Aborigines Gestern und Heute. Sabine Koch
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1.3 Stamm, Volk, Clan – Begrifflichkeiten und Beispiele
Die Aborigine-Stämme unterscheiden sich in erster Linie durch ihre Sprachen. Ihre Traditionen sind in vielen Stämmen recht ähnlich. Die Bezeichnung eines Stammes, beispielsweise „Arrernte“, ist meist gleichzeitig der Name der Sprache. Es gibt aber auch Sprachen, die von mehreren Stämmen gesprochen werden, etwa die „Warlpiri“-Sprache.
Eine Sprachgruppe wird als Volk (englisch „nation“) oder Stamm (englisch „tribe“) bezeichnet. Manche finden die Bezeichnung Stamm nicht treffend, weil es bei den Aborigines kein Stammesoberhaupt gibt. Andere streiten darüber, ob die Bezeichnung „Volk“ für eine Sprachgruppe korrekt ist.
Die Aborigines lebten bzw. leben in kleinen Familienverbänden zusammen, die als „clan“ bezeichnet werden. Ein Stamm oder Volk besteht aus mehreren Clans mit unterschiedlichen Dialekten.
Christopher, der Älteste der Martu in Kunawarritji
Zwischen den Stämmen herrschen nachbarschaftliche Beziehungen: Zu großen Zeremonien wie der Initiation der Jungen kommen oft mehrere Stämme oder Clans zusammen und tauschen Geschichten, Gesänge und Tänze aus. Diese Zusammenkünfte werden als „Corroborree“ bezeichnet. Für die Verständigung wurden früher Nachrichten durch Boten mit hölzernen „message sticks“ überbracht, in die man Symbole einritzte. Ein Bote durfte nicht direkt zum Lager eines fremden Stammes gehen, sondern musste in sichtbarer Entfernung warten, bis er von einem Stammesmitglied abgeholt wurde. Funde von Tierknochen, Muscheln und Steinwerkzeugen in South Australia und Zentralaustralien, die aus dem Norden des Landes stammen, beweisen, dass auch Handel zwischen den Stämmen stattgefunden haben muss. Kriegerische Auseinandersetzungen gab es weniger um das angestammte Land; die Stammesgebiete wurden gegenseitig respektiert. Doch unerlaubtes Jagen auf fremdem Gebiet konnte zum Beispiel zu lang andauernden Kriegen zwischen den Stämmen führen.
Pitjantjatjara oder Anangu (South Australia, Northern Territory)
Zum Land der Anangu, wie sie sich selbst nennen, gehört der weltbekannte Uluru (Ayers Rock), aber ihr Stammesgebiet dehnt sich viel weiter, bis in den Nordwesten von South Australia, aus. Die Anangu sind sehr eng mit ihrem Land verbunden; jedes Merkmal, jeder Fels und natürlich auch der Uluru und die Kata Tjuta haben für sie eine wichtige spirituelle Bedeutung.
Uluru
Als die Briten auf dem Gebiet von Maralinga in South Australia Anfang der 1950er-Jahre Atomtests durchführten, zwang man die Anangu, ihr angestammtes Land verlassen. Trotz der Evakuierungsmaßnahmen wurde eine große Zahl von ihnen durch den nuklearen Fallout der Atomtests kontaminiert.
Durch den „Pitjantjatjara Land Rights Act“ („Native Title“-Gesetz) wurden den Anangu im Jahr 1981 mehr als 103 000 km2 Land im Nordwesten von South Australia bis an die Grenze des Northern Territory zurückgegeben. Dort leben heute etwa 2200 Anangu in kleinen „homelands“.
Arrernte/Aranda (Northern Territory)
Die Arrernte leben in Zentralaustralien, entlang der MacDonnell Ranges und in Alice Springs, wo ihre gleichnamige Sprache noch von etwa einem Viertel von ihnen als Muttersprache gesprochen wird. Die Arrernte-Sprache wird in den meisten Schulen in Alice Springs als Pflichtfach gelehrt.
Typische Hütte der Eastern Arrernte im Arltunga District (August 1920)
In Hermannsburg wurde 1902 der Künstler Albert Namatjiara geboren, der als erster Aborigine die Landschaftsmalerei entwickelte (mehr dazu siehe in Kapitel 3.1).
Gurindji (Northern Territory)
In Sprache und Kultur haben die Gurindji viel mit dem angrenzenden Nachbarvolk der Warlpiri gemeinsam. Bekanntheit erlangten sie durch den „Wave Hill Cattle“-Streik von 1966, der große Bedeutung für den Kampf der Aborigines um ihre Landrechte hatte (siehe Kapitel 5.4).
1975 gab die Regierung 330 000 Hektar ihres Landes an die Gurindji zurück. Es liegt etwa 460 Kilometer südwestlich von Katherine in der Victoria-River-Region, wo die Communities Daguragu und Kalkaringi mit etwa 700 Bewohnern gegründet wurden. In Daguragu wird in der ersten von Aborigines bewirtschafteten Rinderfarm Viehzucht betrieben.
Warlpiri (Northern Territory)
Etwa 5000 bis 6000 Warlpiri leben heute im Northern Territory, die meisten in kleinen Siedlungen. Yuendumu, die größte Gemeinde, wurde einst als Missionsstation gegründet. Die Warlpiri leben als Nomaden und ziehen aufgrund der Nahrungs- und Wasserknappheit ihres Stammesgebiets durch weite Gebiete Zentralaustraliens. Viele von ihnen sprechen bis heute kein Englisch. Die Warlpiri-Sprache ist noch sehr aktiv und wird von vielen Aborigines von Darwin über Katherine bis nach Alice Springs gesprochen. Für etwa 3000 Aborigines ist es die Muttersprache. Doch auch sie ist vom Aussterben bedroht.
Eine Besonderheit dieses Stammes ist eine eigene Gebärdensprache. In der Kultur der Warlpiri unterliegen Frauen, die sich in Trauer befinden, einem Sprechverbot. Sie benutzen für diese