom Flughafen ab und forderte einen umfangreichen Reisebericht. Da Charlie bestens ausgeruht war, übernahm sie diese Aufgabe sogleich und beantwortete lebhaft alle Fragen. Mich hatte jetzt die Schlaflosigkeit im Flieger eingeholt. Ich rollte mich auf der Rückbank unseres Wagens zusammen und schlief fest ein.

      »Schatz, aufwachen. Wir sind zu Hause.«

      Ich wusste einen Moment lang nicht genau, wo ich war, und brauchte ein paar Sekunden, um zu bemerken, dass wir vor unserem Haus in Highcliffe in der Einfahrt standen. »Wo ist Charlie?«, fragte ich, die Augen immer noch leicht zukneifend.

      »Ich habe sie schon zu Hause abgesetzt. Du hast so tief geschlafen, wir wollten dich nicht wecken. Sie ruft später an.«

      »Oh. Okay.«

      Gähnend zerrte ich meinen Rucksack aus dem Kofferraum und ging auf das Haus zu. Unfassbar, wie klein es war. Die Fenster schienen geschrumpft zu sein. Selbst das hohe Sprossenfenster des Erkers im Erdgeschoss, das unser Wohnzimmer um einiges geräumiger machte, erinnerte mich jetzt an das Puppenhaus von Charlie, mit dem wir als Kinder gespielt hatten. Meine aufgrund von überdimensionierten Objekten verfälschte Wahrnehmung brauchte eine Weile, um sich auf Normalmaß einzupendeln. Das Wort Kulturschock kam mir in den Sinn.

      »Wie fühlst du dich?«, fragte meine Mutter forschend, während ich irritiert die Tür aufschloss. Ich war doch nur wenige Tage fort gewesen.

      »Ich denke, ich lege mich noch ein bisschen hin und dann melde ich mich bei Ben zurück«, erklärte ich müde.

      »Gut, Schatz, mach das.«

      Mit schweren Schritten ging ich die steile Treppe nach oben und betrat mein winziges Zimmer. Ein schwaches Stöhnen löste sich aus meiner Kehle. Ich ließ mich rücklings auf mein Bett fallen, schloss die Augen und gab mich meiner Erschöpfung hin.

      Ich träumte vom Central Park. Er war tief verschneit, alles war weiß. Man konnte kaum irgendwelche Konturen ausmachen. In einiger Entfernung stand der schöne Junge und sah mich unverwandt an. Er war ganz in Weiß gekleidet. Ich konnte seinen Körperumriss kaum erkennen, da er mit der Umgebung verschmolzen zu sein schien. Nur sein Gesicht, mit den großen braunen Augen und den schön geschwungenen Lippen, sowie das dunkle Haar stachen aus dem Meer aus Weiß hervor. Von seiner Schläfe rann ein dunkelroter Bach aus Blut. Plötzlich galoppierten zwei weiße Pferde heran, rissen den Jungen mit sich und verschwanden in der Ferne, indem sie eins mit dem Weiß wurden. Es war wieder still und friedlich, eine endlose weiße Schneelandschaft mit kleinen glitzernden Hügeln hier und da. Doch dann veränderte sich alles ganz schnell. Aus dem schneebedeckten Boden quoll eine ölige schwarze Masse hervor und fing an, alles zu überschwemmen. Mehr und mehr kam aus dem Boden hervor, begleitet von einem unheimlichen Klagelaut. Sie vernichtete die schöne weiße Pracht, bis nichts mehr übrig war. Dann kroch die Masse langsam auf mich zu und ich dachte, ich müsste ersticken. Mit einen lauten Keuchen wachte ich auf.

      »Val, Schatz, was ist los?« Meine Mutter kam ins Zimmer gestürmt.

      »Ich weiß nicht, ich … ähm … ich … nichts. Ich hab nur schlecht geträumt.« Ich war noch völlig benommen und versuchte, langsam wieder in der realen Welt anzukommen.

      »Na, das hörte sich aber nicht nach nichts an«, sagte sie mit prüfendem Blick.

      »Es geht mir gut, wirklich. Wie lange habe ich geschlafen?«

      »Vier Stunden.«

      »Vier Stunden? Oh shit, ich hatte doch Ben versprochen, mich gleich zurückzumelden. Hat Charlie angerufen?«

      »Nein, ich denke, sie schläft auch noch ein bisschen.«

      »Wohl kaum, die hat acht Stunden am Stück geratzt. Wahrscheinlich skypt sie mit Tobey.« Ich setzte meinen Dackelblick auf. »Momsy, können wir gleich essen? Ich habe so einen Hunger. Und dann möchte ich noch rüber zu Ben.«

      Den Kosenamen benutzte ich seit Jahren eigentlich nur noch, um etwas durchzusetzen, wie den Trip nach New York, im Gefühlsüberschwang oder wenn ich drohender Schelte vorbeugen wollte. Ich hatte ihn meiner Mutter rigoros und unwiderruflich verpasst, als ich im

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