Hochsensibel ist mehr als zartbesaitet. Sylvia Harke
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Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum Sie bestimmte Situationen suchen und andere eher vermeiden? Alles hat mit der Reizverarbeitung im Nervensystem zu tun. Diese ist bei Hochsensiblen besonders speziell. Dazu betrachten Sie folgende Grafik. Auf einer Skala von 0 bis 100 sehen Sie die Intensität der Erregung des Nervensystems. Je weiter der Pfeil nach oben geht, umso höher ist das Erregungsniveau. Damit verbunden sind unterschiedliche Zustände, die wir subjektiv benennen können, wie zum Beispiel Langeweile oder Flow. Die Wellen-Kurven stellen Erregungsverläufe über die Zeit dar.
Das schmale Wohlfühl-Fenster zwischen Langeweile und Übererregung
Es scheint so zu sein, dass Hochsensible ein besonders schmales Fenster für ein mittleres Erregungsniveau haben, das sich zwischen Langeweile und Übererregung befindet. Das bedeutet, dass Situationen, die für Sie gerade noch anregend wirkten, schnell in ein Überforderungsgefühl umschlägen können. Dieses Phänomen wird durch Überstimulation verursacht. Die Schwelle zwischen angenehmer Erregung und Überstimulation kann bei HSPs schnell überschritten werden. Diese merkwürde Erfahrung betrifft Sie besonders, wenn Sie zu den extrovertierten HSPs, den High Sensation Seeker oder zu den Hochbegabten gehören. Sie suchen neue Erfahrungen, um der Langeweile zu entfliehen. Stellen Sie sich zum Beispiel einen hochsensiblen Künstler vor, der sich nach Abwechslung sehnt und Inspiration durch Reisen ins Ausland sucht, nur um festzustellen, dass ihn die fremde Umgebung überanstrengt. Oder denken Sie an einen extrovertierten, hochsensiblen Außendienstmitarbeiter, der sich viele Termine macht oder neue Herausforderungen sucht, weil er sich sonst langweilt. Doch nach der Euphorie des Erfolgs fällt er in eine Erschöpfungsphase, weil sein Nervensystem zu viel Energie verbraucht hat. Besonders bei fehlenden Rückzugs- und Regenerationsmöglichkeiten macht sich dieses Phänomen bemerkbar. Es ist besonders bitter, wenn die Erschöpfung durch Tätigkeiten verursacht wird, die uns viel Spaß machen. Deshalb wollen wir HSPs uns dieser Tatsache oftmals nicht stellen bzw. sind uns die Zusammenhänge zunächst nicht bewusst.
Was bedeutet glücklich sein?
Unser Erleben von Glück fängt beim Zustand von Flow (1) an, in dem wir das Gefühl von Zeit und Raum verlieren, etwa beim Hören von Musik, beim Spazierengehen in der Natur, beim Malen, beim Sex und in anderen kreativen Tätigkeiten. Das Glücksgefühl kann sich noch bis zum Rausch steigern, z.B. bei sehr ekstatischen Zuständen wie akutem Verliebtsein.
Einheits- und Gipfelerfahrungen
Hochsensible sind aufgrund ihrer durchlässigen Wahrnehmung und ihrem „entgrenzten Ich“ prädestiniert dafür, erweiterte Bewusstseinszustände zu erfahren. Dies kann unwillkürlich durch Naturerfahrungen, Musik und Kunst geschehen. Unser Körper ist aus sich selbst heraus in der Lage, höhere Bewusstseinszustände zu erzeugen. Dies lässt sich anhand von Gehirnströmen im Labor nachweisen. In alten Kulturen wurden seit Jahrtausenden verschiedenste Techniken entwickelt, um in höhere Bewusstseinsebenen vorzudringen. Dazu gehören insbesondere Yoga, Tanz, Trance, stundenlanges Trommeln, Obertonsingen, Fasten, der Aufenthalt in dunklen Höhlen oder die Einnahme von bewusstseinserweiternden Drogen. Diese Methoden wurden von Schamanen, Priestern und Orakeln verwendet, um Erkenntnisse zu sammeln oder Heilung für Hilfesuchende zu bewirken. Möchten Sie selbst traditionelle Verfahren kennenlernen? Besuchen Sie Gruppen, die von erfahrenen Personen geleitet werden. Sobald das normale Ich-Bewusstsein zurückgelassen wird, können Menschen Einblicke in höhere, kosmische Zusammenhänge erlangen und eine tiefgreifende Veränderung in ihrer eigenen Persönlichkeit erfahren. In diesen Momenten verlieren sie die gewohnte Orientierung, Zeitlosigkeit wird erfahrbar. Der Bezug zum Körper kann sich vollständig verändern. Dies geschieht, wenn das Bewusstsein in den nonlokalen Zustand eintritt. In diesen Räumen sind sie Beobachter, schwebendes Gewahrsein, frei und flexibel. Sie tauchen in den Makrokosmos des Universums ein oder in den Mikrokosmos der Quantenströme jenseits aller Materie. Viele Menschen werden in diesen Augenblicken von unendlicher Liebe durchströmt und erhaschen einen Blick darauf, was sie nach dem physischen Ableben erwarten wird. Sie finden Antworten auf ihre Fragen und Inspirationen für Kunst und Wissenschaft.
Rückkehr in den alltäglichen Bewusstseinszustand
Nach einem Gipfel- oder Einheitserlebnis fällt es uns oft schwer, wieder zurück in den Alltag einzutauchen. Für Hochsensible ist es wichtig, sich regelmäßig zu erden, Sport zu treiben oder sich durch Gartenarbeit mit der Natur zu verbinden. Diese Tätigkeiten sind hilfreich, um wieder alltagstauglich zu werden. Unvermutet lauert irgendwo nach solchen Höhenflügen die Übererregung. Wir fühlen uns fertig, überdreht oder einfach nur erschöpft. Man kann diese Phasen bei erfolgreichen Menschen beobachten, die längere Zeit im Flow und Erfolg leben und danach in eine Erschöpfungsphase geraten, obwohl sie die ganze Zeit davor glücklich und produktiv waren. So holt sich der hochsensible Körper seine Ruhepausen zurück. Das Ganze können Sie sich wie eine Wellenbewegung vorstellen.
Die Suche nach der optimalen Erregungskurve
Oft genug überfordern wir uns selbst in dem Versuch, der Langeweile zu entfliehen, indem wir uns in unserer Arbeit immer wieder neu erfinden wollen. So stressen wir uns nur, ohne es zu bemerken. Viele Konflikte am Arbeitsplatz und in Beziehungen haben mit den unterschiedlichen Erregungsniveaus von Menschen zu tun. Sein eigenes Fenster optimaler Erregung zu kennen und die Warnsignale zu wissen, die den Übergang von Flow zu Übererregung kennzeichnen, wird Ihnen dabei helfen, bewusster zwischen diesen unterschiedlichen Zuständen hin und her zu surfen. Je mehr Sie es schaffen, Schwankungen von einem Extrem ins andere zu vermeiden, umso stabiler werden Sie sich fühlen. Kick-Sucher, wie die High-Sensation-Seeker werden der Versuchung, höhere Erregungszustände zu erleben, kaum widerstehen können. Durch den Rausch intensiver Erfahrungen werden, ähnlich wie beim Drogenkonsum, viele Neurotransmitter verbraucht, weshalb irgendwann die Phase der inneren Leere kommen wird. So wie Ikarus, der zu nah an die Sonne geflogen ist, stürzen wir nach intensiven Höhenflügen wieder ab. Bei weniger ausgeprägten Erregungskurven bedeutet es, dass wir zwischen Phasen der Langeweile und Überforderung hin- und herpendeln.
Unterschiedliche Bedürfnisse
Deutlich unterscheidbar werden Erregungsmuster, wenn wir mit Menschen zusammen leben und arbeiten, die unterschiedlich starke Stimuli brauchen, um ihr optimales Erregungsniveau zu erreichen. Der eine braucht sich nur an Blumen und Düften zu berauschen, während der andere Hardrockmusik hört, dazu Kaffee trinkt und eine Zigarette raucht. Viele Hochsensible fühlen sich durch Kaffee überdreht und bevorzugen feinere Stimulantien, wie grünen Tee. Oder denken Sie an Situationen in Beziehungen. Vielleicht suchen Sie im Urlaub nach einem lauschigen Plätzchen am Meer mit Blick in die Ferne, während Ihr (nicht hochsensibler) Partner die nächste Großstadt besuchen will, um Sie dort von einem Museum in die nächste Bar zu schleppen. Ganz schnell sind Konflikte vorprogrammiert. Auch die Gratwanderung im Sex vom Flow zur Überstimulation ist bei Hochsensiblen besonders schmal. Da sich HSPs durch Kunst, seelische Innigkeit und geistigen Austausch intensiv mit dem Partner verbunden fühlen, kennen sie zahlreiche subtile Ebenen der Intimität. Allzu starke körperliche Stimulation kann in ein unangenehmes Gefühl umschlägen, weshalb Hochsensible in der Sexualität eher feinere Berührungen mögen. Aus dieser Besonderheit können Partnerschaftsprobleme entstehen, wenn beide Partner unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Finden Sie eine Balance zwischen höheren Erregungszuständen und Entspannung!
Seien Sie sich bewusst, dass jeder Mensch in der Grafik andere Umgebungen und Tätigkeiten eintragen wird, um zu unterschiedlichen Zuständen in seinem Erregungsniveau zu gelangen. Bedenken Sie, dass Sie als Hochsensibler regelmäßige Ruhephasen benötigen,