Hochsensibel Was tun?. Sylvia Harke
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1984 wurde ich eingeschult. Das sozialistische Kollektiv nahm weiterhin Einfluss. Als Jungpionier mit blauem Halstuch kam ich, wie alle anderen Kinder auch, in regelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen in Uniform zur Schule. Meine Schulleistungen waren von Anfang an hervorragend. Nach Schulschluss empfand ich jedoch ein Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe, das mir selbst merkwürdig erschien. Ich war ein schmächtiges und häufig kränkelndes Kind, jedoch immer sehr wissbegierig, neugierig und lerneifrig. Die Trennung meiner Eltern hatte ich weitestgehend verdrängt (nicht verarbeitet) – ich funktionierte sehr gut im Alltag. Ich würde mich heute als überangepasstes Kind beschreiben, damals schon kam mein Harmoniebedürfnis zum Vorschein. Meine beste Freundin und ich waren bis zur Pubertät unzertrennlich, wenngleich wir mit zunehmendem Alter immer unterschiedlicher wurden.
1989 änderte sich das Schicksal aller DDR-Bürger. Die „Wende“ veränderte unser Leben von Grund auf. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwölf Jahre alt. Meine Mutter wurde arbeitslos, wie Millionen andere auch, und nach und nach kristallisierte sich immer deutlicher meine Andersartigkeit heraus. Als Pubertierende war ich eine totale Spätzünderin. Während andere Mädchen schon längst Freunde hatten, wirkte ich immer noch kindlich und unreif. Die politischen Veränderungen stellten unser Leben völlig auf den Kopf.
1991 starb meine Oma an Krebs, was mir das Herz brach. Jeden Tag nach der Schule war ich zu ihr gegangen, sie war der zentrale Stützpfeiler der ganzen Familie gewesen. Eine unbeschreibliche Trauer erfüllte mich und die gesamte Familie. Diese erneute Konfrontation mit Trennung und Abschied stimmte mich sehr nachdenklich, ich wurde introvertiert und zum Bücherwurm. Ich las Bücher über das „Leben nach dem Tod“ und begann, mich für Religion zu interessieren. So verschlang ich ein Buch nach dem anderen, was normalerweise Menschen in einer Midlifecrisis lesen würden. Kurz darauf wurde ich Vegetarierin. In der Schule verwickelte ich Mitschüler in Diskussionen zum Waldsterben, über Plastikflaschen und zum Thema Massentierhaltung.
1994 Meine Außenseiterrolle verfestigte sich, und auch der Kontakt zu meiner besten Freundin brach ab. Ich lebte in einer anderen Welt. Meine Lieblingsserien waren „Raumschiff Enterprise“, „Anne auf Green Gables“ und später „Dr. Quinn“. Teilweise fühlte ich mich in den Serien mehr zu Hause als in meinem eigenen Leben. Obwohl ich im Nachhinein erkenne, dass niemand in der Schule mir etwas Böses wollte, hatte ich als Jugendliche den Anschluss an die anderen verloren. Verliebt war ich nur in Jungs, die mir unerreichbar wie ein Traum blieben. In dieser Zeit begann auch die Leidenschaft für das Schreiben und Dichten. Ich hatte angefangen, Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben, um meine Gefühle zu sortieren. Bereits zu dieser Zeit war ich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.
1996 machte ich mein Abitur mit Spitzennoten und konnte mich somit für das Psychologiestudium in Magdeburg qualifizieren. Mit 18 Jahren zog ich aus und kam in einer Großstadt an. Mein Leben veränderte sich erneut komplett. Ich lebte in einer WG, in einem Haus, in dem nur Studenten wohnten. Ich lernte neue Menschen kennen und schloss viele Freundschaften. Auf Partys beobachtete ich, dass ich unter Menschen schnell angespannt war, meine Unsicherheit begleitete mich. Das theoretische Lernen war für mich nie das Problem, doch im Umgang mit Beziehungen war ich weiterhin sehr unsicher und schüchtern.
1999 wusste ich, dass ich nicht einfach so weiterstudieren könnte, ohne Selbsterfahrung zu machen. Also schrieb ich mich für eine Ausbildung für Atemtherapie in Berlin ein. über ein Jahr lang fuhr ich regelmäßig in die Hauptstadt. Seit dieser Zeit beschäftige ich mich ebenfalls mit dem Thema Geburtsprägung. Dazu schreibe ich an anderer Stelle in diesem Buch mehr. Ich fand Zugang zu meinen verschütteten Gefühlen von Trauer, Einsamkeit, Schmerz, gleichzeitig aber auch zu meiner Lebensfreude. Dadurch lernte ich, mich tiefer auf Beziehungen einzulassen. Von da an konnte ich erste Erfahrungen in Kurzbeziehungen mit Männern sammeln, aber die ersehnte stabile Beziehung ließ noch auf sich warten. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich mich besonders von hochsensiblen Männern angezogen fühlte. Das Studium ging vorüber, und ich machte ein halbjähriges Praktikum an einer psychosomatischen Klinik in Kassel. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch Mühe, mich richtig von anderen Menschen abzugrenzen.
2001 beendete ich mein Studium. Ich war 23 Jahre alt und hatte viele Ideen im Kopf, was ich beruflich machen könnte. Meine künstlerische Veranlagung, die ich von meinem Vater geerbt hatte, machte sich Luft, ich träumte von einem zweiten Studium in der Kunst, was ich jedoch nicht umsetzte. Schon immer hatte ich eine starke kreative Ader gehabt, die ich durch die Arbeit mit dem Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron immer weiter ausbaute. Ich malte mit Acryl, auf Seide, gestaltete Mandalas und schrieb an einem fragmentarischen Roman. Gleichzeitig wollte ich therapeutisch arbeiten, war allerdings wesentlich zu jung, entsprechend erhielt ich lauter Absagen aus Kliniken.
2002, nach zahlreichen frustrierenden Absagen auf meine Bewerbungsbemühungen hin (eine Karriere an der Uni kam für mich nicht infrage), erhielt ich ein Jobangebot am Bodensee. In einem Sozialprojekt für jugendliche Schulabgänger ohne Ausbildung startete ich meine berufliche Laufbahn als Psychologin. Ich musste mich allerdings dafür von meiner liebgewonnenen neuen Heimat Magdeburg verabschieden und begann ganz neu in Baden-Württemberg. Es folgten einige Jahre am schönen Bodensee.
2003 lernte ich meinen heutigen Ehemann Arno kennen – endlich erfüllte sich mein Traum von einer stabilen, liebevollen Beziehung mit einem Partner. Auch mein Mann ist hochsensibel, wie sich später herausstellte. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich in Konstanz. Das Wasser hat bis heute eine beruhigende Wirkung auf meine Nerven. Kurz nach unserem Kennenlernen starb mein Vater überraschend im Alter von 52 Jahren. Seit meinem 20. Lebensjahr hatte ich wieder eine Beziehung zu ihm aufbauen können. Ich verlor ihn ein zweites Mal, der Schmerz brauchte ein Jahr, bis ich ihn richtig realisieren konnte. Durch eine mystische Erfahrung im Zug drei Tage vor seinem Tod mit einem unbekannten Mann, der mich an meinen Vater erinnerte, war ich auf seltsame Weise vorgewarnt. Ich begann daher, mich noch intensiver mit Naturheilkunde zu beschäftigen, und vertiefte meine Studien zu ganzheitlichen Heilmethoden. Meine spirituelle Suche führte mich immer tiefer zu mir selbst, ich besuchte Seminare in den Bereichen Tanz, Gesang, Familienaufstellungen, Atemtherapie, NLP, Bindungspsychologie und Schamanismus.
2007 heiratete ich Arno. Im selben Jahr veröffentlichte ich ein Kinderbuch mit eigenen Illustrationen.
2004 bis 2010 war eine turbulente Zeit mit wechselnden Phasen von selbständiger und angestellter Tätigkeit in verschiedenen sozialen Projekten mit Kindern, Eltern, Arbeit im Bereich Karriere- und Bewerbungscoaching sowie in Grafikdesign. Irgendwie hatte ich mir den Zugang zur kindlichen Welt bewahrt, denn in meiner Arbeit mit Kindern stellte ich immer wieder fest, dass ich einen sehr guten Draht zu ihnen hatte. Diese unterschiedlichen Einsatzbereiche meiner Berufstätigkeiten brachten mir eine Fülle an Erfahrungen, die meine heutige Arbeit auf ein breites Fundament stellen. Durch verschiedene Fortbildungen in den Bereichen Entwicklungs- und Bindungspsychologie nach Gordon Neufeld sowie die Lektüre zahlreicher weiterer Bücher konnte ich meine eigene Spezialisierung in der Psychologie finden.
2010 las ich das Buch „Zart besaitet“ von Georg Parlow und fand mich sofort in der Beschreibung wieder. Lustig fand ich auch, dass ich bei der Berufsbeschreibung von Georg Parlow ein ebenso breites Spektrum wie bei mir fand, was mich wiederum beruhigte, denn ich war innerlich schon sehr frustriert, weil ich mich aufgrund meiner zahlreichen Talente und Interessen lange Zeit nicht auf eine Berufssparte hatte festlegen können und wollen und schon befürchtet hatte, beruflich daran zu scheitern.
2011-2014, nach vielen Experimenten in meinem Berufsleben, arbeitete ich in einer Eltern-Kind-Klinik als Bezugstherapeutin, in der ich sehr viele Erfahrungen und positive Bestätigung für mein therapeutisches Vorgehen sammeln konnte. Von 2012 bis 2014 schrieb ich parallel an dem vorliegenden Buch. Im Mai 2014 wurde es veröffentlicht. Der Erfolg des Buches ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Viele Leser fühlten sich durch es bestätigt, ermutigt und gestärkt. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen.
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