Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path. Daniela Leinweber

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Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path - Daniela Leinweber

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dass ich ein Tablet samt Tastatur mitnehmen würde. Beide Teile wogen zusammen knapp einen Kilo, aber es würde sich im Laufe der Reise herausstellen, dass das die ­absolut beste Investition war.

      Zeitgleich mit dem Kauf der Rucksäcke schloss ich mich auch diversen Internetgruppen und Wanderforen an, knüpfte Kontakte und ließ mich bei allen Themen rund ums Wandern in England beraten. Zwei Foren ­sollten dabei meine wichtigsten Wegbegleiter werden. Zum einen ist das die ­offizielle Facebook-Gruppe von South West Coast Path Wanderern und zum anderen die Gruppe der größten englischen Wanderzeitschrift Country Walking, die mich auch davon überzeugte, im Jahr 1.000 Meilen zu wandern, also 1.610 Kilometer, was einem Tages-Soll von 4,4 Kilo­metern entspricht. Da sich das gut mit meinem 10.000 Schritte-Programm vereinbaren ließ, nahm ich 2017 erstmals an dieser Challenge teil und brauchte tatsächlich bis zum 30. Dezember, bis ich diese Kilometeranzahl schaffte. An Silvester 2017 genoss ich den einzig wanderfreien Tag in ­vollen Zügen, war aber zeitgleich auch sehr stolz, dass ich tatsächlich auf diese Zahl gekommen war, und freute mich über die Medaille, die man nach erfolgreichem Abschluss bestellen kann. Durch diese beiden Gruppen lernte ich viel über das Wandern in Großbritannien; etwa, dass es 1.000 Mile Socks gibt, die Blasenfreiheit garantieren, dass nirgendwo sonst über einen derart langen Zeitraum so viele Stufen zu bewältigen sind wie am SWCP und dass es ohnehin nirgends schöner ist als genau dort.

      Im Herbst 2017 unternahm ich dann meine erste Weitwanderung ­alleine ohne Peter und begab mich in die niederösterreichische Wachau, um dort den zweiten der insgesamt vier „Best Trails of Austria“ zur Hälfte zu wandern – den UNESCO Weltkulturerbesteig. Wie ein gewaltiger Riss durch das Gestein beeindruckt das Donautal zwischen Krems und Melk jährlich zahlreiche Besucher. Aufgrund ihrer malerischen Orte, ihrer ­historischen Bauten, des die Landschaft gestaltenden Weinbaus und der hier noch frei fließenden Donau wurde die Wachau im Jahr 2000 durch die Aufnahme in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes geadelt. Doch wer hier einen Wanderweg entlang des Flusslaufes auf der beliebten Radstrecke vermutet, der liegt falsch, denn auch bei dieser Wanderroute geht es teilweise hoch hinaus. Als 180 Kilometer langer Ring-Höhenweg über den Uferzonen der Donau konzipiert, berührt der Wegverlauf alle 13 Gemeinden der Wachau und führt an mächtigen Klöstern, Burgen, Schlössern und Ruinen vorbei. Ich hatte mich für die ersten acht Etappen entschieden, die ich in fünf Wandertagen bewältigen wollte und die das gesamte linke Donauufer von Krems bis Melk abdecken würden. Vor der Überschreitung des Jauerlings mit seinen 960 Metern hatte ich dabei den größten Respekt, doch ansonsten waren sämtliche Tage mit unter 1.000 Höhenmetern Gesamtanstieg verhältnismäßig einfach zu bewäl­tigen. Es sollte die Generalprobe für unsere SWCP-Wanderung werden und sie gelang mir ausgezeichnet. Ich konnte den Rucksack adjustieren und aufgrund der Tatsache, dass ich alleine unterwegs war, auch meine sozialen Fähigkeiten erweitern. Ich bin von Grund auf kein besonders ­extrovertierter Mensch, zumindest nicht, wenn es um das Kontaktknüpfen mit Fremden geht, und so konnte ich auf dieser Reise, auf der ich die ­meiste Zeit auf mich alleine gestellt war, sehr viel dazulernen. Die Landschaft beeindruckte mich allerdings nicht in dem Ausmaß, in dem ich es erwartet hatte, da der Weg oft nur einen kurzen Blick auf die atemberaubende Umgebung bot und ansonsten meist kilometerweit durch das Hinterland mit seinen tiefen, dunklen Wäldern führte. Dennoch ­fühlte ich mich fit und freute mich unglaublich auf unsere bevorstehende Wanderung in England.

      Die Sonne der Vorfreude und Zuversicht schien in dieser Zeit besonders strahlend, doch ohne Vorankündigung zogen plötzlich dichte Ge­witterwolken in unser Leben und warfen Blitze, Regen, Schnee und Hagel in unsere Richtung. Während eines Adventwochenendes in Kärnten erlitt Peter einen Schlaganfall. Plötzlich stand unsere Welt für einen Augenblick still und katapultierte uns dann in einen schieren Überlebensmodus. Wenn wir mit vielem gerechnet hätten, aber damit sicher nicht, denn Peter zählte zu keiner der typischen Risikogruppen, was den Schlaganfall allerdings nicht davon abhielt, gnadenlos zuzuschlagen. 25.000 Menschen ­erleiden in Österreich pro Jahr einen Schlaganfall, aber die meisten davon sind über 60 Jahre alt und weisen auch andere Risikofaktoren auf. Ein fitter, nichtrauchender 44-Jähriger ist sehr selten davon betroffen. ­Selten heißt zwar nicht nie, dennoch wollten wir es anfangs gar nicht ­glauben. Da die sichtbaren Auswirkungen wie hängende Mundwinkel oder Sprach­störungen ausblieben, dachten wir zuerst an eine Nerven­problematik. Erst als sich Peters Zustand bis zum nächsten Morgen nicht besserte, beschlossen wir, nach Hause zu fahren und den Hausarzt aufzusuchen, der ihn ­sofort ins Krankenhaus überwies. Er war somit laut Aus­sagen der ­Ärzte der wohl erste Schlaganfallpatient mit einer Überweisung des Hausarztes. Plötzlich war unsere Zukunft völlig ungewiss und wir ­hatten keine ­Ahnung, wie sich das auf unsere geplante Reise nach England auswirken würde. Glücklicherweise war Peters Prognose von Beginn an sehr positiv und nach einem kurzen Ausflug in eine depressive Phase sprach er sehr gut auf die Rehabilitation an. Bereits in der dritten Woche begannen wir, wieder Spaziergänge zu machen, zuerst nur ein paar wenige Schritte, dann einen Kilometer und schließlich sogar eine Stunde, denn Gehen ist eine der effektivsten Methoden zur Wiederaktivierung des gesamten Körpers. Unter der Woche konzentrierte ich mich auf Arbeit, ­Kinder und Haus, während sich Peter um seine Genesung kümmerte. Die Wochenenden verbrachten wir gemeinsam am jeweiligen Reha-Ort mit Gehen. Je mehr Peter wieder wortwörtlich auf die Beine kam, umso mehr wuchs auch wieder die Hoffnung, doch noch auf unsere Wanderreise gehen zu können. Nach drei Monaten Krankenhaus und Reha war Peter weitgehend zumindest derart wiederhergestellt, dass wir uns ernsthaft an die abschließende Planung unseres England-Abenteuers machen konnten. Ich studierte Fährverbindungen und Gezeitentabellen, buchte Flüge, Busse sowie Hotels und las alle Bücher und Artikel über den SWCP, die ich ­finden konnte.

      Je länger ich mich damit beschäftigte, umso öfter stolperte ich über den Begriff „Charity Walk“. Offensichtlich ist es in Großbritannien gang und gäbe, lange Touren in Benefizwanderungen zu verwandeln. In Österreich ist dies noch relativ unbekannt und Unterstützung muss sich jeder ganz allein suchen. Für mich war aber schnell klar, dass ich es auf alle Fälle versuchen wollte, denn durch meine Arbeit mit den Jugendlichen im Sozialen Wohnhaus Neunkirchen, das wir kurz „SoWo“ nennen, liegt der soziale Zweck klar auf der Hand. Unser SoWo bietet Jugendlichen und jungen ­Erwachsenen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr mit ­ihren Familien leben können, ein neues Zuhause. Hier können sie wieder durchatmen, zur Ruhe kommen und sich auf ihren weiteren Weg konzentrieren. Eine positive Zukunft zu gestalten ist aber meist nur möglich, wenn sie die negative Vergangenheit sowohl aufarbeiten als auch akzep­tieren können, und dies fordert intensive Arbeit von den jungen Menschen selbst, aber auch vom Betreuungsteam auf ganzheitlicher Ebene. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung kümmert sich zwar darum, dass die Jugendlichen ein Dach über dem Kopf und regelmäßig zu essen haben, ebenso wird ihnen eine lückenlose Betreuung angeboten, doch für alle anderen darüberhinausgehenden Aktionen wie Erlebnispädagogik, spezielle Therapieangebote oder auch einfach nur ein paar Tage Urlaub müssen wir ­immer zusätzliche Sponsoren finden. Eine Benefizwanderung schien dafür eine gute Möglichkeit zu sein. Ich sah das nicht nur als ­Chance, Geld zu sammeln, sondern auch als Möglichkeit, Aufklärungs­arbeit zu leisten. Fremduntergebrachte Jugendliche werden von unserer Gesellschaft tatsächlich oft als faule Nichtsnutze und kiffende Kriminelle wahrgenommen und wir kämpfen fast täglich gegen diese Vorurteile an. Klar gibt es sie, die Jugendlichen, die sich lieber schlagen, als eine Lösung zu finden oder die lieber Cannabis konsumieren, als sich der Realität zu ­stellen; aber das hat selten mit Faulheit oder Respektlosigkeit zu tun, ­sondern resultiert aus einer traumatischen Kindheit, in der sie Über­lebens­strate­gien entwickelt haben, die für andere nicht immer nachvollziehbar sind. Da die Schwelle ins Erwachsenenleben nicht mehr weit ­entfernt ist, drängt die Zeit, den Jugendlichen zu helfen, diese Muster zu durchbrechen und sie auf ein positives, selbstbestimmtes Leben vorzu­bereiten.

      Ein Motto war schnell gefunden: „Neue Wege gehen“. Dies soll nicht nur auf mein Entdecken neuer Wege nach einem neuen, langen, steinigen Weg des Gewichtsverlustes hinweisen, sondern auch auf das Beschreiten neuer Wege und das Erkennen neuer Möglichkeiten für die Jugend­lichen des SoWos – und auch dies soll mittels Sport- und Bewegungs­momenten

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