Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path. Daniela Leinweber

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Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path - Daniela Leinweber

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sich Gewichtsreduktionsprogramme allzu oft nur auf die Er­nährungs- und Bewegungsschwerpunkte. Dabei sind die Ursachen von Übergewicht nicht selten im psychischen Bereich zu finden. Die Crux an der Sache ist, dass viele Mechanismen unbewusst ablaufen und es schwer ist, die höchstpersönliche Belastung ohne professionelle Hilfe aufzu­decken. Diesen Schritt auszuprobieren, stellt für die meisten eine ­erhebliche Hürde dar, da ist es doch einfacher, es vorher noch mit der Blut­gruppendiät oder der Atkins-Methode zu probieren. Doch auch wenn es noch so schön schwarz auf bunt in Inseraten und auf Werbeplakaten steht: Wer rasch und einfach eine Gewichtsreduktion ohne Änderung von Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten verspricht, der lügt. Punkt. Nein, Ausrufezeichen!

      Bevor ich mich also aufmachen konnte, um am South West Coast Path einen neuen Wanderweg für mich zu entdecken, musste ich einen ganz anderen und rückblickend viel steinigeren neuen Weg meistern, nämlich den des Gewichtsverlustes. Ein Weg, der Inspiration und Moti­vation für andere sein kann, aber eben meine Reise und meine persönliche Erfolgsgeschichte ist, die sich nicht eins zu eins übertragen lässt. Damit wir ­unseren eigenen Weg finden können, müssen wir wieder ­lernen, auf unseren Körper zu hören – etwas, das adipöse Menschen im Normalfall schon lange nicht mehr getan haben. Wir müssen uns wieder vermehrt auf das sprichwörtliche Bauchgefühl konzentrieren.

      Mein Bauchgefühl sagte am Anfang, meine neuen Ambitionen besser niemandem zu erzählen. Meine Eltern starteten zeitgleich mit der Meta­bolic Balance Diät und ließen jeden, der es wissen wollte oder auch nicht, daran teilhaben. Ich hielt das damals für mehr als fragwürdig und setzte mir ein erstes Ziel: Ich werde meinen Eltern beweisen, dass man auch ohne Blutwertanalyse und Bezahlen eines nicht unerheblichen Geldbetrages an Gewicht verlieren kann. Ich bezweifle nicht, dass man mit dieser ­Methode Gewicht reduziert, denke aber, dass die Abnahme nicht zwangsläufig auf den persönlichen Ernährungsplan zurückzuführen ist, sondern auf die Tatsache, dass die Leute aufgrund der neu erlangten Motivation und der hohen Kosten bereit sind, ihre Selbstdisziplin auf Hochtouren zu schrauben. Ich hingegen war bereit für diesen Beweis, akkreditierte meine Eltern zu passenden, unwissenden Herausforderern und startete still und heimlich einen Wettkampf, den ich zu gewinnen gedachte – mit Pauken und Trompeten.

      Die Sommerzeit war immer schwierig für mich.

      Bereits zum damaligen Zeitpunkt war ich Meisterin im Kalorien­zählen. Ich kannte und kenne immer noch die Nährwerte der meisten ­gän­gigen Lebensmittel auswendig. Damit ich nicht selbst zählen musste, legte ich online ein Ernährungstagebuch an und führte anfangs tatsächlich tagtäglich Buch über jedes Lebensmittel, das den Weg in meinen Magen fand. Mir war von Beginn an wichtig, das Ganze nicht zu dogmatisch anzu­gehen, denn der gesunde Menschenverstand begreift sehr schnell, dass sich langfristige Erfolge nur sichern lassen, wenn es einen Ermessensspielraum gibt und man sich auch kleine Sünden erlauben darf. Ich hatte das Glück, dass ich immer schon gerne Obst und Gemüse aß und sich diese gesunden Gaumenfreuden nun mit weiteren hochwertigen Lebensmitteln wie Quinoa, Sprossen, Ingwer und großartigen Ölen, die etwa aus Trauben­kernen oder ­Oliven gewonnen werden, zu leckeren Speisen verarbeiten ließen. Auch vor sogenannten Superfoods wie Goji- oder Aronia-Beeren, Chia Samen oder Granatäpfeln schreckte ich nicht zurück – im Gegenteil, ich entdeckte sogar eine gewisse Vorliebe für jede Art von Beeren.

      Außerdem wusste ich über mich selbst, dass ich sehr regelkonform agieren konnte; daher beschloss ich, mir eine Liste anzufertigen, mit ­Dingen, die mir gut taten und die ich für meine persönliche Gewichts­reduktion als zielführend erachtete. Darunter war etwa, dass ich nach 15.00 Uhr keine Kohlenhydrate und nach 17.00 Uhr überhaupt nichts mehr esse. Aber auch regelmäßige, im Privatumfeld angesetzte Pflege von Sozial­kontakten, die bis dahin aufgrund meines sozialen Berufs zumeist auf das ­Arbeitsfeld beschränkt war, Wechselduschen, Gesichtsmasken oder ­Sit-ups und Liegestütze – auf Knien, versteht sich – waren darauf zu ­finden. Diese Liste umfasste 35 Punkte, und wenn ich es über einen Zeitraum von einem Monat schaffte, täglich mindestens 20 Punkte zu ab­solvieren, dann gönnte ich mir ein besonderes Extra am Monatsende, ­etwas, das ich mir ansonsten nicht gekauft hätte. Manches Mal klappte es und manches Mal nicht, aber jeder neue Monat bot eine neue Chance auf ein Stück zusätz­liches Glück.

      Außerdem entwickelte ich für mich ein ganz eigenes Belohnungs­system, so gab es etwa nach jeder Sporteinheit ein Stück Schokolade, denn auf diese himmlische Köstlichkeit wollte ich auf keinen Fall ver­zichten, schließlich bin ich bekennende Schokoholikerin. Das, was sich beim ersten Hören vielleicht eher nach einem scherzhaften Eingeständnis von Naschkatzen anhört, ist tatsächlich ein Begriff, der die Sucht nach Schokolade oder generell Süßem beschreibt. Ein Studienergebnis des bri­tischen Forschers Adrian Taylor, der meint, dass ein 15-minütiger Spaziergang die Lust auf Schokolade dämpft, kann ich absolut widerlegen. Vielleicht sollte ich ihm im Sommer während meiner Weitwanderung ­einen Besuch an der Universität Exeter abstatten und mich als Gegen­beweis ­seiner ­Theorie outen. Es wäre nur ein kurzer Katzensprung von Exmouth aus, aber die Reise wird noch zeigen, dass am Weg selbst für kleine Katzensprünge keine Zeit bleiben wird.

      Schritt für Schritt – erstes Ziel erreicht – Flatzer Wand.

      Dass Taylors Ansatz nicht klappen konnte, wusste ich von Anfang an, denn 15 Minuten Spazierengehen war genau die Art von „Sport“, mit der ich begann. Zum damaligen Zeitpunkt wäre wegen meines hohen Über­gewichtes auch nichts anderes möglich gewesen. Nach etwa einem Monat begann ich dann, auch langsam bergauf zu marschieren, was relativ einfach war, denn von meinem Haus aus führt so ziemlich jeder Weg bergauf. Unsere Ortschaft Flatz liegt an den Ausläufern der Gutensteiner Alpen am Fuße zweier kleiner Berge, der oben bereits erwähnten Flatzer Wand und dem etwas höheren Gösing, die gemeinsam einen Teil des Naturparks Sierningtal-Flatzer Wand bilden. Mein Trainingsgebiet begann – und ­beginnt immer noch – direkt vor der Haustür. Mein erstes Ziel war der eigentliche Ausgangspunkt für Entdeckungstouren auf der Flatzer Wand, der Parkplatz des „Waldbauers“. Dort, wo sich Kletterer, Wanderer oder Naturgenießer treffen, um ihr Abenteuer zu beginnen, war für mich anfangs bereits Schluss, denn der Parkplatz liegt 800 Meter und 50 Hö­hen­meter von meinem Zuhause entfernt, drei kurze Verschnaufpausen ­in­klusive. Nachdem ich diese Strecke ohne Stehenbleiben schaffte, ging es weiter vorbei am Grillplatz bis zur Forststraße, womit schon 134 Höhenmeter bewältigt waren. Es sollte vier Monate dauern, bis ich beim Naturfreundehaus der Flatzer Wand stehen und ins Tal blicken konnte. Dieser Moment war einer der bewegendsten, den ich je erlebt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich davon als fernes Ziel geträumt und nun stand ich tatsächlich dort, wo andere Dorfbewohner jedes Wochenende schnell mal bei einem kurzen Verdauungsspaziergang vorbeischauten. Ich hatte die Flatzer Wand erobert, ich ganz alleine. Dies war dann auch der Zeitpunkt, wo mein Umfeld schön langsam realisierte, dass sich irgendetwas in meinem Leben veränderte, auch wenn der große Abnehmerfolg immer noch nur von mir selbst wahrgenommen wurde, denn ob man nun 142 Kilo oder 125 wiegt, macht optisch noch nicht den großen Unterschied. Mir war aber wichtig, das Abnehmen nicht zu übertreiben, und ich folgte der WHO-Empfehlung, höchstens ein Kilo in einer Woche zu verlieren.

      Auch eine weitere Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation sollte ein fixer Bestandteil meines Tagesablaufs werden: 10.000 Schritte gehen. Das bedeutete aber gleichzeitig auch, dass ich täglich faktisch eine Stunde für das Gehen einplanen musste, denn die Alltagsbewegung brachte mir oft nicht mehr als 3.000 Schritte, wenn überhaupt. Jede Bewegung ist auf jeden Fall zu begrüßen, aber man kann auch 10.000 Schritte den ganzen Wiener Gürtel entlang gehen und hat trotzdem nichts abgenommen, weil eines fehlt: die Intensität. Das heißt, das Bergaufgehen ließ sich nicht vermeiden und auch das Suchen nach anderen Sportmöglichkeiten wurde über die Jahre immer intensiver. So überwand ich mein Schamgefühl und ging einmal in der Woche mit einer Kollegin schwimmen, mit drei Freundinnen startete ich eine Badmintongruppe und ich entdeckte meine Leidenschaft für Zumba. Außerdem begann

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