Der Gaslight-Effekt. Robin Stern

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Der Gaslight-Effekt - Robin Stern

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bist, so wie deine Schwester«. Statt stillschweigend darüber hinwegzugehen oder den Spieß umzudrehen, glauben Sie alles, weil Sie unbedingt zur Familie gehören wollen. Und Ihre Zustimmung scheint der Preis für diese Zugehörigkeit zu sein. Oder Sie sollen sich mit einem Geschwisterteil, Elternteil oder anderem Verwandten gegen den Rest der Familie verbünden, als würden Sie beide eine eigene Welt teilen, die sonst niemand versteht. Auch damit will man Sie ködern. Und wenn der Glamour-Gaslighter dann darauf besteht, dass Sie sich seiner Meinung anschließen, dann lenken Sie ein. »Du bist so ein Schussel«, sagt da die Mutter, Schwester oder Lieblingscousine. Sie teilen diese Einschätzung nicht, sind genau genommen sogar beleidigt. Aber dieses Wirgefühl behagt Ihnen. Also halten Sie sich auch für ein bisschen schusselig, weil dann das Band bestehen bleibt.

      Man sieht, dass in allen Beispielen das Gaslighting nach der gleichen Masche abläuft: Jemand anderes besteht darauf, dass Sie sich einer Ansicht anschließen, von der Sie wissen, dass sie nicht wahr ist. Was tun Sie? Sie versuchen, sich vom Gegenteil zu überzeugen, um die Anerkennung Ihres Gegenübers zu erlangen. Sie wollen die Beziehung erhalten, weil es sich gut anfühlt. Sie sind etwas Besonderes, Sie werden geliebt, Sie sind tüchtig. Ihr Verlangen nach Anerkennung von außen lässt Sie in dieser Abhängigkeit ausharren.

       2. Der Good-Guy-Gaslighter: Was stimmt bloß nicht?

      Meine Patientin Sondra war durcheinander. Sondra war Mitte 30, eine rothaarige Frau mit auffallend grünen Augen. Auf den ersten Blick schien sie die perfekte Ehe und das perfekte Leben zu führen. Sie und ihr »perfekter Ehemann« hatten drei hübsche Kinder. Sie liebte ihren Job als Sozialarbeiterin. Sie war umgeben von Freunden und Kollegen. Obwohl sie und Peter – ebenfalls ein Sozialarbeiter – wie alle berufstätigen Eltern viel um die Ohren hatten, war Sondra immer stolz darauf gewesen, dass sie alles gemeinsam machten, auch den Haushalt und die Kinder.

      Aber Sondra war zunehmend unzufrieden – und das ohne ersichtlichen Grund, wie sie mir versicherte. Ihren Gefühlszustand beschrieb sie als »erstarrt«. In den letzten drei Jahren war sie sich immer »kälter und kälter« vorgekommen, als ob nichts mehr wirklich zähle. Auf meine Frage, wann sie das letzte Mal so richtig fröhlich gewesen sei, blickte sie bekümmert drein. Der Ausdruck wich schnell der üblichen, maskenhaften Ruhe. »Ich kann mich wirklich nicht erinnern«, sagte sie mir. »Ist das ein schlechtes Zeichen?«

      Im Lauf unserer Gespräche begann Sondra, etwas anders über ihren Mann zu sprechen. Ich bekam mit, dass er sich ihr und den Kindern gegenüber oft nett verhielt. Und in mancherlei Hinsicht konnte man sagen, dass Sondra ihren Willen bekommen hatte. Aber ich erkannte auch, dass Peter aufbrausend war und dass seine Familie sich alle Mühe gab, ihn möglichst nicht zu provozieren. Obwohl Sondra bereit war, ihm Paroli zu bieten, wusste sie nie, wann es zum Streit kommen würde und wann nicht. Aufgrund dieser ständigen Wachsamkeit war sie ausgelaugt, auch wenn Peter einmal nicht austickte. Obwohl sie darauf beharrte, eine gute Ehe zu führen, schienen die Konfrontationen mit Peter sie zu erschöpfen und zu bedrücken.

      »Mal angenommen, ich muss abends zu einem Treffen mit Kollegen«, erzählte sie mir. »Peter hat am gleichen Abend ebenfalls einen beruflichen Termin. Und wir haben einfach niemanden für die Kinder. Dann geht es stundenlang hin und her, wessen Treffen wichtiger ist. Und irgendwann fühle ich mich dann nur noch ausgelaugt. Peter sagt dann immer so Sachen wie: ›Bist du sicher, dass du da hinmusst? Du zerbrichst dir doch immer den Kopf wegen irgendwelcher Kleinigkeiten.‹ Oder: ›Denk doch mal an das Treffen neulich. Da dachtest du auch, du musst hin. Musstest du aber gar nicht. Bist du sicher, dass das hier nicht auch so ein Fall ist?‹ Am Ende ›gewinne‹ ich vielleicht sogar und darf gehen. Dann sieht Peter mich an, nach dem Motto: ›Na, zufrieden? Du hast schließlich gewonnen!‹ Aber ich bin dann nie zufrieden. Nur erschöpft.«

      Sondra, schien es mir, hatte es mit einem Gaslighter vom Typ »Good Guy« zu tun. Dieser Typ will unbedingt vernünftig und »gut« wirken, ist aber trotzdem zwanghaft darauf angewiesen, seinen Kopf durchzusetzen. Mein alter Freund und Kollege, der Psychotherapeut Lester Lenoff, hat dafür den treffenden Ausdruck »vorgetäuschte Übereinstimmung« geprägt. Nach außen wirkt etwas wie Zustimmung, aber dahinter verbirgt sich Geringschätzung. Es schien, als respektiere Peter Sondra. Aber die ganze Zeit deutete er an, sie wisse vielleicht gar nicht, wovon sie spreche, oder sie mache sich vielleicht einfach zu viele Gedanken. Im Grunde spürte Sondra diesen Mangel an Respekt und Achtung in der Diskussion – und deshalb war sie auch frustriert, ob sie sich nun durchsetzte oder nicht.

      Haben Sie es mit einem Typ dieses Kalibers zu tun, wird Sie das oft verwirren. Irgendwie spüren Sie vielleicht, dass Sie abgespeist oder übergangen werden – dass Ihre Wünsche und Bedürfnisse nie wirklich eine Rolle spielen. Aber man kann nie genau benennen, was hier nicht stimmt. Wer hatte nicht schon mit Menschen zu tun, bei denen sich etwas einfach »falsch« anfühlte. Auch wenn wir nicht genau sagen konnten, was. Der Chef, der uns anscheinend eine positive Beurteilung gibt. Trotzdem sind wir völlig verunsichert. Die Freundin, die schon so viel für uns getan hat – aber irgendwie findet man einfach nicht die Zeit, sie zu treffen. Der Partner, den wir »eigentlich« anhimmeln müssten und der theoretisch so toll ist – und doch stört uns etwas an ihm. Die Verwandte, die eine wahre Heilige ist – und doch verlassen wir ihr Haus immer schlecht gelaunt und deprimiert.

      Oft sind diese verwirrenden Erfahrungen ein Hinweis auf Gaslighting: Ihr Wirklichkeitssinn wird untergraben oder geleugnet. Dahinter steht ein Gaslighter, der zwanghaft recht haben muss. Aus solch einem Gespräch nehmen Sie keinen positiven Impuls mit, sondern den unterschwelligen Vorwurf »Ich hab recht und du nicht!«. Und dann geben Sie mal wieder nach, ohne genau zu wissen, warum. Oder Sie bekommen, was Sie wollen, sind aber nicht zufrieden. Sie sind sich zwar nicht sicher, worüber Sie sich beschweren sollten, merken aber, dass etwas nicht stimmt. Wie Sondra fühlen Sie sich erstarrt, ohnmächtig und unglücklich. Und das »Warum« nicht zu kennen deprimiert Sie noch mehr.

      Die Erklärung ist ganz einfach. Der Gaslighter ist vollauf damit beschäftigt, seine rechthaberische Sicht zu verteidigen. Er muss hier und da nett sein. Aber nicht, weil er Sie mag. Er versucht nur verzweifelt, sich zu beweisen, was für ein guter Kerl er ist – ein »Good Guy«. Deshalb fühlen Sie sich einsam, ohne zu wissen, warum. Aber Sie wollen unbedingt eine gute Meinung von ihm haben, und er soll eine gute Meinung von Ihnen haben. Also ignorieren Sie Ihren Frust. Vielleicht machen Sie es sogar wie Sondra: Wer »erstarrt« ist, fühlt nichts.

      SIND SIE AN EINEN GOOD-GUY-GASLIGHTER GERATEN?

       Arbeitet er zielstrebig daran, Ihnen und anderen gefällig zu sein?

       Bietet er Hilfe, Unterstützung oder Kompromisse an, die bei Ihnen irgendwie Frust oder eine vage Unzufriedenheit auslösen?

       Ist er bereit, mit Ihnen Absprachen zu Haushalt, Freizeit und Arbeit zu treffen, und doch haben Sie das Gefühl, nie wirklich »gehört« zu werden (obwohl Sie vermutlich bekommen haben, worum Sie baten?).

       Haben Sie das Gefühl, nie ganz das zu bekommen, was Sie wollen, ohne genau benennen zu können, worüber Sie sich eigentlich beschweren müssten?

       Würden Sie Ihre Partnerschaft als richtig gut beschreiben und sich doch im Allgemeinen irgendwie matt, teilnahmslos oder entmutigt finden?

       Fragt er Sie, wie Ihr Tag war, hört Ihnen aufmerksam zu und klingt mitfühlend, und Sie fühlen sich nach den meisten dieser Gespräche trotzdem vage schlechter als vorher?

       3. Der »Tyrannisator«: Zuständig für Schikanen, Schuldgefühle und Liebesentzug

      Verbirgt sich das Gaslighting hinter viel Glamour oder vorgetäuschter Gutmütigkeit, ist es oft schwer zu erkennen. Denn ein Großteil des zugehörigen Verhaltens wäre unter anderen Umständen ja sehr willkommen. Eine andere Art des Gaslightings ist jedoch eindeutig problematisch:

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