Der Gaslight-Effekt. Robin Stern

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Der Gaslight-Effekt - Robin Stern

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unerfreuliches Verhalten hinzunehmen – Sie halten diesen Mann für Ihren Seelenverwandten, Sie denken, er sei Ihren Kindern ein guter Vater, Sie glauben, seine Kritik an Ihnen sei berechtigt. Aber eigentlich wissen Sie auch, dass Sie so nicht behandelt werden wollen.

      Manchmal alterniert dieses problematische Verhalten mit der Glamour-Version oder dem Good Guy. Oder aber es ist so dominant, dass man diese Art Gaslighter als »Tyrannisator« bezeichnen kann. Melanies Mann Jordan ist zum Beispiel ein klassischer Vertreter dieses Typs. Als Melanie den Wildlachs für das Abendessen nicht finden konnte, schrie er sie an und drangsalierte sie mit zahllosen Fragen, auf die sie keine Antwort hatte. Dann sprach er stundenlang kein Wort mit ihr. So reagierte er immer, wenn ihm etwas an ihr nicht gefiel, und inzwischen zermürbten diese Attacken Melanie. Sie versuchte schon lange nicht mehr, sich zu rechtfertigen, wohl aber, seine Liebe zu gewinnen. Sie dachte immer noch, dass Jordans Anerkennung beweisen würde, was für eine starke, kluge, kompetente Frau sie doch war. Diese Frau verdiente ein gutes und schönes Leben. Jordans Zurückweisung dagegen war der ultimative Beweis, dass sie wertlos war.

      Haben auch Sie es mit einem Gaslighter vom Typ Tyrannisator zu tun? Sehen Sie selbst, ob Ihnen folgende Situationen bekannt vorkommen.

      SIND SIE AN EINEN TYRANNISATOR GERATEN?

       Demütigt er Sie oder behandelt Sie verächtlich, sowohl vor anderen als auch unter vier Augen?

       Nutzt er Schweigen als Waffe, um sich durchzusetzen oder Sie zu bestrafen, wenn ihm etwas missfällt?

       Kriegt er regelmäßig oder gelegentlich Wutanfälle?

       Haben Sie in seiner Gegenwart oder bei dem Gedanken an ihn Angst?

       Haben Sie das Gefühl, er verhöhnt Sie, entweder offen oder mit einem nachgeschobenen »war nur Spaß« oder »kleiner Scherz«?

       Droht er offen damit, Sie zu verlassen, wenn ihm etwas an Ihnen missfällt? Oder deutet er an, dass er Sie verlassen könnte?

       Weckt er regelmäßig oder gelegentlich Ihre schlimmsten Ängste in Bezug auf sich selbst? Nach dem Motto »Jetzt geht das wieder los – dass du immer so fordernd sein musst!« oder »Siehst du – du bist genau wie deine Mutter!«.

      An einen Tyrannisator zu geraten kann, gelinde gesagt, eine Herausforderung sein. Damit Ihre Partnerschaft besser wird, müssen Sie beide an zweierlei arbeiten: dem Gaslighting und den Einschüchterungen, die auch ohne das Gaslighting unerfreulich genug sind. Der Tyrannisator müsste seine Einstellung zu Beziehungen ändern – und Sie müssten an Ihrer Fähigkeit arbeiten, seinen Drohungen zu widerstehen. Denn es geht darum, nicht immer gleich nachzugeben, um dem Unerfreulichen aus dem Weg zu gehen.

      Warum ist das Gaslighting so weitverbreitet? Warum stecken so viele kluge, starke Frauen in lähmenden Beziehungen fest, im Vergleich zu denen Ehen aus Fernsehserien der Fünfziger geradezu fortschrittlich wirken? Warum kämpfen so viele Männer und Frauen damit, sich von eindeutig manipulativen und oft auch grausamen Arbeitgebern, Familienmitgliedern, Ehepartnern und Freundschaften zu lösen? Warum ist es so schwer geworden, die Wahrheit über diese Beziehungen zu erkennen?

      Ich glaube, es gibt drei Hauptgründe für grassierendes Gaslighting. Es handelt sich um eine Reihe wichtiger Erkenntnisse, die unsere Kultur betreffen und über unsere persönlichen Gründe hinausreichen, aus denen wir in Gaslighting-Beziehungen ausharren.

       Der tief greifende Wandel in der Rolle der Frau – und die Gegenreaktion darauf

      Beim Betrachten der Beziehungen zwischen Männern und Frauen – sowohl romantischer als auch beruflicher Natur – darf man nicht vergessen, dass sich die Rolle der Frau rasch und unversehens gewandelt hat. Das letzte Mal hat sich die Rolle der Frau drastisch im Zweiten Weltkrieg verändert, als viele Frauen plötzlich zu Arbeitskräften wurden, um die Stellen der Männer zu besetzen, die zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Die Antwort Hollywoods auf die neue wirtschaftliche Macht der Frauen bestand in der Produktion diverser »Gaslight«-Filme, zu denen eben auch der Film mit diesem Originaltitel zählt, mit Ingrid Bergman und Charles Boyer in den Hauptrollen. Da schaffen es dann kraftstrotzende Charmebolzen, starken, aber verletzlichen Frauen die eigene Perspektive auszureden. Diese Art Beziehung schien die abrupten Veränderungen in den Erwartungen und Erfahrungen beider Geschlechter widerzuspiegeln. In den Vierzigern genauso wie heute hatten Frauen plötzlich privat und beruflich eine neue Unabhängigkeit – ein Rollenwandel, den sie genau wie die Männer bedrohlich finden mochten. Trotz der neuen Freiheit zu arbeiten, ins Büro zu gehen und ganz allgemein am öffentlichen Leben teilzuhaben, wünschten viele Frauen sich bis zu einem gewissen Punkt eine traditionelle Partnerschaft – einen starken Mann, der ihnen Halt und Orientierung bot. Und viele Männer fühlten sich latent bedroht von den neuen Forderungen der Frauen nach Gleichberechtigung in Partnerschaft und Beruf.

      Darauf reagierten manche Männer meiner Meinung nach mit dem Versuch, eben die starken, klugen Frauen zu kontrollieren, zu denen sie sich hingezogen fühlten. Und manche Frauen reagierten mit einer gezielten »Umprogrammierung« ihrer selbst. Sie suchten die starke Schulter nicht nur in emotionaler Hinsicht, sondern auch als Hilfe zur Selbstwahrnehmung – »wo ist mein Platz auf dieser Welt?« So entstand eine komplette Generation Gaslighter auf der einen, Gaslighting-Opfer auf der anderen Seite.

      Paradoxerweise hat auch die Frauenbewegung, die mehr Freiheiten brachte, den Druck auf viele von uns erhöht, stark, erfolgreich und unabhängig zu sein – die Art Frau also, die theoretisch gegen jede Form des Missbrauchs immun ist. Weshalb sich Frauen doppelt schämen, wenn ihre Beziehung von Gaslighting oder anderen Formen emotionalen Missbrauchs betroffen ist: zum einen, weil sie eine schlechte Beziehung führen, zum anderen, weil sie ihre selbst gesteckten Ziele wie Stärke und Unabhängigkeit nicht erreichen. Welche Ironie: Da sind eben die Ideen, die sie als Frau unterstützen sollten, für viele Frauen der Grund, nicht um Hilfe zu bitten.

       Individualismus nimmt zu – und führt zu mehr Isolation

      Traditionelle Gesellschaften mochten nicht viele Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung bieten, aber sie versorgten die meisten Menschen mit einem dichten Beziehungsgeflecht. Ich will nicht behaupten, dass Frauen in ihrer Ehe nicht auch isoliert sein konnten. Aber sie hatten tendenziell Zugang zu weitverzweigten Familienkreisen. Und zu sozialen Ritualen, die sie zu einem Teil des großen Ganzen machten. Selbst noch in der modernen Industriegesellschaft hatten sowohl Männer als auch Frauen viel mehr Zugang zu sozialen Netzwerken – Verbände, Vereine, Kirchen, Volksgruppen. Das war noch vor wenigen Jahrzehnten so. Bis zu einem bestimmten Punkt waren Menschen Teil einer größeren Gemeinschaft, in der jeder Einzelne – sogar der Ehepartner oder Arbeitgeber – in einem übergeordneten Zusammenhang gesehen werden konnte.

      Bei dem jetzigen hohen Grad an Mobilität und dem Konsumdenken in der Gesellschaft neigen wir dazu, uns sozial zu isolieren. Wir verbringen viele Stunden in der Arbeit, oft mit wechselnden Kollegen, und unsere Freizeit verbringen wir in der Regel zurückgezogen – mit dem Partner oder einigen wenigen Freunden statt in der Kirchengemeinde, im Verein oder beim Gemeindetreff. In diesem Kontext kann ein Einzelner enormen Einfluss ausüben, denn wir sind abgeschnitten von Informationsquellen und Orientierungshilfen. Da wird der Partner zur anscheinend einzigen Quelle der Zuwendung, der Arbeitgeber scheint fast unbegrenzte Macht über den Zugang zu Wertschätzung zu haben, die Freundin ist vielleicht einer der wenigen Sozialkontakte in einem geschäftigen und isolierten Dasein. Also konzentriert sich unser Bedürfnis nach Anerkennung auf diese Beziehungen. Sie sollen vervollständigen oder definieren, wer oder was wir sind. In traditionellen Gesellschaften hätten wir eine ganze Bandbreite an sozialen Kontakten, die uns helfen würden, uns stabil und verwurzelt zu fühlen. Heutzutage haben wir oft nur einen Menschen – Partner, Freundin oder Familienmitglied –

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