Duft von Walderdbeeren. Ljubica Perkman

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Duft von Walderdbeeren - Ljubica Perkman

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sie zu Ranko.

      »Das soll für Lena sein und ich nehme sie mit nach Rijeka«. 500 Dinare waren Ende der 1960er Jahre sehr viel Geld.

      »Lena«, sagte die Mutter nach einer Weile in das Schweigen, »Ranko möchte, dass du ihn nach Rijeka begleitest. Es scheint, als sei er ein guter Mann und er wird sicher gut für dich sorgen. Zieh dich an und kämme dich, pack ein paar Sachen und begleite Ranko.«

      Lena war wie vom Donner gerührt. Die Mutter wollte sie fortschicken! Das konnte sie doch nicht tun?

      »Nein«, antwortet Lena bestürzt. »Ich gehe nicht mit Ranko! Ich kenne ihn nicht und ich weiß nicht einmal wo Rijeka ist!«

      »Doch, Lena. Es ist besser so, Ranko wird für dich sorgen.« Mutters Stimme klang müde, als sie das sagte. Die Brüder waren damit nicht einverstanden, doch Mila dachte, sie tue ihrer Tochter etwas Gutes. Sie kannte Rankos Cousine und hoffte, das Lena in Rijeka ein besseres Leben führen würde, als hier verarmt auf dem Land. Lena begann zu weinen.

      Es schien Lena, als würde sich das Schicksal ihrer Mutter für sie wiederholen. Nun musste auch sie gegen ihren Willen mit einem fremden Mann in eine ihr unbekannte Stadt gehen. Den ganzen weiten Weg nach Rijeka weinte Lena im Zug. Ranko schwieg und sah Lena freudig bei ihrem Leid zu, er genoss ihre junge Verzweiflung. Lena verließ ihr elterliches Haus ohne Hochzeitsfeier und ohne Eheversprechen, ohne Glück. Und Ranko hatte nichts davon gesagt, dass er eine Frau und ein Kind in Otoccu, nahe dem Meer hatte. Als sie in Rijeka ankamen, mussten sie in den Autobus umsteigen und fuhren wieder eine scheinbar endlose Zeit, um an einer Haltestelle weitab des nächsten Ortes auszusteigen. Nach einem anstrengenden Fußmarsch bergan, standen sie schließlich in einer einsamen alten Holzhütte mitten im Wald, die Ranko angemietet hatte. Die Hütte war nur sehr spärlich mit einem Bett und ein Gasherd eingerichtet. Aber es schien, als hätte diese Hütte schon vieles gehört und gesehen und würde diese sprechen können, was hätte sie alles zu erzählen?

      Für Lena schien die »Hochzeitsnacht« niemals enden zu wollen. Es war das Grauenhafteste, was sie je erlebt hatte. Ein schweres Schicksal erwartete sie. Das wusste sie nun nach dieser Nacht! Lena kannte bis daher keine Küsse und wusste nicht, was Liebe war. Sogleich wurde sie schwanger und erwartete ihr erstes Kind. Sie durfte niemanden von ihren Sorgen und Nöten erzählen; weder ihrer Mutter, noch ihren Brüdern. Niemand erfuhr, was sie alles ertragen musste.

      Der Postbote brachte oft Briefe mit Bildern von Rankos Frau und Kind. Aber er leugnete immer wieder, dass er verheiratet sei. Und jedes Mal, wenn Lena nach der Frau und dem Kind auf den Fotos fragte, verprügelte Ranko sie. Erst viele Jahre später, kurz vor der Trennung von ihrem Mann, erfuhr Lena, dass er oft bei seiner Frau und ihrem Kind gewesen war und sogar mit seiner eigenen Tochter ein Kind gezeugt hatte. Seine erste Frau hatte er wiederholt so sehr geschlagen, dass sie an den Folgen der Verletzungen verstorben war.

      Lena bekam mit Ranko zwei Kinder und hatte in fünfundzwanzig Jahren neun Abtreibungen. Ranko war es egal, ob sie ein Kind austrug oder es abtreiben ließ. Als ihre Kinder groß waren, konnte Lena dieses Leben nicht mehr ertragen. Sie wollte sich scheiden lassen. Um die Scheidung einzureichen, benötigte sie den Trauschein. Als sie in der Behörde ihrer Heimatstadt anrief und danach fragte, teilte man ihr mit, dass es keinen Trauschein gibt. Sie wurde als unverheiratet geführt. Es hatte keine Eheschließung gegeben. So erfuhr Lena auf bittere Weise, dass sie fünfundzwanzig Jahre lang unverheiratet ein Martyrium ertragen hatte. Sie verließ diesen Mann – dieses Monster – noch am gleichen Tag.

      Nach der Trennung suchte sie Arbeit in einem Haushalt und hoffte einen Mann zu finden, der sie verstand und mit dem sie den Rest ihres Lebens zusammen sein konnte. Aber sie sollte kein Glück haben.

      Eine kurze Bekanntschaft, die sie nach dem Elend mit ihrem Mann durch ihre einzige Freundin Marina schloss, hätte für Lena durchaus tödlich enden können. Doch nicht umsonst heißt das bekannte Sprichwort: »Glück im Unglück gehabt.«

      Es war Nachmittag. Das Unwetter ließ langsam nach, der Regen prasselte noch auf die Dächer, gegen die Scheiben und auf die Bäume, doch der Himmel hellte sich auf und das Krachen des Donners wurde leiser. Der Wind fegte über die vorgelagerten kleineren Inseln und trug die dunklen Wolken mit sich fort, hinaus auf das Meer. Nachdem auch der Regen langsam nachließ, lag ein intensiver Duft von Oleander in der Luft. Die Straßen der Stadt Rijeka waren leer, nur aus den umliegenden Cafés hörte man Stimmen und Musik.

      Rijeka ist eine große, sehr schöne Hafenstadt in Kroatien, eine Stadt der Reichen und der Armen und mit einer hohen Arbeitslosigkeit. Die Menschen versuchten zu überleben, jeder auf seine eigene Weise.

      Trotz Tourismus – oder gerade deswegen – erlebte die Stadt eine Vielzahl von Einbrüchen, Überfällen und Diebstählen. Der Schwarzmarkt blühte. Wegen dieser großen Armut und des damit verbundenen kärglichen Daseins, fühlte sich Lena oft sehr unglücklich. Sie meinte, noch nie in ihrem Leben von jemandem geliebt worden zu sein. Sie empfand auch, dass alle sie verlassen hatten. Alle, auch ihre Familie, ihre Freunde, ihre Bekannten.

      Sie lief oft ziellos durch die Stadt, suchte Arbeit, egal was, ob in einer Firma oder in einem Privathaushalt. Sie würde jede Arbeit annehmen, hatte das mangelnde Geld doch ihre Familie zerstört. Nach und nach gingen sie alle ihrer eigenen Wege. Auf der Suche nach Arbeit stoben sie in alle Richtungen auseinander.

      Lena hatte die Scheidung eingereicht. Die Nerven ließen sie im Stich, immer öfter griff sie zu Tabletten, um den Tag überstehen zu können.

      Die einzige gute Bekannte, die noch in Rijeka geblieben war, war Marina. Lena vertraute ihr und glaubte, dass sie ihr alles erzählen kann – alle familiären Probleme, Krankheiten oder ihren Kummer über das Verlassen werden durch ihren Mann. Marina hörte immer aufmerksam zu – lauernd. Die Scheidung hatte viel Geld verschlungen. Sie musste deswegen die schöne Dreizimmerwohnung verlassen und zog in ein sehr altes, nicht renoviertes Haus, weit draußen außerhalb Rijeka, in einem Ortsteil von Gorski Kotar.

      Auch nach ihrem Umzug blieben die Freundinnen in Kontakt. Marinas Ehemann war Alkoholiker. Oft behauptete er, dass er nur trinken würde, weil seine Frau so schlecht sei. Vor allem aber, weil sie der falschen Religion angehörte. Der Krieg hatte viele Ehen zerstört, denn die Angehörigkeit zu einer Religion wurde plötzlich zu einem zentralen Thema. Es herrschte Krieg – auch in den Ehen und Familien.

      Marina hatte einen Sohn. Ein stattlicher junger Mann. Doch zur Schule oder in eine Ausbildung wollte er nicht gehen. Lieber fläzte er sich den ganzen Tag auf der Couch, rauchte und las Zeitung. Seine Tage waren ziellos und er war faul. Oft sprach er davon, dass er keine Arbeit bräuchte. Das einzige, was ihm wirklich Erfolg brachte, war der innerstädtische Krieg. Er brachte Goldschmuck, Ringe und Ketten nach Hause, die er erbeutet hatte und verkaufte diese auf dem Schwarzmarkt. Ihm war offenbar nicht bewusst, gegen wen er da kämpfte, denn er selbst stammte aus einer ethnisch gemischten Ehe.

      Marina wollte – angeblich aus Mitleid – so schnell wie möglich einen neuen Lebenspartner für Lena finden. Aber war dieser Wunsch ehrlich und gut gemeint? Lena brauchte Hilfe und sie musste Arbeit finden oder einen anderen guten Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens zusammen bleiben konnte. Eines Tages überraschte Lena Marina mit ihrem Besuch. Marina kochte Kaffee und gerade als die beiden sich ins Gespräch vertieft hatten, klopfte es an der Tür. Marina begrüßte einen jungen Mann und stellte ihn dann Lena vor. Lena war ein wenig überrascht, reichte dem Mann die Hand und dachte: »Du meine Güte, ist das ein sympathischer Mann!«

      Marina klopfte dem Mann auf die Schulter und fing an, ihn zu loben. Was für ein guter Handwerker er wäre, wie ehrlich und ernsthaft. Und so verging die Zeit und es schien, als würde sich aus der flüchtigen Bekanntschaft eine tiefere Freundschaft entwickeln. Blagoje, so war sein Name, bot Lena an, mit ihr in ein Café zu gehen. Natürlich nahm Lena die Einladung

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