Highcliffe Moon - Seelenflüsterer. Susanne Stelzner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Highcliffe Moon - Seelenflüsterer - Susanne Stelzner страница 8

Highcliffe Moon - Seelenflüsterer - Susanne Stelzner

Скачать книгу

es sein, dass er wirklich mich meinte, oder hatte er vielleicht doch jemanden direkt hinter mir im Visier? Wahrscheinlich ist es so, versuchte ich meinen hämmernden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Ich schaffte es schließlich, den Blick niederzuschlagen und endlich wieder einen Atemzug zu nehmen. Doch ich musste wieder aufblicken und sah, erneut den Atem anhaltend, wie das längst gespeicherte Gesicht mit dem unwesentlichen Anhängsel dieses schlanken, sich anmutig bewegenden Körpers – Hab ich wirklich anmutig gedacht in Zusammenhang mit einem Jungen? – auf mich zukam.

      Seine wunderschönen braunen Augen waren, es war unverkennbar, auf mich geheftet. Meine Gedanken begannen wieder sich zu überschlagen. Wenn er mich nun ansprechen würde, was sollte ich dann bloß sagen, ohne profan rüberzukommen, ohne diesen Moment kaputt zu machen? Mir wurde abwechselnd heiß und kalt und der Gedanke an Flucht meldete sich. Manchmal ist es besser, einen perfekten Moment einzufangen und wie einen Schatz mit sich fortzunehmen. Nur ein einziges dumm gewähltes Wort oder eine Geste konnte alles wieder zerstören und so bliebe wenigstens die Illusion, einen perfekten Menschen getroffen zu haben, von dem man mit all den ihm angedichteten Wunschattributen träumen konnte. Aber meine Füße waren wie am Boden festgeklebt. Ich verharrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht, vom Licht geblendet und zu keiner Bewegung mehr fähig. Und hätte ich einen Fuß vom Boden lösen können, wären mir ohne Zweifel die Beine weggesackt. Nur mein verkrampfter Klammergriff um die Haltestange verhinderte das in diesem Moment. Ich hatte das verstörende Gefühl, gefunden zu haben, was ich unbewusst schon immer gesucht hatte.

      Plötzlich wurde ich am Arm gepackt.

      »Val, hörst du nicht? Wir müssen hier raus, das ist unsere Station. Los!«

      Bevor ich protestieren konnte, hatte sie mich schon aus dem Zug gezerrt und die Türen schlossen sich augenblicklich hinter uns. Sein Kopf flog herum, unsere Augenpaare trafen sich noch einmal und ich glaubte, eine maßlose Enttäuschung in seinem Blick erkannt zu haben. Mir ging es nicht anders. Als hätte mich eine Zeitmaschine aus dem Waggon katapultiert. Eben noch im Fegefeuer glühendster Gefühle, stand ich jetzt verloren auf dem Bahnsteig und schaute hilflos dem davonbrausenden Zug nach. Mein Magen verkrampfte sich, als mir allmählich schmerzlich bewusst wurde, dass dies einer der berühmten verstrichenen Momente war, in dem man nicht gehandelt hat und der nie wiederkam. Es war so gut wie ausgeschlossen, dass ich ihn in dieser riesigen Stadt noch einmal treffen würde. Sich zweimal zu sehen, war schon ein Riesenzufall. Ich musste mich der schmerzlichen Wahrheit stellen. Das war’s, Chance vorbei.

      Eine unsagbare Leere ergriff mich. Es tat so weh.

      Meine Enttäuschung wich der Wut, die langsam in mir aufkeimte. Ich war so blöd. Stocksteif wie ein Fisch hatte ich dagestanden. Oouhhh! Ich ballte meine Fäuste und stampfte leicht mit dem Fuß auf. Wenn ich wenigstens gelächelt hätte. Vielleicht hätte er sich motiviert gefühlt und ein bisschen mehr beeilt und vielleicht … Ach, es ist müßig, darüber nachzudenken, dachte ich niedergeschlagen.

      Charlie, die wie immer Richtung und Schritttempo bestimmte, war bereits einige Meter vorausgelaufen, bis sie mein Fehlen bemerkte und mit fragendem Blick zurückkam. »Hey, wo bleibst du?«, rief sie, als sie auf mich zukam. »Komm schon! Ich fing gerade an, ein fremdes Mädchen vollzuquatschen, weil ich dachte, du wärst es.«

      Ich sah durch sie hindurch.

      »Sag mal, träumst du? Planet Erde an Val!« Während sie das sagte, wischte sie mit ihrer Handfläche zweimal dicht an meinem Gesicht vorbei und schaute mich verständnislos an, als ich nicht mal zuckte.

      »Glaubst du an die vollkommene Anziehungskraft zweier Menschen, so was wie die berühmte Liebe auf den ersten Blick?«, fragte ich sie kraftlos.

      »Ähm, wie kommst du denn jetzt darauf?«, fragte sie, die Brauen eng zusammenziehend.

      »Es könnte sein, dass mir das gerade passiert ist.« Meine Schultern fühlten sich so müde an, als wären sie mit Gewichten beschwert.

      »Wie jetzt. Jetzt eben?« Charlies Stimme hob sich in einen Sopran-Sing-Sang. Sie schaute sich in alle Richtungen um.

      »Im Zug eben«, seufzte ich mit gebrochener Stimme. »Ich schwöre dir, so etwas, wie das eben, habe ich noch nie gefühlt. Ich bin total neben der Spur.«

      Ich spürte, wie mein ganzer Körper zitterte, als hätte mich eine Kaltfront erwischt. Charlie nahm meine Hand und strich beruhigend darüber, während sie mit erschrecktem Blick in meinen Augen zu lesen versuchte.

      »Oh Mann, Süße, ich hab ja überhaupt nichts mitgekriegt.«

      »Und was mich jetzt total fertigmacht …«, stammelte ich, während ich ihr nervös meine Hand entzog. »Wenn er derjenige war, der Richtige für mich, mein Seelenverwandter – es fühlte sich nämlich so an –, dann hab ich’s vergeigt. Er ist weg und ich werde mich immer fragen, was gewesen wäre, wenn …«

      »Mensch, Val, dich hat’s ja echt erwischt.« Charlie machte ein entsetztes Gesicht.

      »Hättest du mich nicht aus dem Zug gezerrt, hätten wir hier nicht rausgemusst …«, sinnierte ich weiter, traurig den Betonboden unter mir anstarrend.

      Sie zuckte zusammen und verzog schuldbewusst den Mund. »Oh scheiße, hab ich’s vermasselt?«, zischte sie durch die Zähne. »Sorry. Ich wusste es doch nicht. Warum hast du nicht irgendwas gesagt?«

      »Ich konnte nicht.« Ich schüttelte meinen geneigten Kopf. Enttäuschung und Wut stritten sich um die Vorherrschaft.

      »Scheiß auf die Station«, sagte Charlie grimmig. »Ich wäre mit dir stundenlang U-Bahn gefahren, wenn ich es geahnt hätte. Wirklich, das tut mir so unendlich leid.« Tröstend berührte sie meine Schulter und suchte meinen Blick. »Komm her«, sagte sie, schlang ihre Arme um mich und drückte mich fest an sich.

      Das war jetzt der Moment, entweder loszuheulen wie ein Schlosshund oder stark zu sein und es herunterzuschlucken. Normalerweise wäre Losheulen meine Wahl gewesen, aber meine Traurigkeit hatte eine ungewohnte Dimension erreicht, die nur noch eine hoffnungslose Leere hinterließ.

      Ich bemerkte die starrenden Blicke der zur Bahn eilenden Menschen und löste mich sanft von Charlie.

      »Du bist mir bitte nicht böse, oder?« Sie war immer noch bestürzt.

      Mein Verstand sagte mir, dass ich mich zwingen sollte, loszulassen, auch wenn mein Herz dagegen anschrie. Es war gelaufen. Mit einem langen Atemzug sog ich die Luft tief durch die Nase ein, um sie mit einem Seufzer wieder auszustoßen. Natürlich war es nicht fair, ihr das Gefühl zu geben, schuld zu sein. Hätte ich ihr doch bloß einen kleinen Hinweis gegeben. Aber wie, als erstarrte Marmorsäule? Mühsam rang ich mir ein kleines Lächeln ab.

      »Nein, ich bin dir nicht böse. Ich bin auf mich sauer. Ich hab mich total bescheuert verhalten.« Ich schüttelte wieder den Kopf und biss die Zähne aufeinander, bis sie fast knirschten. »Er war unglaublich. Wie er mich angesehen hat!« Eine Gänsehaut rieselte über meine Arme. »Ich hätte ihn so wahnsinnig gern kennengelernt. Obwohl er mir die wackeligsten Beine meines Lebens beschert hat … oder gerade deshalb.« Ich stöhnte laut auf. »Und es macht mich völlig fertig, dass er jetzt weg ist, unerreichbar.« Die Machtlosigkeit war unerträglich. »Es ist so gemein. Wäre ich ihm gar nicht begegnet, hätte ich jetzt nicht das Gefühl, etwas verloren zu haben. Ach, Charlie, er sah unglaublich aus. Das allererste Mal gefällt mir ein Junge zu hundert Prozent und dann löst er sich wieder in Luft auf.« Meine Stimme überschlug sich fast.

      Charlie stand mit offenem Mund vor mir. Mich selbst verblüffte diese emotionale Entladung allerdings am meisten.

      »Und

Скачать книгу