Die Muse von Florenz. Manuela Terzi
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Читать онлайн книгу Die Muse von Florenz - Manuela Terzi страница 8
Sofort erntete sie furchtsame, gar bestürzte Blicke. »Juliana Serrati! Es ist hoffentlich nichts passiert, dessen du dich schämen musst, oder?«
»Was, wenn es so wäre?«, flüsterte Juliana erstickt. Ihr Herz schlug so heftig gegen die Rippen, dass es wehtat. »Assunita. Was weißt du noch über …?«
»Juliana!« Harsch erklang die Stimme ihres Vaters über die Galerie, die den Innenhof an drei Seiten umrahmte.
Beschämt blickte Juliana zur Tür, wo Maria, ihre Kinderfrau, sie rügend ansah. »Was hast du wieder angestellt?«
Hastig entriss Juliana ihrer Freundin den Backstein und legte ihn in die Truhe zurück. Ungestüm schlug sie den Deckel zu und hätte Assunita beinahe die Finger eingeklemmt. »Ich bin die Tochter meines Vaters, Maria«, gab sie leichthin zurück und warf Assunita einen besorgten Blick zu.
»Er kann dir keinen Vorwurf machen. Nicht nachdem …«, sagte Assunita.
Sich keiner und aller Schuld bewusst, wich Juliana Marias Umarmung aus und eilte über die knarrende Galerie.
»Verzeiht, Vater!«, rief sie in den Salon, wo ihr der Vater verärgert entgegensah.
»Ich dulde deine Eskapaden nicht länger, Juliana. Du bringst in meinem Arbeitszimmer die Akten durcheinander, und kaum drehe ich dir den Rücken zu, läufst du aus dem Haus.«
Verwirrt blickte Juliana ihre Mutter an. »Ich bin seit dem Morgen in meiner Kammer, Vater! Assunita ist hier.«
»Sei nicht so streng mit ihr, Ferdinando.« Dina schmiegte sich an ihren Mann und küsste ihn sanft.
Er erwiderte die Zärtlichkeiten nicht. »Es ist meine Pflicht, mich um Julianas Wohl zu sorgen.«
»Bewahrst du Juliana vor Unheil oder ist sie es, die dich beschützt? Gespottet haben sie, weil dein Kind dich heimbringen musste!«
Mit aufrechtem Rücken saß ihr Vater hinter dem mit kostbaren Schnitzereien verzierten Tisch und nickte ergeben. »Wer war dieser Mann? Ich glaube, ihn zu kennen.«
»Er heißt Roberto Ma…«
Dina unterbrach ihre Tochter. »Wie auch immer, du hast Juliana gerufen, mein Lieber. Was wolltest du denn?« Offenbar hatte auch sie bemerkt, dass seine Gedanken in eine weit entfernte Welt glitten.
Nachdem ihre Mutter ihn ermahnt hatte, sah er auf und fand in die Casa Serrati zurück. »Geh, bevor ich etwas sage, das mir leidtut. Geh mit Assunita raus. Das wolltest du fragen, nicht wahr?«
Juliana brachte ein klägliches Nicken zustande. Zu bitter schmeckte ihr Triumph, geboren auf ihres Vaters Niederlage.
»Danke, Vater, ich sage es gleich Assunita!«, presste sie hervor. Aus dem Schatten der Galerie sah sie zurück. Vaters Gesicht neigte sich verzerrt nach oben. Was quälte ihn nur, dass er die Sorge um ihr Wohlbefinden neuerdings so übertrieb?
*
Juliana seufzte. Ungeduldig blickte sie auf die Via Porta Rossa zurück, wo Assunita zögernd stehen geblieben war. »Wenn du Angst hast, das Gebet zu verpassen, dann bleib hier, Assunita.« Da Vater ihr erlaubt hatte, die Casa zu verlassen, konnte Juliana es kaum erwarten, durch die Straßen zu laufen und die Neuigkeiten, die man sich über Brunelleschi erzählte, selbst zu erfahren.
»Sie läuft dir nicht davon, diese Kuppel«, murmelte Assunita verärgert, aber ihre treue Begleiterin folgte Juliana, wie sie es immer tat.
Das vom nächtlichen Regen dunkel gefärbte Mauerwerk der Casa Serrati wirkte bedrohlicher als die Strafpredigt, die Juliana erwartete, wenn ihr Vater von ihrem wahren Ziel erfahren würde. Verträumt stellte sie sich vor, mit Dario am Arno entlang zu streifen, bis die Abendglocken mahnten, die Porta al Prato zu passieren, bevor das Tor über Nacht geschlossen wurde. Allein die Vorstellung trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, dabei regierte kühlender Schatten zwischen den Zinnen der Geschlechtertürme. Bald schon würde die Hitze ihr blondes Haar kräuseln. Unwillig schüttelte sie den Kopf, weil Assunita erneut ihr Tempo verlangsamte und vor dem sechseckigen Turm der Badia stehen blieb.
»Ich kann nicht so schnell, Juliana«, jammerte sie.
»Komm weiter!« Die Erwartung spornte Juliana an. So sehr, dass sie kaum dazu kam, sich um die Freundin zu sorgen, die neuerdings öfter seltsam bleich im Gesicht und rasch außer Atem war.
»Man hat ihn wieder aus der Sitzung geworfen!«, rief Assunita wohl in der Hoffnung auf eine kurze Pause bei einem Brunnen.
»Brunelleschi?« Juliana vergaß, dass sie ihre Freundin antreiben wollte, worauf Assunita schmollte und weiterging.
»Die Kuppel. Immer nur diese Kuppel. Kaum erwähne ich sie oder den capomaestro, ist mir deine Aufmerksamkeit sicher. Hast du nicht von der neuen Fehde gehört?«
Just in diesem Moment passierten die beiden Mädchen den Bargello. Hier fanden die Sitzungen der Priori delle Arti statt, eines Teils der Signoria. In den tiefer gelegenen Kellerverliesen darbten die Gefangenen, die von goldglänzenden Gulden, Licht und Sonne nur träumen konnten. Juliana schluckte. Wenn der capomaestro seinen Zorn nicht mäßigte, landete er im Gefängnis, und was passierte dann mit dem Bau der Kuppel? Und Vater? Auch ihn warnten seine Freunde, dass sein Jähzorn ein böses Ende finden könnte.
Nein, heute wollte sie nichts von Fehden hören oder gar Trübsal blasen, wo ihr Bernardo am Morgen nach dem Frühstück von einer neuen Lieferung Marmor berichtet hatte. Erst gestern waren schwere Karren durch die Gassen gepoltert. Schwer beladen mit frisch gebrannten Ziegeln, Tausende und Abertausende, die Woche für Woche hergebracht wurden. Einen Teil davon brannten die Arbeiter in der Via Ghibellina. Sie kamen mit dem kleinen Brennofen kaum hinterher, die Backsteine waren schneller verputzt als geliefert. Sie dachte an den, der in der Truhe in ihrer Kammer lag und sie stetig an den Mann erinnerte, der ihr dieses ungewöhnliche Geschenk gemacht hatte. Ihr Herz schlug schneller.
»Kaum endet eine Fehde, beginnt eine neue«, meinte Juliana daher geistesabwesend und überging die Frage ihrer Freundin. Die Streitigkeiten der großen Familienclans, der Lippi und Baretti, Catalani und Medici, interessierten sie nur, wenn sie mit der Arbeit ihres Vaters zu tun hatten. Gelegentlich bedurften solche Lappalien und größere Zwiste eines notario. Viel spannender war für Juliana, was auf den Baustellen zwischen der Via dell’Oriuolo und der Via dei Servi vor sich ging. »Hörst du, Assunita? Sie arbeiten wieder.« Sie genoss den Klang des gleichmäßigen Aufeinandertreffens von Äxten und Holz.
Kaum eine Straße konnten sie nahe der Piazza del Duomo durchqueren, ohne auf Arbeiter oder unvollendete Baustellen zu treffen. Brunelleschis Absicht forderte wohl auch den Ehrgeiz anderer heraus. An den Hauswänden, mehrere Braccia hoch gestapelt, ließen Bretter und Backsteine die Gassen so beengt werden, dass die Fuhrwerke kaum hindurchpassten. An der Zahl der Wagen und Händler, die bereits die Stadttore passiert hatten und zum mercato fuhren, ahnte Juliana, dass sie viel Zeit vergeudet hatten. Warum musste Assunita über die Via del Colomero laufen, wo andere Abzweigungen viel leichter zu passieren wären?
»Schneller!«, rief sie Assunita ungeduldig zu.
»Nicht mal Brunelleschi treibt seine Ochsen so an! Du bist ihm nicht unähnlich. Verbohrt.«
»Ochsen?