Fokus SEIDENPLANTAGE. Paul Fenzl
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Читать онлайн книгу Fokus SEIDENPLANTAGE - Paul Fenzl страница 7
»Hallo Simone! Du überraschst mich. Ein privater Anruf bei mir im Dienst?«
»Da muss ich Dich enttäuschen, liebe Martina, ist nicht privat. Ich kann nur niemanden im Präsidium erreichen. Die Klein hat mich bereits informiert, was los ist. Leider ist auch Euer Abteilungsleiter Lenz nicht im Haus.«
»Er hat einen Termin in München, sollte aber eigentlich schon längst zurück sein! Was kann ich für dich tun?«
»Unsere gemeinsame Freundin Petra Herrmann hat mich angerufen. Sie hat wegen der Mord-Sache da oben vor der Seidenpantage Angst, Kundschaft zu verlieren und möchte gerne, dass seitens der Kripo bald eine Pressekonferenz abgehalten wird, um die Leute zu beruhigen. Ich weiß natürlich, dass das nicht in deiner Macht steht. Aber vielleicht kannst du diesbezüglich den Köstlbacher sensibilisieren, sobald er zurück ist? Natürlich melde ich mich später noch selbst bei ihm. Aber du kennst ihn ja. Er kann sehr ruppig werden, wenn er sich überfallen fühlt. Zumal, wenn er erfährt, dass wir beide die Petra kennen. Verheimlichen lässt sich das auf Dauer kaum.«
»Ich werde mein Bestes tun. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass ihn nur eine dienstliche Anweisung überzeugen wird.«
»Wird notfalls von mir persönlich ergehen. Aber trotzdem wäre etwas Vorfühlen sicher nicht verkehrt. Ich möchte vermeiden, dass meine Intervention im Zusammenhang mit meiner Freundschaft mit Petra gewertet wird.« ›Was allerdings so ist!‹, dachte Martina und beendete das Gespräch.
Kapitel 6
Die ersten Kunden für die ›Dayspa‹, zwei Frauen und ein Mann, hatten sich inzwischen auf den Weg gemacht, um ihre gebuchten Anwendungen in der SEIDENPLANTAGE zu genießen. Zwar waren zu diesem Zeitpunkt immer noch einige Kräfte der Polizei und der Kripo vor Ort, aber ›The show must go on!‹ Schließlich war in der SEIDENPLANTAGE selbst nichts passiert. Warum also Leute nach Hause schicken, die sich schon lange auf ihren Aufenthalt in den verspielen Räumen der ›Dayspa‹ freuten, in denen sie sich in die orientalische Welt aus ›1000 und eine Nacht‹ versetzt fühlen konnten. Zumal der erste Corona-Lockdown das lange genug unmöglich gemacht hatte.
Bis dann die dritte oder vierte Kundin auf dem Weg zum Haupteingang einen Schrei ausstieß. Schon bei den ersten Schritten, den sie durch das wegen des Polizeieinsatzes immer noch weit geöffnete Haupttor machte, fiel es ihr auf. Das blutige Messer, das seitlich auf dem Kies lag. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum dieses Messer vorher niemandem aufgefallen war. Aber danach gesucht wurde nur draußen auf der Straße, im Gestrüpp hinter den Bäumen, unter den Bäumen selbst, ja sogar unten vor dem Friedhof in den Abfallkörben. Niemand suchte innerhalb der Einzäunung der SEIDENPLANTAGE, quasi auf dem Grundstück des an die Tat angrenzenden Anwesens.
Da die Spusi schon wieder weg war, steckte der Köstlbacher höchst persönlich das Messer in einen Asservatenbeutel. Das Blut musste noch mit dem der Leiche abgeglichen und der Griff auf etwaige Fingerabdrücke untersucht werden. Das Team eines der letzten noch nicht abgefahrenen Einsatzfahrzeuge nahm das Messer entgegen und fuhr es der Spurensicherung hinterher.
Fast zeitgleich kam die Kommissarin Koch mit ihrer Hündin Mina zurück. Negativ. Anfangs schien die Hündin zwar eine Spur gefunden zu haben, aber je näher sie dem Friedhof gekommen waren, desto mehr verwirrten die dort vielfältigen Gerüche die sensible Hundenase. Die Spur verlor sich sprichwörtlich im Nichts. Vor dem Verladen in den Hundetransportkäfig im Dienstwagen wurde die Hündin aus unerfindlichen Gründen wieder nervös und bellte leicht aufgeregt, aber niemand achtete darauf. Auch die Koch nicht. Ihr Job und der ihrer Hündin waren erledigt.
***
Niemand hatte damit gerechnet und niemand hätte damit rechnen können, dass die gesuchte Person sich nie wirklich weit entfernt hatte. Ein Paar abgestreifte Latexhandschuhe, ein Paar entfernte Überschuhe, wie die Spusi sie trug, um eigene Spuren nicht mit fremden zu vermischen, einige Änderungen am Outfit … und schon konnte man sich innerhalb eines unauffälligen Personenkreises bewegen. Die Idee, selbst das weggeworfene Messer zu finden und es der Polizei zu übergeben, war spontan gekommen. Es musste gefunden werden. So war der Plan! Dass eine andere Kundin der ›Dayspa‹ letztendlich schneller sein würde, war dennoch kein Beinbruch. Plan ausgeführt, wenn auch in abgeänderter Form!
Kapitel 7
Die folgenden Stunden waren im Präsidium von Hektik geprägt. Regensburg mag ob seiner Einwohnerzahl als Großstadt gelten, aber ein Mord ist hier immer noch etwas Außergewöhnliches, das selbst die augenblicklichen sehr beängstigenden COVID-19 Nachrichten von der Titelseite der Mittelbayerischen Zeitung verdrängte. Und wieder wusste mal niemand, wie die Presse Wind davon bekommen hatte. Auf alle Fälle war der Köstlbacher kaum zurück in seinem Büro und wollte seine Truppe gerade zu einer Lagebesprechung zusammentrommeln lassen, als ihm die Klein einen angeblich freien Journalisten durchstellte, der nähere Details zum Mord oben auf den ›Winzerer Höhen‹ wissen wollte.
»Hallo Herr Kommissar Köstlbacher. Mein Name ist Rudolf Kamarek. ›Unabhängige Presse Regensburg‹. Ich hätte ein paar Fragen an Sie wegen des Mordes von heute Morgen.«
»Ich kenne keine ›Unabhängige Presse Regensburg!«. Der Tonfall vom Köstlbacher sagte viel aus über seine Lust, momentan mit einem Journalisten zu reden. »Außerdem haben wir einen Pressesprecher. Wenden Sie sich an den!«
»Dann stimmt es also, dass heute eine junge Frau vor der SEIDENPLANTAGE ermordet worden ist?«
»Haben Sie nicht verstanden? Wenden Sie sich an den Pressesprecher!«, sagte der Köstlbacher und legte auf. Durch die halb offenstehende Tür zu seiner Sekretärin Edith Klein grantelte er:
»Wenn wieder so ein Pressefuzzi in der Leitung ist, dann wimmeln Sie ihn ab! Wir haben die Ermittlungen noch nicht einmal richtig aufgenommen, schon sind diese Aasgeier da.«
»Entschuldigung Chef! Aber während Sie außer Hauses waren, hat Ihre Kollegin Cuscunà durchblicken lassen, dass eine Pressekonferenz anberaumt werden soll. Und da dachte ich…!«
Der Köstlbacher erhob erstaunt seine Augenbrauen. ›Was zum Teufel ist in die Cuscunà gefahren?‹, fragte er sich und befahl laut: »Beordern Sie alle vom Team zu mir in den Konferenzraum. In einer Stunde! Wer unterwegs ist, soll unverzüglich seinen Einsatz abbrechen und zur Dienstbesprechung kommen!«
Der Köstlbacher ist, wie viele seiner leitenden Kollegen in anderen Städten, ein großer Fan von Pinnwänden. Eine steht in seinem Büro, eine übergroße im Konferenzraum und eine eher minimalistisch kleine, bei ihm zu Hause. Die Pinnwand in seinem Büro hilft ihm, seine Gedanken zu einem Fall zu ordnen. Die im Konferenzraum gibt allen einen schnellen Überblick und wird ständig erweitert und umgebaut. Was im Konferenzraum an die Pinnwand kommt, ergänzt der Köstlbacher anschließend an seiner persönlichen im Büro. Oder er lässt es von der Klein ergänzen. Die macht dann im Konferenzraum ein Foto und bringt anschließend die Pinnwand in seinem Büro auf den neuesten Stand.
Und die zu Hause? Die zu Hause ist eigentlich nur digital. Ein Handyfoto von der in seinem Arbeitszimmer im Präsidium, wenn man so will. Fallen ihm dann zu Hause Ergänzungen ein, dann macht er sich Notizen auf Zettelchen. Das kann überall geschehen. Sogar auf der Toilette. Dort sogar besonders gerne, weil es die Anna hasst, wenn er seine Arbeit zu Hause fortsetzt