Die Muse von Florenz. Manuela Terzi

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Die Muse von Florenz - Manuela Terzi

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      »Serrati, bei allem Respekt. Brunelleschis Modell zeigt, dass es durchführbar ist! Der Bau ist beschlossene Sache. Ihr waltet federführend bei den Vertragsunterzeichnungen und versucht neuerdings, den capomaestro in Misskredit zu bringen?« Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Florenz schwieg Antonio, Vaters Assistent, nicht. War der junge Genuese etwa vor dem Zorn des notario gefeit? Seit dem Frühjahr lebte er in ihrem Haus, hatte bisher nie die Stimme gegen seinen capo erhoben, der ein guter Freund seines eigenen Vaters war. Im Gegenteil. Juliana ärgerte die Unterwürfigkeit, mit der ihm der junge Mann begegnete. Noch mehr verabscheute sie Antonios seltsames Gehabe, wenn er zu Tisch kam. Er tänzelte und strich ständig über sein glänzendes, glattes Haar. So spiegelglatt wie der Arno im Sommer. Was trieb ihn zu diesem Widerspruch?

      Juliana neigte ihren Kopf über die Balustrade und hoffte, einen Blick auf die Streithähne zu erhaschen. Ihr Blick erreichte lediglich das staubige Pflaster der Via Porta Rossa.

      »Was? Gott bloßzustellen? Wäre es denkbar, verehrter Antonio, dass Ihr selbst den Verstand verloren habt?«

      Armer Antonio! Niemand widersetzte sich ungestraft ihrem Vater. Sie wusste oft nicht, worüber sie mit Antonio beim Abendmahl sprechen sollte. Deshalb vermied sie es, ihm fern des Essens zu begegnen. Stets verhielt er sich beschämt, wenn er ihretwegen seine Arbeit unterbrach und von ihrem Vater deshalb einen Tadel erhielt. War sie gar der Grund für seine Scheu? Juliana sah ihn vor sich, wie er sich verlegen dafür einsetzte, dass man Brunelleschis Arbeit wertschätzte.

      »Brunelleschi …«

      »Schweigt, Antonio, bevor ich vergesse, aus welchem Grund Ihr unter meinem Dach lebt!« Vaters Stimme hallte bis auf die Straße hinaus. Plötzlich sprach er bedrohlich verhalten, verharrte am Fenster, genau unterhalb der Stelle, an der sie stand. »Niemand spricht den Namen länger in meiner Gegenwart aus.«

      Juliana erschrak, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte.

      »Was suchst du hier? Die Zusammenkunft ist nicht für deine Ohren bestimmt, mein Kind.«

      Hatte ihre Mutter schon lange dagestanden? Ungeduldig zog sie an Mutters Hand, bis die Sonne Dina Serratis helle Haut in glänzendes Licht tauchte.

      »Hört selbst, Mutter! Vater droht dem capomaestro! Was hat er gegen ihn? Assunita sagt, in der Stadt redet man bereits über Vaters Jähzorn.« Juliana wagte nicht, ihre Mutter anzusehen, während sie sprach. Mit ihren achtzehn Jahren war sie weder Kind noch Frau, pflegte Dina zu sagen. An der Tür zu lauschen, stand einem Mädchen ihres Standes nicht zu, auch wenn sie die Unvernunft des freien Geistes quälte.

      »Es war ein aufregender Morgen, Juliana. Ruh dich aus und sag deiner Freundin, sie soll dir nicht solchen Unfug erzählen«, schalt ihre Mutter sanft und nahm sie liebevoll in ihre Arme. »Zeig mir lieber deinen neuen Surcot, den Vater extra in Mailand für dich hat anfertigen lassen.«

      Juliana folgte ihrer Mutter in ihre Kammer, während sie gedankenverloren eine ihrer widerspenstigen goldblonden Locken drehte. Der Stoff in der Farbe des Meeres, den sich Juliana über den Kopf streifte, betonte ihre blauen Augen. Stolz auf das prachtvolle Gewand wirbelte sie durch die Kammer, bis die Deckenmalerei zu einem bunten Einerlei verschwamm.

      »Ein herrliches Material, das deine Vorzüge betont, Liebes.« Mutters Blick traf sie strafend, weil Juliana ausgelassen auf dem Bett landete. »Dein Vater ist uneinsichtig in so mancher Hinsicht, doch er liebt dich über alles.« Ein Schatten überzog das anmutige, schöne Gesicht Dina Serratis, die am offenen Fenster verharrte. Zierliche, hohe Wangenknochen und volle, weiche Lippen, die Vater so gern küsste. Mutters Bewegungen wirkten stets bedacht und sanft. In ihnen lag eine Stärke, die ihre stolze Herkunft verriet. In der Gegenwart ihrer Mutter fühlte Juliana sich oftmals unscheinbar, unsicher in allem, was sie tat und sagte.

      Julianas Blick wanderte unschlüssig zu dem schicksalhaften Ort, der in den letzten Monaten ihrer aller Leben verändert hatte. Sie dachte an die Männer, die dort ihre Arbeit verrichteten, und fragte sich, ob sie von derselben Ungewissheit des nächsten Tages belastet waren wie sie. Natürlich, sie besaß alles, was ein junges Mädchen aus gutem Hause begehren konnte. Dennoch verspürte sie manchmal eine schmerzliche Leere, die zu füllen sie von Tag zu Tag stärker verlangte.

      Vater betonte gern, dass seine einzige Tochter ihrer Mutter mit ihrer blassen Haut und dem wachen Blick ähnlich sei. Er schätzte sich glücklich, eine ansehnliche Tochter mit guter Erziehung zu haben. In den letzten Wochen hatte er es immer öfter erwähnt. Bei den sonntäglichen Spaziergängen zog Juliana bereits große Aufmerksamkeit auf sich. Anders als die Mädchen in ihren Kreisen, die beim Sticken und Singen von nichts anderem sprachen, verabscheute Juliana jeglichen Gedanken an ihre Zukunft, an Ehe. Die Blicke fremder Männer ängstigten sie. Erst neulich hatte sie bemerkt, dass sich ihr Körper veränderte. Die sanften Hügel ihrer mädchenhaften Brust wuchsen im Gegensatz zu ihrem Interesse, dem anderen Geschlecht zu gefallen. Darum war sie froh, wenn Vater die Arbeit öfter von gemeinsamen Ausgängen abhielt. Oder gab es einen anderen Grund, weshalb er sich kaum mit ihr auf der Straße zeigte? Schämte er sich ihrer, weil sie unverheiratet in der Casa Serrati weilte? Lieber hing sie romantischen Hirngespinsten nach, statt ihrer Mutter beim Sticken Gesellschaft zu leisten. Selbst Assunita, ihre treue Freundin und Verbündete im Herzen, war seit Kurzem einem befreundeten Bäckermeister in Fiesole versprochen. Aus heiterem Himmel. Bald würde die vertraute Freundin nicht mehr da sein. Das ruhige Mädchen mit einem Herz aus Gold würde am Ende des Herbstes in ein neues Leben ziehen, Ehefrau eines Mannes sein, der dann die Macht über ihr Schicksal in den Händen hielt. Juliana schauderte. Sie war nicht undankbar oder ungehorsam, doch predigte Vater nicht ständig, Florenz sei die Stadt der Freigeister? Warum wurden dann Assunita oder sie zu etwas gedrängt, das sie nicht wollten? Viel lieber wäre sie frei und ungezwungen wie die Künstler in der Dombauhütte hinter der Santa Maria del Fiore. Ja, sie neidete ihnen, dass sie ihre gewagten Ideen ausleben konnten.

      »Was hat Vater gegen den capomaestro? Je mehr Menschen in die Stadt kommen, desto mehr Arbeit fällt ihm zu.«

      Ihre Mutter zog Juliana sanft zu sich. »Dein Vater hat genug zu tun, sei unbesorgt. Er meint nicht, was er sagt.«

      Juliana blickte über die nahe gelegenen Dächer zur Kathedrale und lächelte ihre Mutter verschwörerisch an. »Darf ich heute endlich das Modell von der cupola sehen, von dem Antonio gesprochen hat? Vater hat es mir versprochen.«

      Die Gemüter in Vaters Arbeitszimmer erhitzten sich offenbar in diesem Augenblick erneut. Die zorngefärbten Stimmen verunsicherten auch ihre Mutter, die auf die Tür zusteuerte. Ihre Augen verdunkelten sich. »Wir sprechen darüber, sobald sich dein Vater beruhigt hat«, sagte sie und verließ mit eiligen Schritten die Kammer.

      Der besorgte Klang in der Stimme ihrer Mutter bereitete Juliana Sorgen. Nie hatte sie ihren Vater so wütend erlebt, dass er sogar seinen besten Freund des Hauses verwies, wie er es soeben tat.

      Juliana verließ ihre Kammer im Piano nobile, ging in das darunterliegende Stockwerk, um besser sehen zu können, und blickte über die Balustrade der Galerie in den kühlen Innenhof, wo sie ihren Vater am Eingangsportal entdeckte. Die hastigen Schritte der Männer auf den Cotti, die den Boden des Innenhofes auskleideten, schallten. Schulter an Schulter gingen Vaters Freunde. Hatten sie Angst, der notario würde ihnen aus Zorn den rettenden Ausgang versperren? Ängstlich musterte Juliana die schweren Querbalken und vergitterten Fenster des Hofs.

      »Sucht Euch einen anderen, der diesen Unfug beurkundet!« Der hagere Mann mit den wachsamen Augen ballte die Faust. »Einen, der für ein paar lumpige Gulden bereit ist, seinen Ruf zu verspielen. Wie dieser eingebildete capomaestro den seinen!«

      »Deine Selbstherrlichkeit und deine Unvernunft bringen dich in den Bargello, werter Freund«, sagte Giovanni.

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