Der Königstein und seine Gefangenen. Gunter Pirntke

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Der Königstein und seine Gefangenen - Gunter Pirntke

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auch die Kurfürsten-Witwe wurde in das Ränkespiel des Adels eingebunden. Vergeblich wandte sich die Frau des auf dem Königstein inhaftierten Kanzlers an sie. Schließlich beschwerte sich Dr. Krells Frau bei dem Reichskammergericht in Speyer „wegen verweigerter und verzögerter Justiz“. Dasselbe erließ, wie bereits erwähnt, ein sogenanntes mandatum poenale sine clausula, in dem „geboten wurde, den Dr. Krell unverzüglich vor Gericht zu stellen oder ihn auf freien Fuß zu setzen“. Doch das kümmerte am Dresdner Hof niemanden.

       Abb. 2: Festung Königstein mit Johan-Georgen Burg und heute nicht mehr vorhandenem Krellturm Kupferstich von Martin Engelbrecht (1684 – 1756)

      Erst am 21. Januar 1595, nach mehr als dreijähriger Haft, erhielt der Gefangene auf dem Königstein eine schriftliche Anklage. Am 26. Januar 1595 erfolgte das erste Verhör. Hiernach diktierte Dr. Krell zwei Tage lang dem Notar seine Entgegnung auf die Anklage, in der er das hinterlistige Verfahren als gesetzwidrig bezeichnete, denn: „Die ganze Klage beruht nur auf Verdacht, weshalb er vor allem freizulassen, ihm aber doch jedenfalls die Berathung mit den Seinen und mit Rechtsgelehrten nicht abzuschneiden sei.“

      Aber Krell kommt nicht frei. Auch nicht, als ein Gutachten der Juristenfakultät in Tübingen ein Jahr später, am 21. Mai 1596, warnt, „wenn Krell die Sache an das Kaiserliche Kammergericht gebe, dies sowohl einer löblichen Landschaft zu merklichen Nachteil und Verkleinerung, consequenter auch Seiner Fürstlichen Gnaden halben zu etwas Schimpf gereichen möchte“.

      So vergehen die Jahre. Nach zehnjährigen Prozess erfolgte endlich sein Todesurteil, welches man von der Appellationskammer in Prag – es wurde darauf bereits verwiesen – eingeholt hatte, weil man fürchtete, er würde jeden inländischen Richterspruch als parteilich verwerfen.

      Das Prager Hofgericht, dem die Untersuchungsakten übergeben werden, fällt das Urteil in Krells Abwesenheit, ohne Zeugen zu hören und ihm gegenüberzustellen, nur auf Grund der schriftlich vorliegenden Zeugenaussagen, die fast ausschließlich von Adel und Geistlichkeit stammten oder auf Hörensagen und Gerüchten beruhen! Aus dann insgesamt 90 sogenannten Zeugenaussagen zieht das Prager Hofgericht am 8. September 1601, zehn Jahre nach der Verhaftung Krells, den Schluss: „Dr. Krell hat die Relegion ändern und den Calvinismus (in Sachsen) einführen wollen. Er hat die Einigkeit des Reiches und der Stände turbiren wollen und also sich gelüsten lassen, das crimen Laesae Majestatis zu begehen.“ … „Er hat die rittermäßigen und anderen Unterthanen verachtet und schmählich angegriffen … Und so wird gegen den Angeklagten erkannt, dass „sein Leib und Leben verwirkt und (er) mit dem Schwerdt, Anderen zur Abscheu, vom Leben zum Tode zu bringen ist“.

      Ein Gnadengesuch Dr. Krells an Herzog Wilhelm von Sachsen-Altenburg wird abgelehnt. Kurz danach übernimmt der inzwischen achtzehn Jahre alt gewordene Christian II. die Regierungsmacht. Auch er ändert nichts an diesem seinem ehemaligen Erzieher zugedachten Unrecht.

      Gegen diese Ankündigung eines eindeutigen Justizmordes protestierten: Queen Elizabeth I., Heinrich IV. von Frankreich und Wilhelm von Hessen. Erfolglos. Das Urteil wurde dem deutschen Kaiser nicht zur Unterzeichnung vorgelegt. Man verweigerte sogar die Zustellung der Anklageschrift, gestand Krell keinen Verteidiger zu, verwehrte ihm eine Berufung. Doch das wusch die ramponierte Geistlichkeit nicht rein. So kehrte man die ganze schöne Geschichte unter den Teppich. Nachlesen kann man dies in der Leichenpredigt des Pfarrers Blumius „Leichpredigt über den Custodierten D. Nicolaus Krell“ (Dresden 1602, 1603 ff.). Diese Blume der Kanzelredner hatte den diffizilen Auftrag erhalten, den Gebrochenen zu absolvieren. Er sollte Krell ein Schuldgeständnis abringen.

      Krell wurde eilig vom Königstein nach Dresden übergeführt. Eine zehnjährige qualvolle Haft hatte nicht genügt, den Hass seiner adligen Widersacher abzukühlen. Vom 6. bis 9. Oktober saß der zum Tode Verurteilte in der kleinen Gerichtsstube des alten Rathauses am Dresdner Altmarkt. Vielleicht erwartete er einen Gnadenakt statt den Tod durch Henkershand. Zehn Jahre Kerker hatten den zum Tode verurteilten ehemaligen Kanzler des Kurfürsten Christian I. so geschwächt, dass er nicht gehen konnte, sondern von den Bütteln auf einem Stuhl „auf den Judenhof vor das neue Stallgebäude“ getragen werden musste, „wo man ein sonderlich Palatium oder Bühne errichtet hatte, welche auf Befehl der Kurfürstin ihrem Platz näher gerückt worden war, um sehen zu können, wieder Mann sein Ende nehme, der ihren Herrn verführt hatte“. Beim Anblick des Schafotts wurde Krell ohnmächtig.

      Angesichts des Blutgerüstes, das auf dem Dresdner Neumarkt errichtet worden war, dicht neben dem späteren Dinglingerhaus, rief er aus: „Nun wohlan, in Gottes Namen, des Kurfürsten Wille geschehe. Gott erbarme es, ich komme unschuldiger Weise darzu, mir geschieht Gewalt und Unrecht. Ich gestehe nit die geringst Tat, die im Urteil abgelesen. Ich muss zwar bekennen, dass ich vor Gott ein armer Sünder bin, aber dass ich solche Mishandlung begangen habe, das gestehe ich nit, und kann es nimmermehr. Meine Ankläger müssen es am jüngsten Tag verantworten, dahin berufe ich mich, denn ich weiß, dass mir hiermit Gewalt und Unrecht geschieht.“

      Auf der Treppe des Johanneums stand die triumphierende Geistlichkeit, angeführt von der Kurfürstin Sophie. Sie blickte auf Kanzler Krell herab und sagte laut: „Ich will dem Manne sein Recht tun sehen, der meinen seligen Eheherren so übel angeführt hat.“

      Darauf hieb ihm der Scharfrichter mit einem einzigen Schwerthieb das Haupt ab.

      Nach vollstrecktem Urteil hielt Scharfrichter Pohls das blutende Haupt des einstigen Kanzlers hoch und sprach: „Das war ein calvinischer Streich! Seine Teufelsgesellen mögen sich vorsehen; denn man schont allhier keinen.“

       Abb. 3: Der abgeschlagene Kopf Krells in einer zeitgenössischen Grafik, unbekannter Künstler (Quelle: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett) Der Künstler hat die Augen des vom Körper abgetrennten Kopfes noch offen und lebendig mit einem direkten Blick zum Betrachter gezeichnet

      „Ich frage, ob ich meines gnädigsten Kurfürsten und Herrn Befehl genug gethan?“ wandte sich der Scharfrichter dann an die Richter.

      „Du hast gethan, was dir befohlen wurde“, kam die Antwort.

      Krell wurde auf dem Dresdner Frauenkirchhof in der Gruft des Oberfeldzeugmeisters Caspar Voigt von Wierandt beigesetzt.

       Abb. 4: Krellstein auf dem Dresdner Jüdenhof Benutzer: SchiDD

      Nicht dem Recht, sondern der Rache hatte der Schwert-Streich des Henkers gedient, der den Neumarkt zu Dresden mit dem Blut eines Unschuldigen färbte, an der Stelle, an der noch bis in das Jahr 1945 ein Stein mit den eingemeißelten Buchstaben KR an ein Justizverbrechen des ausgehenden Mittelalters erinnerte.

       Abb.5: Buchillustration oder Flugblatt zur Verhaftung der Doktoren Christoph Gundermann, Nikolaus Krell und Urban Pierius (Birnbaum) unter dem Vorwurf des Calvinismus. Simultane Darstellung der Ereignisse in Leipzig, Dresden und Wittenberg, 1591/1592, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, HB 6375 (Nicolaus Crell ist im linken Medaillon oben dargestellt.)

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