MIND. Daniel Siegel
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Einige Akademiker betrachten den Geist als vom Gehirn unabhängig. Philosophen, Pädagogen und Anthropologen haben den Geist schon seit Langem als einen sozial konstruierten Prozess angesehen. Lange vor unserem modernen Verständnis des Gehirnes geschrieben, betrachten diese sozialorientierten Akademiker unsere Identität – von unserer inneren Wahrnehmung des Selbst bis zur Sprache, die wir gebrauchen – als ein Gefüge sozialer in den Familien und unserer Kultur eingebetteter Interaktionen. Sprache, Gedanken, Gefühle und unser Identitätsgefühl sind allesamt aus unseren Interaktionen mit anderen Menschen gewoben. Beispielsweise betrachtete der russische Psychologe Lev Vygotsky das Denken als einen internalisierten Dialog, den wir mit anderen geführt haben (Vygotsky, 1986). Der Anthropologe Gregory Bateson sah den Geist als einen aus der Gesellschaft sich entwickelnden Prozess an (Bateson, 1972). Und mein eigener Lehrer für fiktionales Schreiben, der Kognitionspsychologe Jerry Brunner, betrachtete Geschichten als etwas, das innerhalb von Beziehungen, die Menschen zueinander haben, entsteht (Brunner, 2003). Wer wir sind, ist, von diesen Standpunkten aus betrachtet, das Ergebnis unseres sozialen Lebens.
Und so haben wir zwei Modalitäten, den Geist zu betrachten, die selten eine gemeinsame Grundlage finden: Geist als eine soziale Funktion und Geist als eine neuronale Funktion (Erneling & Johnson, 2005). Jede Perspektive öffnet ein wichtiges Fenster in die Natur des Geistes. Sie dürfen nicht getrennt bleiben, will man das wahre Wesen des Geistes erkennen. Auch wenn die separierende Vorgehensweise für die Durchführung von Forschungsstudien üblich geworden ist oder Ergebnisse dadurch besondere Interessen oder Vorlieben von Wissenschaftlern eher unterstützen, ist das wahre Wesen des Geistes sowohl verkörpert wie auch relational.
Doch wie kann der Geist sowohl verkörpert als auch relational sein? Wie kann eine „Sache“, ein „Ding“ sich an zwei scheinbar verschiedenen Orten befinden?
Wie können wir diese beiden Aussagen über den Geist – als soziales oder neuronales Produkt – miteinander in Einklang bringen, die beide einer sorgfältigen Reflexion und einem Studium entspringen, dem sich Akademiker über viele Jahre gewidmet haben? Diese beiden Sichtweisen sind typisch für die getrennte Betrachtung des mentalen Lebens. Könnten sie nicht Teil ein und des gleichen Wesens sein? Gibt es einen Weg, ein System ausfindig zu machen, aus dem der Geist entstehen könnte, ein System, das verkörpert und relational sein könnte, eine Sichtweise, welche die innere neuronale und die interpersonelle soziale Sichtweise umschließt?
Warum dieses Buch über den Geist?
Zusammengefasst scheint unserem Gefühl nach die Auffassung, dass „der Geist das ist, was das Gehirn macht“, nicht die ganze Wahrheit zu sein. Wir müssen unseren Geist für das offen halten, was den Geist in seiner reichen Komplexität ausmacht. Subjektivität ist kein Synonym für Gehirnaktivität. Bewusstsein ist kein Synonym für Gehirnaktivität. Unser zutiefst relationales mentales Leben ist kein Synonym für Gehirnaktivität. Die Wirklichkeit des Bewusstseins und seine innere subjektive Textur und die interpersonelle soziale Natur des Geistes laden uns zumindest dazu ein, jenseits des Schwirrens neuronaler Aktivität innerhalb des Schädels, als der vermeintlich ganzen Geschichte vom Wesen des Geistes, zu denken.
Ich verstehe, dass dieser Zugang zum Geist sich von den vorherrschenden Sichtweisen der Mehrheit moderner Akademiker in der Psychologie, Psychiatrie und den Neurowissenschaften und von vielen zeitgenössischen Klinikern in den Bereichen der Medizin und der mentalen Gesundheit unterscheiden dürfte. Mein eigener zweifelnder Geist bereitet mir Sorgen im Hinblick auf diese Vorschläge.
Meine wissenschaftliche Ausbildung verpflichtet mich trotzdem dazu, diesen Fragen mit einem offenen Geist zu begegnen, und Optionen nicht vorzeitig auszuschließen. Meine Ausbildung als Arzt und Psychiater und meine Erfahrung als Psychologe seit über 30 Jahren haben mir gezeigt, dass der Geist jener, mit denen ich zusammengearbeitet habe, über den Schädel, ja, über die Haut hinausgeht. Der Geist ist in uns – innerhalb des ganzen Körpers – und er ist zwischen uns. Er ist zwischen unseren Verbindungen untereinander und sogar zwischen den Verbindungen, die wir zu unserer weiteren Umgebung, unserem Planeten haben. Die Frage, was das Wesen unseres mentalen Lebens wirklich sein könnte, ist für die Forschung offen. Das Wesen des Geistes bleibt, von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, immer noch ein nicht gelöstes Problem.
Das Ziel dieses Buches ist es, ein umfassenderes Verständnis dessen, was der Geist ist, in einer unmittelbaren und umfassenden Art und Weise zu eröffnen und anzugehen.
Meine Einladung an Sie besteht darin, sich im Hinblick auf diese Fragen im weiteren Verlauf einen offenen Geist zu bewahren. Diese Reise zum Wesen des Geistes könnte es erforderlich machen, dass wir, wenn wir uns tiefer in diese Ideen versenken, unsere eigenen Glaubensinhalte über den Geist überprüfen. Werden wir zu neuen Sichtweisen gelangen, die für Ihr eigenes Leben von Wert sind? Ich hoffe es, aber Sie werden sehen, was sich ergibt, wenn wir auf unserer bevorstehenden Reise vorankommen. Indem wir uns zusammen auf diese Erkundungsreise machen, könnten wir am Ende mehr Fragen als Antworten erhalten. Doch hoffentlich wird die Erfahrung beim Erforschen des Wesens des Geistes eine erleuchtende sein, selbst wenn wir uns darüber nicht einig werden oder zu letzten Antworten kommen.
Aus diesen und vielen anderen Gründen werden wir Erkundungen anstellen; wir könnten uns im Hinblick auf diese Frage nach dem Wesen des Geistes wünschen, einen offenen Geist zu bewahren – was immer dieser Geist letzten Endes auch offenbart und wo immer er sich zeigt. Dieses Gefühl, dass es mit dem Geist etwas mehr auf sich haben könnte, dass er mehr als eine bloße innerhalb des Schädels stattfindende Gehirnaktivität ist, soll das Gehirn nicht ersetzen, es vielmehr ergänzen. Wir verwerfen die Errungenschaften der modernen Wissenschaft nicht; wir erforschen sie tiefgehend, respektieren sie vollauf und erweitern sie möglicherweise, um eine umfassendere Wahrheit über das Wesen des Geistes aufzuzeigen. Wir eröffnen den Dialog auf eine wissenschaftliche Art und Weise, laden zur Erforschung des Geistes alle ein, einschließlich die Akademiker, Kliniker, Lehrer, Schüler, Eltern und jeden, der sich für den Geist und die mentale Gesundheit interessiert. Der Zweck dieser Reise ist es, hoffentlich Diskussionen auszudehnen, Einsichten zu vertiefen und das Verständnis zu erweitern.
Die Diskussion über Geist und mentale Gesundheit wird uns hoffentlich in die Lage versetzen, die Erforschung effektiver zu betreiben, die klinische Arbeit zu konzeptualisieren und zu leiten, Erziehungsprogramme zu erstellen, das Familienleben zu inspirieren, unser Verständnis unserer individuellen Lebenswege zu vertiefen und sogar die Gesellschaft zu formen. Die Erforschung hat das Potenzial, unser persönliches Leben zu stärken, das Wesen unseres Geistes zu erleuchten und uns aufzuzeigen, wie wir mehr Wohlbefinden in unserem Lebensalltag kultivieren könnten.
Unser modernes Leben überflutet uns häufig mit Informationen, bombardiert uns in digitaler Manier, verbindet uns aber auch rund um den Globus; während wir als eine moderne menschliche Spezies zugleich zusehends isoliert und verzweifelt, überwältigt und allein sind. Wer sind wir? Und was wird aus uns, wenn wir die Konsequenzen der Art und Weise, wie Energie und Informationen unser Leben überfluten, nicht gewissenhaft berücksichtigen? Jetzt ist es bedeutender denn je, dass wir den Kern menschlichen Lebens erkennen, das, was der Geist ist, und lernen, wie wir die Essenz mentaler Gesundheit kultivieren – dass wir wissen, was Wesentlich ist, um einen gesunden Geist zu schaffen.
Eine mögliche Strategie könnte darin bestehen, einfach ein neues Wort anstelle von Geist zu prägen und dann diesen neuen Begriff zu verwenden, um zu klären, woher und wie unsere interpersonellen