Fokus SEIDENPLANTAGE. Paul Fenzl
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Читать онлайн книгу Fokus SEIDENPLANTAGE - Paul Fenzl страница 6
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte der Köstlbacher.
»Nun, entweder er freut sich sehr. Dann klingt das Bellen aber anders. Oder er hat Angst. Dann klingt es auch wieder anders.«
»Und wie hat es gestern geklungen?«, wollte der Köstlbacher wissen.
»Gestern? Irgendwie aggressiv. Er mochte die dunkle Gestalt offensichtlich nicht. Hunde sind diesbezüglich sehr sensibel. Gino ist schon alt. Er sieht kaum noch. Seine Welt besteht aus Gerüchen. Und das, was er hier in die Nase bekam, schien ihm nicht gefallen zu haben.«
Der Köstlbacher machte sich dazu ein paar handschriftliche Notizen in ein kleines schwarzes Büchlein, das an ein Gebetsbuch erinnerte.
»Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
»Ich habe es ja viel mit Menschen zu tun, aber sehr eigenartig fand ich, dass ich nicht unterscheiden konnte, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelte. Schon seltsam, oder? Aber vielleicht war doch nur das schlechte Licht daran schuld. Und ganz ehrlich, ich habe dann auch nicht weiter darüber nachgedacht, weil die Person hinab in Richtung Friedhof im Halbdunkel verschwand, während ich mit Gino die andere Richtung einschlug.«
»Hm! Vorher schon einmal gesehen haben Sie diese Person nicht?«
»Definitiv nicht. Daran würde ich mich erinnern.«
»Ach ja, Ihr Mann sagt, Sie kennen diese Joggerin vielleicht?«
»Kennen ist nicht der richtige Ausdruck. Ich habe sie schon hin und wieder gesehen und das eine oder andere Mal ein ›Hallo!‹ mit ihr gewechselt. Mehr nicht.«
»Und sie kam immer bergauf hier vorbei?«
»Ob sie das immer so machte, das kann ich nicht sagen. Aber ich habe sie nie anders hier vorbeikommen sehen. Vielleicht drehte sie eine Runde. Aber bezeugen kann ich das nicht, weil ich so gut wie nie im Laufe des Vormittags mit Gino rausgehe. Zudem sind später so viele Leute hier unterwegs, dass man auf eine einzelne Person nicht mehr achtet.«
»Hm!«, brummte der Köstlbacher erneut, nicht besonders zufrieden mit dem, was er zu hören bekommen hatte. Weitere Fragen würden im Moment zu nichts führen. Daher bedankte er sich und verließ das Anwesen. Am immer noch offenstehenden Tor kam ihm der Baldauf entgegen.
»Die Kollegen von der Streife haben ihren Wagen gefunden. Einen Mini. Jetzt wissen wir auch, um wen es sich bei der Toten handelt.«
Kapitel 5
Die Kommissarin Martina Cuscunà hielt im Präsidium der Kripo in der Bajuwarenstraße 2c die Stellung. Ihr Chef, der Köstlbacher, war mit dem Baldauf immer noch oben in der SEIDENPLANTAGE, die Kommissarin Koch mit ihrer Hündin unterwegs zu ihm. Und alle anderen Kollegen und Kolleginnen hatten Ortstermine wegen anderer Ermittlungen. Seit Wochen ein seltener Zustand, dass jeder einer Beschäftigung nachging, die nicht nur zum Todschlagen von Dienstzeit angeordnet worden war.
Nicht etwa, dass das Nichtstun bei der Polizei, insbesondere bei der Kripo, der Normalzustand wäre. Es ist in der Tat eher der Ausnahmezustand. Aber seit dieses Virus das öffentliche Leben derart lahm legte, passierte einfach nicht mehr so viel. Zumindest nicht bei der Kripo. Die in den Straßen patrouillierende Polizei hingegen musste Überstunden schieben. Letztendlich eine Begleiterscheinung von COVID-19, zumindest der daraufhin angeordneten Einschränkungen und Vorschriften, deren Einhaltung es zu überwachen galt. Natürlich stieg im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie die häusliche Gewalt, die ein Einschreiten der Kripo allerdings nur in Ausnahmefällen nötig machte. Zumindest dem Köstlbacher seine Truppe wurde in aller Regel erst gerufen, wenn schwere Körperverletzung vorlag, und der Tathergang nicht eindeutig war. Zum Glück hielten sich solche Vorkommnisse in Regensburg in Grenzen.
Mag sein, in Berlin oder Hamburg, vielleicht sogar in München, war die Sachlage anders. Millionenstädte waren immer schon anders dimensioniert. Wenn in Regensburg 150 Leute an einer Demo mitmachen, und das Wort ›randalieren‹ den meisten davon ein Fremdwort ist, dann geben sich in Berlin vor dem Brandenburger Tor schnell mal 20 Tausend und mehr Demonstranten ein Stelldichein. Und ein paar, die so eine Demo gerne dazu nutzen, gehörig Dampf abzulassen, sind immer darunter. Aber in Regensburg …? Natürlich gibt es auch in Regensburg ein paar Bescheuerte, aber die wären notfalls auch mit einer Wasserpistole zur Ruhe zu bringen. Ob die Polizei in Regensburg über einen Wasserwerfer, quasi die professionelle Version der Wasserpistole, verfügt, das ist ernsthaft zu bezweifeln.
Also gingen seit dem Ausbruch der Pandemie größere Straftaten, bei denen Personen zu Schaden kamen, erst einmal zurück. Bis sich die neue Situation dann einzupendeln begann. Vielleicht auch, weil sich einiges aufgrund all der Einschränkungen aufgestaut hatte.
Vergleichen lässt sich das gut mit dem Geschehen in einem Vulkan. Lange passiert nichts. Der Druck wird stärker, was höchstens an einigen Rauchwölkchen zu erkennen ist. Aber irgendwann steigt der Druck ins Unermessliche und er bricht aus. So einen triebgeleiteten Verbrecher zum Beispiel, den können äußere Umstände durchaus einmal längere Zeit davon abhalten, wieder aktiv zu werden. Aber eben nur längere Zeit und nicht für immer.
Jedenfalls bekam die Kripo plötzlich wieder alle Hände voll zu tun. Das oben in der SEIDENPLANTAGE war dabei erst der Anfang.
Trotzdem schlug zumindest für den Moment eine damit in aller Regel einhergehende Hektik bis ins Präsidium noch nicht durch. Die Kommissarin Martina Cuscunà hatte noch immer nichts Konkretes zu tun und träumte, während sie an ihren Fingernägeln herumfeilte, vom letzten Jahnspiel, wo sie geschlagene 90 Minuten am Stück ganz ungeniert all die attraktiven Spieler beobachten konnte, ohne deswegen gleich als Voyeurin verdächtigt zu werden.
Frau Cuscunà war noch nicht besonders lange im Team vom Köstlbacher. Böse Zungen behaupteten, sie hätte diesen Posten nur erhalten, weil sie eine Freundin der Staatsanwältin Dr. Simone Becker war. Eine dieser bösen Zungen war die Edith Klein, die Sekretärin vom Köstlbacher. Aber wer die Edith Klein kennt, der kann sich denken, warum die so etwas erfand. Martina Cuscunà konnte es als einzige im direkten Team vom Köstlbacher mit seiner Sekretärin in punkto Aussehens aufnehmen. Nicht etwa, weil beide blond waren. Deswegen schon dreimal nicht, weil die Klein ihre Haare ja immer wieder anders färbte. Aber die Cuscunà war auf ihre Art ebenso attraktiv wie die Klein. Und das hatte was zu sagen, weil die Klein bislang unumstritten als die schönste Frau im Präsidium galt. Von der Staatsanwältin einmal abgesehen.
Das sah auch der Köstlbacher so, wenngleich er es nie zugab, damit seine Anna ihm zu Hause wegen seiner Sekretärin nicht noch mehr die Hölle heiß machte.
Dass es außer der Klein inzwischen diese Cuscunà im engeren Team ihres Mannes gab, das war der Anna Köstlbacher zwar schon zu Ohren gekommen, aber das störte sie nicht. Noch nicht! Ihr Groll war außer auf die Klein momentan mehr auf die Staatsanwältin Dr. Simone Becker gerichtet, mit der ihr Edmund im engen beruflichen Kontakt stand. In zu engem Kontakt, wie es ihr schien, was allerdings nur ein Auswuchs ihrer blühenden Fantasie war. Wirklich eng, zumindest räumlich gesehen, arbeitete der Edmund nur mit seiner Sekretärin zusammen. Immerhin versorgte die ihn auch mit Getränken und Leckereien, wenn ihm danach war, hin und wieder sogar mit einer deftigen Brotzeit.
Martina Cuscunà, die von den ›Problemen‹ der Frau ihres Chefs nichts wusste, war immer noch in Gedanken versunken. Ihr verträumter Blick wäre jedem Beobachter sofort aufgefallen. Aber es gab keinen Beobachter. Nur ein Telefon, das gerade jetzt, außer zu klingeln, auch noch rot blinkte. Das rote Blinken war