ACT leicht gemacht. Russ Harris
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In allgemein verständlicher Sprache können wir sagen, dass jedes Verhalten sowohl eine positive Seite hat (zu Ergebnissen führt, die einen Nutzen oder Gewinn mit sich bringen) als auch von Kosten begleitet ist (Ergebnisse, die in irgendeiner Weise nachteilig oder schädlich sind).
Wenn die Kosten eines Verhaltens dazu führen, es mit der Zeit zu reduzieren oder es aufzugeben, dann nennen wir sie in technischer Sprache strafende Konsequenzen. Wenn der Klient zum Beispiel eine soziale Veranstaltung absagt, sich den Rest des Abends dann aber intensiv einsam und elend fühlt und als Folge davon anfängt, soziale Veranstaltungen weniger oft abzusagen, dann nennen wir das technisch eine strafende Konsequenz.
Wenn der Gewinn eines Verhaltens dazu führt, es aufrechtzuerhalten oder es mit der Zeit zu intensivieren, dann nennen wir das technisch verstärkende Konsequenzen. Wenn die Klientin zum Beispiel eine soziale Veranstaltung absagt und dadurch eine große Erleichterung spürt, und wenn dies dann dazu führt, dass sie in Zukunft häufiger absagt, dann ist das eine verstärkende Konsequenz.
Häufig ist es nützlich, Kosten und Gewinn in den Punkt der Entscheidung aufzunehmen. Zum Beispiel trägt der Therapeut in der nächsten Abbildung oben im Diagramm den Gewinn ein, um der Klientin verstehen zu helfen, warum er ihr problematisches Verhalten (also das Verhalten, das es verstärkt) aufrechterhält.
Häufig ist es sehr nützlich, sich auf diese Weise eine Übersicht über die Antezedenzien und Konsequenzen eines Verhaltens zu verschaffen, besonders wenn ein Klient sagt: »Ich verstehe nicht, warum ich das immer wieder mache.« Der technische Begriff für so eine Betrachtung ist Funktionsanalyse, lockerer ausgedrückt, Funktionen aufspüren. Wenn wir mit einer Klientin diesen Prozess durchlaufen, kann er bei ihr schnell zu mehr Bewusstsein führen und ihr wertvolle Einsicht in ihr Verhalten vermitteln: was es auslöst (Antezedenzien) und was es in Gang hält (verstärkende Konsequenzen).
Zugleich liefert dieser Prozess ein tolles Sprungbrett für therapeutische Interventionen. In der Abbildung oben können wir leicht Gedanken identifizieren, die das Ziel von Defusion sein sollten. Wir können Gefühle erkennen, denen wir mit Akzeptanz begegnen, und schwierige Situationen, denen wir mit wertegeleitetem Problemlösen, Zielsetzen und Handlungsplanung begegnen sollten (wozu das Training sozialer Fähigkeiten gehören würde, wenn der Klient auf diesem Gebiet Defizite aufweist).
Natürlich gibt es eine Menge mehr über funktionalen Kontextualismus zu sagen als dies, aber wir haben genug angesprochen, um anfangen zu können.
WAS SIE MITNEHMEN KÖNNEN
In der ACT verwenden wir ständig alle Konzepte, die in diesem Kapitel besprochen wurden. Zum Beispiel verwenden wir Achtsamkeit sowohl um die Bewusstheit der Antezedenzien zu steigern (das heißt, die Gedanken, Gefühle und Situationen wahrzunehmen, die das fragliche Verhalten auslösen), als auch um die Konsequenzen von Verhalten aufzuspüren (welche Wirkung es hat, kurzfristig wie auf lange Sicht). Wir verwenden auch Achtsamkeit und Werte, um Menschen zu helfen, die Weise zu verändern, wie sie auf Antezedenzien reagieren, sodass dieselben Situationen, Gedanken und Gefühle, die einmal Wegbewegungen ausgelöst haben, jetzt zu Antezedenzien für Hinbewegungen werden. Wenn wir in späteren Kapiteln die Kernprozesse der ACT besprechen, verknüpfe ich das, was wir tun, immer wieder mit diesen grundlegenden verhaltenstheoretischen Konzepten. Fürs Erste aber ist die Zeit der Kniffligkeiten vorbei.
TEIL II
Anfangen
5 Ausrichtung auf Erfolg
FIRST THINGS FIRST
Etwa die Hälfte aller Probleme, denen ich in Supervision begegne, geht darauf zurück, dass Therapeutinnen oder Therapeuten mit der ACT beginnen, ohne ihre Sitzungen wirklich zu planen. Wenn wir uns die Zeit nehmen, unsere Sitzungen vom ersten Schritt an gut vorzubereiten, bekommen wir wahrscheinlich viel bessere Ergebnisse. In diesem und dem nächsten Kapitel werde ich Ihnen also eine Reihe von Vorschlägen präsentieren, wie Sie genau dies tun können. (Und passen Sie dies natürlich wie alles andere, was Sie in diesem Buch lesen, so an, dass es zu Ihrer eigenen Arbeitsweise passt.
Die erste Sitzung
Therapeutinnen, die mit der ACT arbeiten wollen, kommen von den verschiedensten Richtungen und haben daher oft sehr unterschiedliche Vorstellungen von der ersten Sitzung. Viele Therapeuten führen beispielsweise gern zunächst ein Erstgespräch oder bieten »probatorische Sitzungen« an, bevor sie mit der »aktiven« Therapie beginnen. Dazu gehört, dass eine Anamnese erhoben wird, Fragebögen ausgefüllt und spezifische Tests zum Beispiel zur Messung der Gedächtnisleistung durchgeführt werden und ein Therapievertrag geschlossen wird. Therapeutinnen mit Erfahrung in Kurzzeittherapie ziehen es jedoch häufig vor, keine probatorische Sitzung abzuhalten, sondern steigen gleich bei der allerersten Begegnung in die therapeutische Arbeit ein. Beide Ansätze haben ihr Für und Wider, und dies ist nicht der Ort, sie zu diskutieren. Wenn also Ihre gegenwärtige Arbeitsweise Ihnen die Ergebnisse liefert, die Sie haben wollen, bleiben Sie dabei. In diesem Buch behandle ich die erste Sitzung als diejenige, in der sich Klient und Therapeutin zum allerersten Mal begegnen (das heißt, ich gehe davon aus, dass keine probatorische Sitzung vorausgegangen ist). Falls Sie anders arbeiten, modifizieren Sie alle folgenden Vorschläge so, dass sie eine probatorische Sitzung enthalten oder »strecken« Sie die erste Sitzung so, dass sie zwei Termine umfasst.
Das Ziel der ersten Sitzung besteht im Idealfall darin,
• einen engen Rapport aufzubauen
• informierten Konsens herzustellen
• eine Anamnese zu erheben
• Verhaltensziele zu vereinbaren.
Falls es die Zeit zulässt, können wir auch
• eine kurze Erlebnisübung machen
• eine einfache »Hausaufgabe« geben.
Bei rasch ansprechenden Klienten oder solchen mit einem sehr spezifischen Problem können die obigen Ziele oft alle in einer Sitzung erreicht werden. Bei weniger rasch ansprechenden Klientinnen oder solchen mit mehreren Problemen und einer komplexen Vorgeschichte sind wahrscheinlich eher zwei Sitzungen erforderlich, vor allem, wenn Sie sie auch noch Fragebögen ausfüllen lassen wollen.
Überdies darf nicht vergessen werden, dass der Aufbau von Vertrauen ein Thema sein kann, wenn Ihr Klient eine Geschichte von Trauma oder wiederholt Missbrauch und Verrat in nahen Beziehungen erlebt hat. In solchen Fällen wollen Sie vielleicht zunächst zwei, drei Sitzungen auf Anamnese und der Etablierung eines Rapports miteinander verwenden, um dem Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung Zeit zu geben.
In Kapitel 6 werden wir sehen, wie Sie Anamnese erheben und Verhaltensziele setzen, und in Kapitel 7 werden wir kurz erfahrungsorientierte Übungen und einfache Hausaufgaben vorstellen, die Sie in jeder Sitzung einsetzen können, auch schon in der ersten Sitzung. In diesem Kapitel fokussieren wir darauf, wie Sie einen Rapport aufbauen und informierten Konsens herstellen.
Aufbauen eines Rapports und den Regenbogen sehen
Die therapeutische Beziehung ist in der ACT von zentraler Bedeutung. Und eine der besten Möglichkeiten, wie man sie stärken kann, besteht darin, ACT im Therapieraum zu verkörpern.