Der Königstein und seine Gefangenen. Gunter Pirntke
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Als Karl XII. mit seinen Truppen im September 1707 abgezogen war, ließ August der Starke seine beiden Verhandlungsführer beim Frieden von Altranstädt im November 1707 verhaften und auf den Sonnenstein bringen. Er warf ihnen vor, seine erteilten Weisungen und Vollmachten überschritten zu haben. Beide kamen am 10. August 1709 auf den Königstein. Ihnen wurde der Prozess gemacht und am 20. Dezember 1710 das Urteil gefällt. Anton Albrecht Freiherr von Imhoff wurde zu lebenslanger Haft und Einziehung seiner Lehngüter verurteilt, dann zu zehn Jahren Haft begnadigt und schließlich nach sieben Jahren Gefängnis Ende 1713 in die Freiheit entlassen.
Der Geheime Referendar Pfingsten wurde erstinstanzlich zum Tode durch das Schwert verurteilt. In zweiter Instanz wurde das Urteil in lebenslanges Gefängnis umgewandelt. Am 21. November 1735 starb er auf der Festung. Der Königstein sah dann im 18. Jahrhundert zwei weitere Staatsgefangene, die im Gedächtnis der Menschen geblieben sind. Der eine ist Friedrich Wilhelm Menzel, 1726 in Dresden geboren und seit 1744 Geheimkanzlist bei Premierminister Brühl.
Als Spion des Preußenkönigs hatte er seit 1752 die diplomatische Korrespondenz Brühls mit den Höfen in Wien, St. Petersburg und Paris kopiert, an den preußischen Gesandten Maltzahn in Dresden gegeben und dafür viel Geld erhalten. Preußens König Friedrich der Große war damit über Pläne, Absichten und Verbindungen Brühls informiert. Das schaffte für Friedrich II. einen weiteren Grund, in Sachen einzufallen.
Im Oktober 1756 kam Menzel mit nach Warschau, wohin August III. und Brühl fliehen mussten, und wurde dort seiner Spionagedienste überführt. Brühl ließ durch Kriegsrat Götze Menzel und dessen Schwager Johann Benjamin Erfurth als Helfer verhaften. Beide wurden in Prag auf ihrer Flucht aufgegriffen und von den Österreichern auf den Spielberg bei Brünn gebracht. Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges wurden sie dann von Österreich an Kursachsen ausgeliefert. Am 2. August 1763 wurden sie auf dem Königstein arretiert. Menzel verbrachte auf der Festung 33 Jahre – bis zu seinem Tod – unter schweren Haftbedingungen wie völliger Verwahrlosung und bis 1779 in ständigen Beinfesseln. Menzel starb im Alter von 70 Jahren am 22. Mai 1796. Der Goldschmied Erfurth verbrachte unter gleichen Haftbedingungen mit Ketten und Sperreisen bei geringer Kost 14 Jahre auf der Festung und starb am 14. Juni 1778.
Der andere, der als letzter wichtiger bekannter Königsteiner Staatsgefangene bezeichnet wird, war Pierre Aloysius Marquis d’Agdollo, ein Abenteurer, der sich einmal als Venezianer, zum anderen als Sohn einer vornehmen persischen Familie ausgab.
Er stand zunächst hoch in der Gunst von Kurfürst Friedrich August III. Peter Aloysius Marquis d’Agdollo war der Sohn von Gregorio d’Agdollo, einem Kaufmann in Venedig. Er trat in das Militär des Kurfürstentums Sachsen ein, kämpfte im Siebenjährigen Krieg mit, wurde 1768 Major, 1769 Flügeladjudant des Prinzen Xaver und Obrister der Schweizergarde.
Er heiratete am 6. Juni 1764 die Witwe des Feldmarschalls Rutowski (eines natürlichen Sohnes August des Starken), die geborene Fürstin Lubomirska; die Ehe wurde aber auf Wunsch Lubomirskas geheim gehalten, weil sie um ihren Rang am Hof fürchtete.
Prinz Xaver brauchte d’Agdollo zu geheimen Missionen und die Witwe des Kurfürsten, Maria Antonia, betraute ihn bei ihrer Abwesenheit von Dresden mit Aufträgen.
Namentlich benutzte sie ihn 1776 zu geheimen Verhandlungen mit den Ministern ihres Sohnes, als es darum ging, ihre für 200.000 Taler in Rom und den Niederlanden versetzten Juwelen einzulösen und sie von einer Schuldenlast von mehr als 700.000 Talern durch Abtretung ihrer künftigen Ansprüche an den Allodial-Nachlass des kinderlosen Kurfürsten Max III. Joseph von Bayern an ihren Sohn zu befreien.
Der Marquis war zwar durch offene Zurücksetzung bei Beförderung gegen den Kurfürsten, besonders dessen Günstling, den Grafen Marcolini, sehr erbittert, aber Intrigant wie er war, spielte er doch doppeltes Spiel, verkehrte mit Marcolini viel und teilte geheim zu haltende Briefe der damals im Auslande lebenden Kurfürstin-Witwe über diese Angelegenheit an ihn den sächsischen Ministern mit, daneben jedoch bat er den König von Preußen um Anstellung und bot sich ihm als Spion an, scheint auch Verbindungen mit Wien gehabt und der Kaiserin Maria Theresia, welche ebenfalls entfernte Ansprüche aus jenen Nachlass hatte, die der Kurfürstin gegen hohe Summen angeboten zu haben.
Großes Aufsehen erregte seine plötzliche Verhaftung am 16. September 1776 und Abführung auf die Festung Königstein; er blieb bis an seinen Tod Staatsgefangener. Der Grund seiner Verhaftung blieb geheim; sogar seinen Ministern verschwieg der Kurfürst die Ursache. Nur der Kurfürst und dessen Mutter, auf deren Anregung die Verhaftung erfolgte, kannten d’Agdollos Vergehen. Der Kurfürst erklärte seinen Ministern, dass die Sache nur ihn persönlich angehe, nichts mit der Erbschaftsangelegenheit zu tun habe und deshalb nicht vor den Staatsrat gehöre. Ein katholischer Geistlicher soll d’Agdollo vernommen und dessen Aussagen mündlich dem Kurfürsten übermittelt haben; der Kurfürst selbst verurteilte d’Agdollo zu lebenslänglicher Festungshaft.
Ein Teil der Briefe zwischen dem Kurfürsten und seiner Mutter, namentlich ein Schriftstück des Marquis, das Schmähungen und Drohungen enthalten haben soll, scheint vom Kurfürsten selbst vernichtet worden zu sein. Wegen der unglücklichen Verhandlungen mit dem Marquis d’Agdollo wurden die sächsischen Minister Leopold Nicolaus von Ende und Graf Sacken am 26. März 1777 durch den Kurfürsten gemeinsam und für beide wenig ehrenhaft entlassen.
D’Agdollo starb auf dem Königstein am 27. August 1800. Die Haftbedingungen waren für ihn wohl recht leicht, denn er konnte sich auf der Festung frei bewegen. Die Stelle, wo er gewöhnlich ein Sonnenbad nahm, wurde bald „Agdollos Ruhe“ genannt.
Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurde die Festung Königstein das Staatsgefängnis für aufrührerische Bürger und bürgerliche Demokraten. Es begann 1790 mit dem kursächsischen Bauernaufstand. Am 11. September 1790 wurden die als Anführer ausgemittelten Bauern auf den Königstein gebracht. Es waren 34 Hüfner, Gärtner und Häusler vor allem aus der Lommatzscher und Meißner Gegend, die als Baugefangene zwischen acht Wochen und mehreren Monaten auf der Festung schwer arbeiten mussten. 1791 durften die letzten von ihnen die Festung verlassen.
Vierzig Jahre später wurde das Königreich Sachsen im Spätsommer 1830 und im Frühjahr 1831 von revolutionären Unruhen erschüttert, die zur konstitutionellen Monarchie und damit zu bürgerlichen Verfassungszuständen führten. Die ausgemachten Anführer der Aprilunruhen 1831 wurden polizeilich verfolgt, verhaftet und mit hohen Zuchthausstrafen belegt. Zwei von ihnen, die Dresdner Bürger Nudelfabrikant Anton Bertholdi und der promovierte Jurist Bernhard Moßdorf waren am 18. April 1831 verhaftet und nach mehrmonatigen Verhören am 2. September 1831 als „Häupter der Bewegung“ von der speziell eingesetzten Untersuchungskommission ohne ordentliches Gerichtsverfahren zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt worden. Sie wurden in der Nacht vom 2. zum 3. September 1831 auf der Festung abgeliefert und in die Räume Nr. 9 und Nr. 10 auf der Georgenburg eingesperrt. Sie hatten sich im heftigen, allerdings überwiegend selbst provozierten Konflikt mit den Festungsmilitärs wie Platzadjutant Fuchs befunden.
Bertholdi unternahm einen Fluchtversuch, der scheiterte. Dann wurden die Schikanen so groß, dass er nur im Selbstmord einen Ausweg sah. Am 4. September 1833 erhängte er sich an den Eisengittern seines Gefängnisraumes. Eine Woche danach unternahm Moßdorf einen Fluchtversuch, der ebenfalls misslang. Am 13. November wurde er in den Gefängnisraum gebracht, in dem sich sein Freund Bertholdi das Leben genommen hatte. Was dann in der Nacht vom 13. zum 14. November 1833 geschah, bleibt für immer unklar. Am Morgen des 14. November fand man Moßdorf wie Bertholdi erhängt am Fenster. Bereits einen Tag später gab es unter den auf der Festung stationierten Soldaten Gerüchte, dass Moßdorf erdrosselt worden sei. Es gab keine zivilgerichtliche Untersuchung. Erst nach dem März 1848 begann vor dem Stadtgericht Dresden ein Untersuchungsverfahren. Aber auf die Fragen, wie sich ein Mensch, der in Ketten kreuzweise am Fußboden in der Mitte des Raumes geschlossen ist, zum Fenster bewegen konnte und warum