Die Muse von Florenz. Manuela Terzi

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Die Muse von Florenz - Manuela Terzi

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jemals kommen sollte.

      Unter lautem Jubel wurden Weinbeutel herumgereicht. Vom einfachen Handwerker bis zum Patrizier wanderten sie, bis die Beutel ihren Vater erreichten, just bevor sie die Basilika betreten wollten.

      »Trinkt, Serrati! Es ist auch Euer Verdienst, dass wir heute hier stehen und feiern!«, rief einer der Handwerker, von oben bis unten mit Schmutz und Mörtel überzogen. Die anderen Männer verloren ihre Scheu. Sie scharten sich sofort um Juliana und ihren Vater und johlten begeistert. Für einen Tag vergaßen sie, dass dieser Mann nicht ihresgleichen war, sondern aus der Zunft der Arte dei Guidici e Notari stammte. Ungeduldig warteten sie, dass er einen Schluck nahm und ihnen Lob aussprach. Einen kräftigen Zuspruch an die vielen geschundenen Hände ausrief, die unermüdlich Steine schleppten und sie kunstvoll auf dem Tambour versetzten, der bald die höchsten Geschlechtertürme der Stadt überragen würde.

      »Trinkt lieber mit ihnen, Vater«, flüsterte Juliana lächelnd. Dass es diesem beredten und wortgewandten Mann die Sprache verschlug, musste sie beim Abendbrot unbedingt ihrer Mutter erzählen. Ihr Vater nickte zustimmend und führte den Weinbeutel unter dem Jubel der Arbeiter an seinen Mund. Juliana nutzte die Gelegenheit und floh durch die Porta della Mandorla ins kühle Innere der Basilika, getrieben von Ungeduld und Neugier.

      Kapitel 2

      Dunkelheit empfing Juliana im Inneren der prachtvollen Basilika, in deren Bauch sie sich unendlich klein fühlte. Hinter ihr drängten die Menschen ungestüm nach, so schritt sie blindlings weiter. Es dauerte einige Zeit, bis sich ihre Augen an die Düsternis im Gotteshaus gewöhnt hatten und sie das Modell im sanften Lichtschein erkannte, der durch die große Öffnung in der Decke fiel. »Der Cupolone!« Sie bekreuzigte sich ehrfürchtig und starrte durch das klaffende Loch über ihr, das in ferner Zukunft die vollendete cupola verschließen sollte. Der glänzende Marmorboden klebte vor Schmutz und Staub, doch das hielt Juliana nicht davon ab, weiter auf das Modell zuzugehen und überwältigt auf die Knie zu sinken.

      Ein paar Männer abseits der staunenden Menschen stritten heftig miteinander und beachteten den Entwurf des gewaltigen Bauwerks und die Besuchermenge kaum. Ihre Stimmen überschlugen sich vor Zorn in dem Gewölbe, bis die Besucher ihre Köpfe zu ihnen drehten. Juliana war es egal. Einzig und allein dem Modell galt ihre ganze Aufmerksamkeit. Ihre Finger zitterten. Sie widerstand nicht länger der Versuchung und streckte die Hand aus, bis sie die dünnen Streben berührte. Die Augen auf das Modell gerichtet, beugte sie sich tiefer, bis sie von unten durchblickte. Wer konnte ein solches Wagnis eingehen, ohne Angst vor dem eigenen Versagen? Der immer heftiger werdende Disput störte ihre Beobachtung. Sie zischte verärgert, aber die Männer verstummten nur für einige Atemzüge. Während sie sich weiter mit Flüchen belegten, wähnte sich Juliana am höchsten Punkt der vollendeten Kuppel, meinte, den Wind in ihrem Haar zu spüren. Ihr Blick glitt über das breite Flussbett des Arno, das tosende Wasser und die sandbraunen Ufer. Die Farbe des Flusses wandelte sich in funkelnde dunkle Augen. Jemand packte sie an der Hand und riss sie hoch.

      »Seid Ihr närrisch? Wollt Ihr das Modell zerstören? Das bringt Unglück!« Ein Handwerker, der offenbar das Modell bewachte, umklammerte ihre Hand. Wutschnaubend stand er vor ihr, entschlossen, sie zu bestrafen.

      Entrüstet riss sie sich los und stieß dabei mit ihrer Hand gegen das Tischlein, auf dem das Modell stand. Durch den Stoß brach die Miniatur auseinander. Der größere Teil mit der gewölbten Kuppel neigte sich bedrohlich zur Seite und entblößte das Innenleben des Bauwerks. Jeden steinernen Bogen, jede hölzerne Rippe konnte sie trotz des schummrigen Lichts genau erkennen. Sie begriff, wie wagemutig das Unternehmen tatsächlich war. Dem Grätengeflecht eines Fischs gleich sollten rote Backsteine ineinander versetzt verlaufen. So wurde ein beinahe unzerstörbares Mauerwerk gebildet, das sich in der Mitte zunehmend wölbte. Und darunter? Ungläubig trat sie näher, sank wieder auf die Knie, suchte nach einem stützenden Fundament, Balken, doch da war nichts. Nichts? Vertraute Brunelleschi tatsächlich darauf, dass Gott ihm treu ergeben war? Dann verschlug es ihr den Atem. Die cupola! Schwebend. Anmutig in kühn angesetzten Bögen aus Holz und Stein geformt, von der wagemutigen Hand des capomaestro. Die Streben und Querbalken verschwammen vor ihren Augen, wurden ergänzt durch Berechnungen und unverständliche Formeln. Sie hatte diese Pläne in den Händen gehalten! Fassungslos starrte sie auf ihre Handflächen und dann auf das Modell. Warum verwahrte ihr Vater die Pläne der cupola auf seinem Pult?

      Die laute Entrüstung und das Staunen der Besucher unterbrachen den Streit der Männer. Neugierig traten sie näher und klatschten Beifall, sobald sie erkannten, was geschehen war. Jäh schreckte Juliana aus ihren Gedanken hoch und blickte in die Augen des Handwerkers vor ihr. Jemand hatte ein Talglicht entzündet, um den Schaden an dem Modell näher zu betrachten. Nun erkannte sie den Handwerker. Es war jener Mann, der sie an der Baustelle für ihren Mut gelobt hatte, dem notario zu widersprechen. Erinnerte er sich an sie, an ihren einflussreichen Begleiter? Sie holte tief Luft und sah sich um. Wäre es nicht besser zu gehen, statt Gefahr zu laufen, sich mehr seines Zornes aufzuladen?

      »Ist dir das Beispiel genug, Dario, dafür, dass sich dein capomaestro maßlos überschätzt?«, fragte ein Mann den Handwerker spöttisch. Juliana fiel seine außergewöhnlich tiefe Stimme auf. »Bereits die ungeschickte Hand eines Mädchens bringt die Kuppel zum Einsturz!«

      Dario presste die Lippen zusammen und schwieg, während seine Gesichtsmuskeln mahlten. »Ihr werdet mit eigenen Augen sehen, was Euer Verstand nicht zu begreifen vermag. Ihr seid geblendet von Eurem Hochmut, Roberto Mazaretto.«

      Juliana betrachtete die entblößten, ineinander versetzten Querstreben und Pfeiler, die sanft geschwungenen Bögen und Rippen, die über dem Tambour des Modells angebracht waren. Den Handwerker neben sich hatte sie beinahe vergessen, wenngleich sie den Schweiß schwerer Arbeit roch. Roberto Mazaretto setzte zu einer Erwiderung an, doch Juliana kam ihm zuvor. »Es bedarf einer Muse, um dieses Werk zu vollenden«, flüsterte sie und wagte nicht, sich zu bewegen. Darios Gesicht dicht an ihrem spürend, streifte sein heißer Atem ihre Wangen.

      »Eine Muse, meint Ihr?« Erstaunt sah er sie an. Mit dem Abstand weniger Zoll zwischen sich und dem aufbrausenden Mann erkannte sie die Bartstoppeln in seinem schmalen Gesicht. Seine braunen Augen glühten vor Ärger. Eine Braue zog sich leicht nach oben. »Ich werde es ihm ausrichten, doch, bei Gott, ein Weib ist das Letzte, was Pippo braucht!« Er zischte verächtlich. »Raus mit euch! Alle! Geht! Kommt morgen wieder!«

      Der Mann, der Dario ausgelacht hatte, nickte mit dem Kopf zum Portal, worauf seine Begleiter die Basilika verließen. Er selbst verharrte. Sein Blick glitt über Julianas Gestalt. »Von Darios Liebchen lasse ich mir nicht ins Wort fallen! Geh mir aus dem Weg, Mädchen, bevor mir eine gerechte Strafe für dich einfällt«, blaffte er.

      »Darios …« Juliana verstummte. Er hielt sie wohl für eine von den Frauen, die sich für Geld auszogen. Bevor sie sich verteidigen konnte, stellte sich Dario schützend vor sie.

      »Fürchtet Ihr ein unschuldiges Mädchen so, dass Ihr ihm den Mund verbieten wollt?«

      Juliana holte entsetzt Luft. Was um Himmels willen veranlasste die beiden Männer, über ihren Kopf hinweg zu sprechen, ohne ihr ein Wort zuzubilligen? Warum klärte Dario den Irrtum nicht auf? Wer war dieser eingebildete Mann, der glaubte, ihr Befehle erteilen zu dürfen? Und Dario – nur allzu deutlich zeigte sich, dass er den Patrizier von schmächtigem Wuchs und dieser abscheulich tiefen Stimme hasste. Doch er ließ ihn im Glauben, sie sei eine Dirne. Im Halbdunkel erkannte sie deutlich Darios Missbilligung. Er blieb unbeirrt an ihrer Seite und wartete darauf, dass dieser ungehobelte Kerl verschwand.

      »Wie man hört, habt Ihr einen neuen Förderer gewonnen. Schade, dass Ihr sein Geld ausgegeben habt …« Er nickte mit einem hämischen Lächeln in Julianas Richtung. »Und solchen leichtfertigen Männern vertraut die Opera dieses Bauwerk an.«

      »Hochmut

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