Die Muse von Florenz. Manuela Terzi

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Die Muse von Florenz - Manuela Terzi

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die Basilika verlassen wollt.« Er deutete eine Verbeugung an und wies Roberto spöttisch den Weg. Doch Juliana entging nicht Darios verletzter Gesichtsausdruck. Dennoch verwunderte sie die Verbitterung in seiner Stimme, mit der er dem Patrizier widersprach.

      Roberto verabschiedete sich mit einem Lächeln, als wäre nichts geschehen.

      »Wer war der Mann?«

      Dario hörte sie nicht. Er starrte geistesabwesend auf das Modell. »Sie glauben, ein paar Beutel mit Münzen schmälern ihr Unrecht, doch sie täuschen sich. Wir brauchen ihr schmutziges Geld nicht.« Mit wenigen Handgriffen setzte er die scheinbar zerbrochene Kuppel wieder zusammen.

      Wie sanft der muskulöse Mann die Teile behandelte. Beinahe zärtlich und mit einer Anmut, die sie diesem grobschlächtigen Handwerker nicht zugetraut hätte. Dennoch!

      »Ihr habt die Leute im Glauben gelassen, ich hätte das Modell zerstört, und schlimmer noch, dieser Mann denkt, ich wäre …!« Julianas Stimme brach.

      »Mazaretto? Ein sonderbarer Mann. Niemand weiß, woher seine Familie stammt. Plötzlich war er da und drängte sich überall auf. Ihn musst du nicht fürchten, Kindchen.«

      Kindchen? Aufgewühlt kehrte sie Dario den Rücken. Der über den marmornen Boden gleitende Surcot verschluckte Julianas hastige Schritte zum rettenden Ausgang. Sie bahnte sich einen Weg durch die enttäuschte Menge, die ihretwegen auf den nächsten Tag vertröstet worden war. Sie spürte Darios Blick und zwang sich, sich nicht umzudrehen. Niemals wollte sie diesem Mann die Genugtuung geben, gesiegt zu haben. Noch trennte sie ein Dutzend anderer Köpfe von der Begegnung mit ihrem Vater, der sicher wachsam ihre Schritte verfolgte. Neugierig würde er sie fragen, ob es ihr gefallen hatte. Zögernd blieb sie unmittelbar vor dem Ausgang stehen. So konnte sie ihrem Vater nicht gegenübertreten. Ihre Wangen brannten. Ob vor Scham oder Zorn, vermochte sie nicht zu sagen, so durcheinander war sie wegen dieses, dieses Arbeiters, der weiß Gott einen Eimer Wasser brauchte! Maria, ihre tatkräftige Kinderfrau, hätte ihn gepackt und in den Arno gezerrt, wäre sie dabei gewesen.

      »Wartet.«

      Sie spürte etwas in ihren Händen, doch das durch die offene Tür einfallende Sonnenlicht blendete sie. So konnte sie nicht ausmachen, was es war. Das Ding war schwer und hatte eine raue Oberfläche.

      »Schließt Pippo in Eure Gebete ein. Vielleicht braucht er tatsächlich eine Muse, um seine Zweifler zu überzeugen«, murmelte Dario, dann verschwand er in der Menge.

      Juliana trat ins Freie. Zu spät bemerkte sie den Patrizier, der im Schatten des Seitenportals stand und sie beobachtete. Robertos hasserfüllter Blick fiel auf den Stein, den sie unbeholfen und verwirrt umklammerte.

      »Was für eine Verschwendung«, sagte er, dann wanderte sein Blick weiter zur unvollendeten Kuppel. »Jeder Gulden, der in diesen Bau wandert, ist mit Blut befleckt. Ihr macht Euch mitschuldig, wenn Ihr das nicht begreift, dummes Ding. Wärt Ihr mein Weib, ich wüsste, auf welche Weise ich Euch zur Vernunft bringe!«

      *

      Ein kalter Schauer lief Juliana über den Rücken. Verwirrt schaute sie auf den rötlich schimmernden Backstein in ihren Händen – ein Stein aus dem Cupolone! Neidvolle Blicke trafen sie. Hastig verbarg sie den Stein unter ihrem Arm und hielt nach ihrem Vater Ausschau. Der notario stand wenige Schritte von der Basilika entfernt und trank vor den Augen des Herrn, ohne sich zu mäßigen. Nur mühsam hielt er sich auf den Beinen und torkelte zur Freude der Handwerker, die ihm immer wieder den Beutel antrugen. Besorgt neigte sie sich über ihren Vater, der in diesem Moment auf die Knie gesunken war und nur mühsam seine Tränen zurückhielt.

      »Es ist ein Fluch, glaubt mir!«

      »Vater! Steht auf! Wenn jemand vom Rat Euch so sieht!« Hatten ihm gar die Arbeiter so übel mitgespielt in ihrer Trunkenheit?

      »Zum Teufel mit diesem Verräter!«, schrie ihr Vater von Sinnen und schleuderte den halb leeren Beutel von sich.

      Beschämt, weil der sonst so auf seinen Ruf bedachte Mann dem Wein so eifrig zugesprochen hatte und sich die gehässigen Rufe der Zuschauer mehrten, wandte sich Juliana ab. Ekel überkam sie vor dem eigenen Vater, dem der Trunk aus dem Mund quoll. Er war unfähig, auch nur ein klares Wort über die Lippen zu bringen. Warum hatte er sich in der kurzen Zeit, die sie in der Kirche gewesen war, dermaßen betrunken? Sie entriss dem Arbeiter, der ihr am nächsten stand, einen weiteren Weinbeutel. »Wie könnt ihr meinem Vater das antun?« Sie zitterte vor Zorn, hakte sich bei ihrem Vater unter und versuchte, ihn aus dem Blickfeld der hämischen Leute zu schaffen. Manche spuckten vor ihnen auf den Weg oder warfen ihnen Steine nach. Was war mit diesen Menschen los? Es sollte ein Tag der Freude, des Triumphes werden für alle Florentiner, auch für sie. Die eben empfundene Freude über Brunelleschis Modell rückte in weite Ferne. Nichts war geblieben von ihrer Aufregung, das Modell endlich gesehen zu haben. Nur die Erinnerung an eine schmerzvolle Begegnung mit zwei Männern, die sie verachteten – jeder auf seine Weise. Tränen brannten in Julianas Augen. Mehr als einmal segelte ein Stein nur knapp an ihr vorbei und sie wollte sich umdrehen, um den Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Was hatte sie getan oder ihr Vater, dass sie Derartiges über sich ergehen lassen musste? Schwer atmend hing der notario an ihrem Arm und stieß unflätige Flüche aus. Sie musste ihm beistehen und fragte sich, was in den wenigen Minuten, in denen sie in der Santa Maria del Fiore das Modell bewundert hatte, geschehen war. Vom einst stolzen notario zu einem gebrochenen Mann wegen ein paar Schlucken Wein?

      »Sie werden sich dafür verantworten, jeder Einzelne, nicht wahr, Vater? Niemand behandelt notario Serrati so.«

      »Es ist zu spät, Kind. Ich habe in des Teufels Antlitz gesehen.«

      Juliana verstand sein Gestammel kaum. Ihr Vater schwankte, gebärdete sich, als sei er ein weinerliches Kind, und wurde aufbrausend, weil sie versuchte, ihn auf den Heimweg zu bringen. Ein übler Gestank entströmte seinem Wams und seiner Hose. Endlich erreichten sie das Ende der Piazza. Juliana hob den Kopf, hoffte auf ein bekanntes Gesicht, jemanden, der ihnen half, das letzte Stück des Weges nach Hause leichter zu bewältigen. Inzwischen dämmerte ihr, dass der Gestank nicht vom Wein herrührte, sondern dass er sich beschmutzt hatte. Sie war plötzlich Mutter und musste sich um ihren sonst so starken, kämpferischen Vater kümmern, als wäre er ein Kind. Scham entflammte ihre Wangen. Was die Leute wohl über das sonderbare Vater-Tochter-Gespann dachten?

      Plötzlich drückte ihr Vater sie an sich. »Ich würde alles für dich tun, alles, hörst du? Glaube ihm nichts. Nichts, was er dir erzählt, ist wahr!«, zischte er und stieß sie unsanft beiseite.

      »Geh jetzt heim, lauf, Kind, bevor es zu spät ist!«

      Verwirrt starrte Juliana ihren Vater an. Hatte er vollends den Verstand verloren? Er wirkte, als hätte er einen Geist gesehen. Ihr Vater bedrängte sie weiter, ihn allein zurückzulassen, und sah fieberhaft um sich. »Geh, nur zu!« Dann erstarrte er, wurde kreidebleich im Gesicht und umklammerte Julianas Hand. »Hast du das Modell gesehen, ja?«

      »Geht ruhig, ich kümmere mich um Euren Mann. Gewiss bekommt ihm die Hitze nicht«, bot jemand an und griff ihrem Vater unter die Arme.

      Juliana wollte sich für die diskrete Hilfe bedanken, dann erkannte sie den Mann. Zorn flammte in ihr auf. »Ihr?«

      Roberto Mazarettos Lächeln glich einer Maske. Er tat, als erkenne er sie nicht, und packte ihren Vater am Oberarm, bevor dieser zu Boden stürzen konnte. »Wir sollten ihn an einen ruhigeren Ort bringen, meint Ihr nicht auch?«

      Doch ihr Vater gebärdete sich wie wild, wollte sich losreißen.

      »Lasst

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