Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path. Daniela Leinweber
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Weitwandern? Könnte „gehen“!
Doch trotz allem konnte mein Interesse für andere Sportarten meine Leidenschaft fürs Wandern nicht mindern, im Gegenteil, es trug dazu bei, die Fitness zu erhöhen und so noch weitere Strecken gehen zu können. Nach eineinhalb Jahren Training und mittlerweile 40 verlorenen Kilos führte mich meine erste Weitwanderung nach Mariazell. Neben der Erklimmung der Flatzer Wand war das Zufußgehen nach Mariazell schon lange ein Traum von mir gewesen, den es zu realisieren galt. Viele Einwohner Mollrams, der Ortschaft, in der ich aufgewachsen bin, pilgerten 2002 zum 750. Jubiläum der ersten urkundlichen Erwähnung unseres Dorfes nach Mariazell – ohne mich, versteht sich. Mein Mann war damals schon mit von der lustigen und vor allem fitten Partie und ich wäre auch sehr gerne ein Teil davon gewesen. Wieder einmal fühlte ich mich ausgeschlossen oder besser, ich schloss mich aufgrund meiner eingeschränkten bzw. fast nicht vorhandenen körperlichen Möglichkeiten eigentlich von selbst aus. Der Wunsch, eine Pilgerreise nach Mariazell zu unternehmen, blieb für die nächsten zwölf Jahre unerfüllt, aber im Frühjahr 2014 machten Peter und ich uns auf den Weg. Im beschaulichen Puchberg, am Fuße des Schneebergs, starteten wir unseren dreitägigen Marsch zum wichtigsten Wallfahrtsort Österreichs. Andere schaffen das locker in zwei Tagen oder gehen in drei Tagen direkt von zu Hause aus los, aber ich wollte einmal langsam beginnen und gut war’s. Während sich die erste Etappe bis Schwarzau im Gebirge noch recht einfach bewältigen ließ, war der zweite Tag eine absolute Herausforderung. Schon damals trugen wir alles, was wir brauchten, am Rücken und die letzten Kilometer, die eigentlich nur mehr flach dahin gingen, zogen sich immens und mir tat alles weh. Jeder, der am Abend in die Nähe unseres Zimmers kam, wurde unweigerlich in eine Wolke aus Tigerbalsam und Thermo Lotion gehüllt; selbst den Weg zur Toilette vermied ich, solange es noch irgendwie vertretbar war. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich mich laufend fragte, wie in Herrgotts Namen ich am nächsten Tag nach Mariazell kommen sollte, doch das, was am Tag zuvor noch unverstellbar gewesen war, gelang am nächsten Morgen dann doch, indem wir uns einfach unsere Wanderschuhe anzogen und losmarschierten. Spätestens vor den Toren Mariazells wurde mir dann klar: Ich bin eine Weitwanderin. Gut, vielleicht war ich damals noch keine, aber ich wollte unbedingt eine werden.
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Meine erste Mehrtageswanderung nach Mariazell.
Alpannonia Weitwanderweg.
Im Jahr darauf eroberten wir dann unseren nächsten offiziellen Fernwanderweg, den in sechs Etappen angelegten Alpannonia, der zu den „Best Trails of Austria“ zählt. Ein grenzüberschreitendes Wegesystem verbindet Fischbach, den Semmering und Köszeg auf einem recht einfachen, 123 km langen Höhen- und Panoramatrail. Er führt von den letzten Gipfeln der Alpen bis in die pannonische Ebene und bietet jede Menge Abwechslung auf der Reise durch drei österreichische Bundesländer und bei der Überschreitung der Grenze nach Ungarn im Naturpark Geschriebenstein. Uns bot er gleich noch viel mehr Abwechslung, denn wir verliefen uns mehr als nur einmal und so erhöhten wir die zurückgelegten Wegkilometer deutlich. Rückblickend war dies wohl schon eine gute Vorbereitung auf unsere Wanderung entlang des South West Coast Path (SWCP). Außerdem finden sich tatsächlich mehrere Parallelen, etwa großartige Aussichten oder das Wandern durch dichtes Gestrüpp. Doch während uns der SWCP teilweise durch Elfenwälder führen würde, zeichnete sich der Alpannonia vor allem durch seine Streckenführung durch ein regelrechtes Schwammerlwunderland aus. Noch nie hatte ich so viele Pilze – vor allem meinen Liebling, den Parasol – gesehen wie auf dieser Reise, und dass ich sie dort stehen lassen musste und nicht zu Hause zu einem wohlschmeckenden Pilzgericht – zugegeben, eher hätte ich sie einfach nur paniert – verarbeiten konnte, tat mir in der Seele weh.
Leben heißt Veränderung
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine Ernährung bereits auf vegetarisch umgestellt, was anfangs für meinen Körper sehr schwierig gewesen und doch wieder einigen Kilos mehr die Gelegenheit geboten hatte, sich auf meinen Hüften festzusetzen. Als ich damals begann, mich intensiv mit Ernährung zu beschäftigen, wurde der Wunsch nach einem fleischlosen Leben immer stärker. Die Entscheidung traf ich vor allem aus moralischen und weniger aus gesundheitlichen Gründen. Die Frage, ob Fleisch an sich für den Menschen gesund ist oder nicht, mag in ernährungswissenschaftlichen Kreisen eine Streitfrage darstellen, doch in Bezug auf den größten Teil des heute verkauften Fleisches lässt sich die Frage unzweideutig beantworten, wenn wir uns anschauen, was die Tiere und das Fleisch durchmachen müssen, bevor es – getarnt in schöner Verpackung – im Einkaufswagen der Menschen landet. Natürlich gibt es Ausnahmen in der Fleischproduktion, aber zum großen Teil entsteht Fleisch durch eine ethisch verwerfliche, tierquälerische und unhygienische Massentierhaltung, bei der ich nicht länger wegschauen wollte. Die Brutalität, denen Schlachttiere normalerweise ausgesetzt sind, verurteilte ich zutiefst, und immer öfter bekam ich ein schlechtes Gewissen beim Fleischverzehr. Tatsächlich wollte ich nicht, dass auch nur ein einziges Tier wegen mir getötet werden musste, was somit auch Fische einschloss. Die Wahrheit ist allerdings, dass ich mir lange nicht vorstellen konnte, tatsächlich auf Fleisch zu verzichten. Die Fastenzeit vor Ostern kam mir damals gerade recht und ich beschloss, mich während dieser Wochen rein vegetarisch zu ernähren und danach wieder in meine früheren Ernährungsgewohnheiten zurückzukehren – bis zum nächsten Osterfest. Überraschenderweise war es für mich aber derart einfach, diese fleischlose Ernährungsvariante aufrecht zu erhalten, dass ich am Ende der Fastenzeit beschloss, bis auf weiteres Vegetarierin zu bleiben – mit dem Zugeständnis an mich selbst, jederzeit wieder damit aufzuhören, wenn mich Heißhungerattacken oder Mangelerscheinungen quälen würden. Seit dieser Entscheidung vor vielen Jahren, die ich für eine der besten meines Lebens halte, vermisste ich Fleisch oder Fisch keine einzige Minute. Mittlerweile ist aus dem anfänglichen Versuch eine fixe Lebenseinstellung geworden. Doch Vegetarierin zu sein, heißt nicht nur, auf Fleisch, Fisch und Wurst zu verzichten, sondern auch auf die meisten Fruchtgummis, die Gelatine enthalten, und auf Käsesorten, die mittels tierischem Lab entstehen. Beides ist für Vegetarier tabu, denn das tierische Eiweiß Gelatine wird aus Knochen hergestellt und die benötigten Bestandteile von Lab werden aus Kälbermägen gewonnen. Glücklicherweise gibt es mittlerweile allerdings viele Alternativen, die Gelatine ersetzen und auch viele Käsereien, die auf mikrobielles Lab umgestellt haben, wodurch sich der tatsächliche Verzicht in Grenzen hält.
Mit einer Nebenwirkung hatte ich allerdings tatsächlich zu kämpfen und das war ein akuter Eisenmangel. Anämie ist eine der häufigsten Mangelerkrankungen des Menschen und nicht automatisch der vegetarischen Ernährung zuzuschreiben, doch bei mir persönlich war es tatsächlich so. Auch wenn es theoretisch möglich ist, die notwendigen Eisenanteile aus der pflanzlichen Nahrung zu beziehen, habe ich mich dennoch dafür entschieden, das Eisen von außen, sprich durch Tabletten, zu mir zu nehmen. Lange war mir der