Duft von Walderdbeeren. Ljubica Perkman
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Читать онлайн книгу Duft von Walderdbeeren - Ljubica Perkman страница 6
Am nächsten Tag ging sie mit einem Lächeln auf den Lippen zum verabredeten Treffpunkt. Sie wartete geduldig. Aber er kam nicht. Die Zeit verrann, aber er kam nicht. Sie begann sich Sorgen zu machen, ob ihm etwas passiert sei, denn er hatte versprochen, pünktlich zu sein. Es waren schon zwei Stunden vergangen. Sie bekam Zweifel, hatte Bedenken, dass Marina ihm von ihren familiären Problemen erzählt haben könnte und er deshalb nicht kommen wollte. Sie war doch geschieden und da gab es noch diesen netten, hilfreichen Nachbarn, Anto, in ihrem Dorf, der sich ihrer angenommen und geholfen hatte, als sie dorthin zog. Auch davon wusste Marina.
Sie zweifelte immer mehr und begann, sich darüber Gedanken zu machen, ob es richtig war, Marina von all ihren Problemen und Wünschen erzählt zu haben.
Doch dann erblickte sie Blagoje. Er näherte sich ihr, wie ein Boot, das nicht weiß, ob es in den Hafen einlaufen oder noch auf dem Meer verweilen soll. Er grüßte sie freundlich und entschuldigte sich dafür, dass er sie so lange habe warten lassen, »Entschuldige, Lena, es tut mir sehr leid. Du wirst noch einen Augenblick auf mich warten müssen. Ich habe noch etwas zu erledigen.«
Er ging schnellen Schrittes hinter die Tankstelle. Lena wartete wieder geduldig. Die Zeit verging, doch von Blagoje war nichts zu sehen. In ihren kühnsten Vorstellungen konnte sie nicht ahnen, was da vor sich ging. Dann plötzlich, tauchte er wieder auf.
»Ich muss mich erneut entschuldigen, Lena! Aber statt ins Café zu gehen, möchte ich dich jetzt gerne nach Hause bringen.«
Lena war irritiert und lehnte ab. Doch während er die Autotür für sie öffnete und sie am Arm fest hielt, wiederholte er seine Forderung. Diesmal etwas schärfer. Es klang beinahe wie ein Befehl – oder ein Drohung.
Lena setzte sich gehorsam ins Auto, erschrocken von der plötzlichen Wende in seiner Stimme und überlegte, warum sich Blagoje so verhielt. Warum hatte er seine Meinung geändert und wollte sie nach Hause bringen? Mit wem hatte er sich vorher getroffen?
Dann plötzlich unterbrach Blagojes Stimme ihre Gedanken:
»Wie ist dein Nachbar Anto?«, wollte er wissen. »Ich habe gehört, er soll sehr nett sein, dir viel helfen und dich zur Frau nehmen wollen?«
»Oh! Wer hat dir diesen Blödsinn erzählt? Marina etwa?« Sie konnte sich vorstellen, aus welcher Richtung der Wind wehte.
»Er ist nur mein Nachbar und nichts weiter.«
»Was ist das für ein Mensch, dieser Anto?«, wollte Blagoje wieder wissen.
»Er ist ein guter Mensch«, antwortete Lena einsilbig.
Als sie im Dorf ankamen, erwartete der Nachbar sie herzlich. Er lernte Blagoje kennen und bat die beiden auf einen Kaffee zu sich nach Hause. Etwas hinterhältig und übertrieben freundlich nahm Blagoje die Einladung an. Als Anto beim Anheben der Tasse aus Versehen an Lenas Schulter stieß, durchbohrte Blagoje beide mit dem Blick. Daraufhin folgte betretenes Schweigen.
»Es ist nichts passiert. Die Tasse ist nicht zu Bruch gegangen und selbst wenn, wäre das nicht schlimm gewesen«, sagte Anto, bemüht das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
Doch Blagoje sagte kein Wort mehr. Seine Augen waren voller Neugier aber auch Wut.
Nachdem sie den Kaffee ausgetrunken hatten, bat Blagoje Anto, ihm mit dem Fiat ein wenig das Dorf und die Schönheit der Landschaft zu zeigen. Sie könnten auch irgendwo einkehren und etwas trinken. Anto wich aus, als ob er etwas ahnte. Freundlich lehnte er ab.
»Nein, danke, Blagoje. Schau, ich habe hier alles zu trinken, was dein Herz begehrt. Sag mir was du möchtest, ich schenke uns ein.«
Aber Blagoje blieb hartnäckig. Er wolle gerne das Dorf kennen lernen. Anto gab nach.
»Na gut, wenn du unbedingt willst, dann lass uns eine Runde fahren.«
Lena war überrascht und etwas gekränkt, dass Blagoje nicht mit ihr durch den Ort spazieren wollte. Beim Spaziergang hätten sie Gelegenheit gehabt, sich ein wenig besser kennen zu lernen. Als Blagoje und Anto davon fuhren, räumte Lena die Küche auf, spülte und legte sich dann anschließend einen Augenblick hin, um sich auszuruhen – und schlief ein. Als sie wieder aufwachte, lauschte sie, ob die Männer zurückgekehrt waren. Aber man hörte im Haus kein einziges Geräusch. Sie sprang auf. Es war viel Zeit vergangen und sie machte sich Sorgen. Sie hatte Angst, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte. Vielleicht hatten sie einen Autounfall? Ihre Sorge wuchs. Es dämmerte, dann kam die Nacht. Lena wartete am Fenster, von dem aus sie die Straße den Berg hinunter überblicken konnte, aber es war umsonst.
Irgendwann hörte sie Schritte. Dann tauchte Anto in der Tür auf.
»Wo um Himmels Willen, wo wart ihr?«, rief Lena lauter als sie wollte und sah erst dann, dass Anto voller Blut war.
»Oh mein Gott, was ist passiert?«, fragte sie fassungslos. Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie lief Anto entgegen und stützte ihn.
»Wo ist Blagoje? Was ist mit ihm passiert?!«, wollte Lena, krank vor Sorge, von Anto wissen.
»Nun sprich schon! Was ist passiert?« forderte sie Anto auf. Ihre Stimme überschlug sich vor Aufregung.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Anto.
»Wie, du weißt es nicht? Ihr seid doch zusammen weggefahren. Wie kannst du nicht wissen, wo er ist?«
Anto trat ins Haus, ließ sich auf die Ottomane fallen.
»Sieh dir an, was dein Blagoje mit mir gemacht hat! Ich kann von Glück sagen, das ich noch am Leben bin«, antwortete Anto schwach.
»Wo ist Blagoje jetzt und wo seid ihr gewesen?«
»Als wir in den Fiat stiegen, bat mich Blagoje, mit ihm nach Prilepic zu fahren. Kaum waren wir dort angekommen, wartete auch schon seine Bande auf uns. Sie schlugen und traten mich und als ich auf der Erde lag, übergossen sie mich mit Benzin und wollten mich anzünden. Sie zertrümmerten mein neues Auto.«
»Ich habe großes Glück gehabt, dass ich noch am Leben bin«, ächzte er. »Wer ersetzt mir den Schaden am Auto? Ich muss die Polizei rufen«, fügte er traurig hinzu.
»Tu das bitte nicht, Anto! Mir zur Liebe. Rufe bitte nicht die Polizei. Ich werde dir den Schaden erstatten«, flehte Lena Anto an und dachte gleichzeitig, dass sie hoffentlich nie wieder diesem Blagoje begegnen würde. Sie hatte Angst vor der Begegnung mit ihm, weil sie nicht wusste, wie er reagieren würde. Er hätte sie umbringen können. Sie hoffte, ihm nie, nie wieder über den Weg zu laufen. Wie konnte ein Mensch nur so verrückt sein? Sie lebte alleine in diesem Haus. Ihr Verschwinden würde keinem auffallen. Sie war neu im Dorf und kannte außer Anto kaum jemanden.
Anto ging nach Hause um sich zu duschen und seine Wunden zu versorgen. Er fand Verbandszeug, legte es an und fiel alsbald in einen tiefen Schlaf. Lena blieb alleine zurück. Die Tränen liefen ihr über die Wangen – wie kleine Regentropfen fielen sie zu Boden.
Sie stand auf, um Essen zu kochen. Kaum hatte sie damit begonnen, klopfte es an ihrer Tür. Blagojes laute, schneidende Stimme verlangte Einlass. Seine Stimme durchbohrte sie, wie es eine Messerspitze nicht schlimmer tun konnte: »Mach sofort die Tür auf, du blöde Schlampe!«, hörte sie ihn brüllen.
Lena