Die Muse von Florenz. Manuela Terzi

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Die Muse von Florenz - Manuela Terzi

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matten Lichtschein, der die hintere Wand ihrer Kammer teilte. Behutsam strich sie mit der Hand über die Wand und wich überrascht zurück. Ein weiterer Geheimgang? Schon drückte sie gegen die mit weichem Brokat bezogene Wand. Sie meinte, die Stimmen lauter zu hören, drückte, bis die Wand einen Gang preisgab.

      »Er wird dafür büßen, was er mir und meiner Familie angetan hat!« Nach einigen Schritten vernahm sie die Stimme ihres Vaters so laut, als stünde er unmittelbar neben ihr.

      Kapitel 4

      Dämonen jagten Juliana durch dunkle Gänge, in denen tiefes, unheilvolles Grollen und schmerzerstickte Schreie hallten. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Ein grelles Licht am Ende des Ganges versprach Rettung, doch es entschwand immer wieder ihrem Blick. Mit jedem Schritt entfernte sie sich mehr vom Weg der Tugend und verlor sich in lockender Süße verzehrender Leidenschaft. Juliana zerrte verzweifelt an ihrem Surcot, der an Nägeln in der Wand hängen geblieben war und sie daran hinderte, den rettenden Schein zu erreichen. Ein greller Lichtstrahl blendete sie.

      »Herr im Himmel, ich werde nie wieder Unrecht tun!«, rief sie und fuhr hoch. Schweißgebadet saß sie am nächsten Morgen in ihrem Bett und begegnete dem besorgten Blick ihrer Mutter.

      »Du hattest einen Albtraum, Liebes.« Dina fasste nach Julianas Hand und zog ihr den Surcot über die entblößten Schultern.

      »Die Sonne ist so hell.« Juliana hielt inne. Die Fensterläden waren wieder offen!

      »Die gute Maria wird nachlässig. Hast du im Surcot geschlafen?« Dina ließ prüfend ihren Blick über das ungewohnte Chaos in Julianas Kammer wandern. »Zieh dich ordentlich an und komm in mein Zimmer, dann sprechen wir über alles«, sagte sie.

      »Hat Vater also endlich Vernunft angenommen«, flüsterte Juliana erleichtert. Hastig setzte sie sich auf und umarmte ihre Mutter. Sie dachte an die seltsame Unterredung der Männer, die sie belauscht hatte. Welche Verträge hatte Vater geändert und in wessen Auftrag? Er war bekannt dafür, dass alles auf den Gulden genau festgehalten wurde.

      »Das Talglicht erlosch vor dem Schlafengehen mitten im Gebet.« Julianas Wangen glühten. Sie bemerkte die verräterischen roten Flecken auf dem Bettlaken. Und die Fußspuren zur Wand, wo sie die unverhoffte Tür zum Geheimgang entdeckt hatte. Gewiss gab es noch mehr in der Casa Serrati.

      In ihrer Aufgewühltheit nach ihrem Ausflug hatte sie Darios Geschenk mit ins Bett genommen. Rasch rutschte sie über die schmutzige Stelle, um die Neugier ihrer Mutter nicht zu schüren, und ignorierte das unangenehme Drücken des Backsteins unter ihrem Gesäß. Kaum hatte ihre Mutter die Kammer verlassen, stürzte Juliana ans Fenster. Der vertraute Duft der Stadt waberte um ihre Nase. Frische Luft erfüllte die Kammer und schenkte ihr neue Hoffnung. Von Leichtigkeit erfüllt, drehte sie sich übermütig im Kreis, bis sie taumelnd auf das Bett zuwankte und hineinfiel. Sie konnte die Casa verlassen, war nicht länger Gefangene. Das Klopfen und Hämmern an der Piazza del Duomo, das in den letzten Minuten bis zu ihrem Fenster zu hören gewesen war, erfüllte sie mit Lebenslust.

      *

      Mit einem Lächeln betrat sie nach einer äußerst flüchtigen Morgentoilette Mutters Salon. Dort verzog sie enttäuscht den Mund. In der Mitte des Tisches stand eine geöffnete Holztruhe mit halb fertigen Stickereien.

      Ihre Mutter ignorierte ihre Enttäuschung und wies auf den Stuhl zu ihrer Rechten. »Es wird Zeit, dich deinen Kunstfertigkeiten zu widmen. Dein Vater muss in einer dringenden Sache in die Signoria. Wir haben also den ganzen Tag Zeit zu reden und ich habe ein Auge auf die Fortschritte, die deiner Aussteuer zugutekommen.«

      Juliana schluckte. Sollte sie ihre Mutter fragen, ob Antonio tatsächlich gewillt war, sie zu ehelichen? Was wollte er mit einer jungen Frau, die kein Interesse am Sticken zeigte und deren Herz längst vergeben war?

      Von Weitem konnte man deutlich erkennen, welche Stickereien durch die geschickte Hand ihrer Mutter entstanden waren. Die kunstvoll verzierten Tücher und Deckchen machten die Casa Serrati wohnlich. Sie zeugten von der liebevollen Hand einer Frau, die es perfekt verstand, den Haushalt zu führen und ein gemütliches Heim zu gestalten. Im Gegensatz dazu die zerknüllten, halb vollendeten Tücher Julianas, die vielleicht Maria aus Sentimentalität aufbewahrte. Keinesfalls würden sie jemals einen Tisch zieren. An manchen Stellen eines vermaledeiten Tüchleins erinnerte sich Juliana sogar an die damit verbundenen Tränen. Bei Gott, sie verabscheute diese quälend langsam verrinnenden vertanen Stunden der Stickerei!

      Der seltsame Traum der letzten Nacht ging ihr nicht aus dem Kopf. Schuld daran war ihr Vater. Sein Zorn trieb ihn immer tiefer ins Verderben. Er wird dafür büßen, was er mir und meiner Familie angetan hat. Dieser Satz ging ihr nicht mehr aus dem Ohr. Meinte er tatsächlich den capomaestro oder verwechselte er ihn im Zorn?

      Ihre Rückkehr aus dem zufällig entdeckten Geheimgang war eine Flucht gewesen. Längst war das Talglicht in ihrer Hand erloschen, sodass sie Schritt für Schritt durch die Dunkelheit einen Weg zurück in ihre Kammer hatte finden müssen. Außer Atem und voller Angst hatte sie bis zum Morgengrauen in einer Ecke gekauert und war erst kurz vor Mutters Erscheinen mit Darios Backstein in der Hand unter die Decke geschlüpft.

      Beschämt sah Juliana auf ihre Finger, während Mutter unbeirrt an ihrer Stickerei arbeitete. Nicht nur das Rot des Backsteins hatte seine Spuren hinterlassen. Staub und ein übler Geruch hingen in ihrer Nase. Der Backstein ließ sich nicht verleugnen, fürchtete sie. Er brandmarkte sie. Darum nahm sie verstohlen das größte Tuch in der Hoffnung, Mutter würde mehr auf ihre eigene Stickerei achten und nicht auf Julianas Finger. Gehorsam setzte sie sich auf den Stuhl und beobachtete die zarten Hände ihrer Mutter, die mühelos mit Nadel und Garn umgingen und Stich für Stich ein kunstvolles Muster zauberten.

      »Meine Aussteuer hat keine Eile, Mutter«, sagte sie leichthin und stach mit bester Absicht die Nadel unbeholfen in den zarten Stoff. »Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben, fern dieser Stadt und überhaupt …«

      Dina legte ihre Arbeit beiseite und sah ihre Tochter lächelnd an. »In meinem Herzen magst du immer mein kleiner Engel bleiben. Du bist eine junge Frau und musst deine eigenen Wege gehen.«

      »Das will ich auch, doch Vater lässt mich nicht. Ich mag so gern hinaus und das Modell der cupola sehen, ohne dass Vater mich begleitet. Ich verspreche Euch, ich komme auf dem schnellsten Weg heim und sticke, bis es in ganz Florenz kein Garn mehr gibt«, beteuerte sie. »Ich schwöre bei all…« Sie brach ab, weil ihre Mutter plötzlich in Tränen ausbrach.

      »Du bist wie dein Vater! Immer spielt ihr mit der Wahrheit und tut, als wäre alles in Ordnung. Die ganze Stadt hat euch verspottet?«

      Juliana verstand nicht. Dann dämmerte ihr, wovon ihre Mutter sprach, und sie ließ die Stickerei jäh fallen. Was sollte sie tun? Was durfte sie sagen, ohne das seltsame Verhalten ihres Vaters zu entblößen? »Maria übertreibt. Du kennst sie ja«, erklärte sie mit gespielter Leichtigkeit. »Die Leute mussten lange warten und es hatte zu trinken gegeben.« Sie hoffte, dass ihre Mutter sich mit dieser Erklärung zufriedengab. Eilig wand sie die Stickerei in ihren Händen. »Zeigst du mir, wo ich die Fadenenden vernähen muss?« Ungewohnt wissbegierig und eifrig hielt sie ihrer Mutter das zweifelhafte Kunstwerk entgegen. In diesem Moment klopfte es an der Tür und Bernardo kündigte Besuch für die Herrin an.

      Juliana, erleichtert, dem quälenden Miteinander entkommen zu sein, sprang auf. »Ich ziehe mich in meine Kammer zurück, Mutter.« Kaum hatte sie die Schwelle erreicht, blieb sie erstarrt stehen.

      »Ferdinando! Ich muss mit dir reden!« Die herrische Stimme, die bis zur Galerie hinauf unüberhörbar war, gehörte ihrer zänkischen Tante Apollonia. Vaters ältere Schwester wohnte nahe

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