Die Muse von Florenz. Manuela Terzi
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Читать онлайн книгу Die Muse von Florenz - Manuela Terzi страница 7
»Sie haben mit Steinen nach uns geworfen, Assunita. Mit Steinen«, flüsterte sie und schmiegte sich an die Freundin. Erleichtert, sich endlich jemandem anvertrauen zu können.
Assunita strich über Julianas Kopf, küsste sie sanft auf die Stirn. »Es sind Dummköpfe. Sie geben deinem Vater, dem notario, die Schuld für die Not.« Assunita konnte niemandem böse sein. In allem und jedem sah sie Gutes. Wäre ihr Haar hell wie Flachs und nicht dunkel, hätte man glauben können, sie wäre ein Engel. Reinen Herzens und voller Verständnis.
»Von wem sprichst du?« Juliana sah verwirrt zu ihrer Freundin hoch.
»Die Arbeiter bekommen Schuldscheine, die sie später einlösen können, wenn die cupola vollendet ist. Nicht alle Patrizier unterstützen diese Idee.«
»Die Patrizier, Mitglieder des Rats meinst du?«
»Dummchen, du kennst es nicht anders. Nicht jeder kann es sich wie dein Vater leisten, eine Büste anzufertigen, die mehr kostet, wie ein eifriger Anwalt in einem einzigen Jahr verdient. Oder in einem solch prachtvollen Haus zu wohnen.«
Juliana seufzte. Warum hatte sie ihrer Freundin bloß von dieser dummen Büste erzählt, die ein Künstler aus der Dombauhütte von ihrer Mutter anfertigen sollte? Unschlüssig hob sie die Schultern und lächelte traurig. Was verstand sie von Geld oder dem, warum Vater diese Büste anfertigen ließ? Diese Büsten und Statuen wurden zu Ehren wichtiger Persönlichkeiten geschaffen, vergeblich suchte sie nach deren Sinn. Die Aufregung um Vaters Etablissement der Künste, einen großen Saal voller Skulpturen und Statuen, die außer ihm niemand sehen durfte, verstand Juliana auch nicht. Selbst die feinsten Patrizier ließ er nicht in dieses Reich. Stundenlang verweilte er darin und trug den Schlüssel dafür an einer Kette um seinen Hals.
Juliana blickte zu der dunkel gebeizten Truhe, in der sie seit Kurzem nicht nur ihre Surcots und Unterkleider aufbewahrte. »Es ist nicht Vaters Schuld, dass sie reich sind.«
Assunita schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre dunklen Locken umhersprangen. »Einen Teil dazu hat dein Vater gewiss beigetragen. Meinst du, ich würde nicht gern in einem Palazzo wie dem euren wohnen? Dummchen! Ihr habt fließendes Wasser und die Köchin fährt euer Essen durch dieses Loch …«
»Das nennt man Fahrstuhl.« Juliana schniefte verlegen. Die beiden Mädchen waren sich so nah in ihren Gedanken, dass Juliana oftmals vergaß, aus welch einfachen Verhältnissen ihre Freundin stammte. Die Tochter des hiesigen Bäckers musste zwar nicht Not leiden, doch die Casa Serrati mit ihren kunstvollen Wandmalereien und dem kostbaren Mobiliar aus aller Welt musste ihrer Freundin einem Märchen gleich erscheinen. Umso mehr freute sie sich über Julianas abgetragene Kleider, auch wenn sich kaum Gelegenheit bot, diese auszutragen. Juliana hielt inne. Durfte sich ihre Familie glücklich schätzen? Sie dachte an den schweren Tresor, den Vater streng bewachen ließ. Oft saß er nachts neben diesem Kasten und starrte auf die schweren Ketten und Schlösser. Sie seufzte leise. Niemand sah in all dem Reichtum und der prunkvollen Casa ihre Fesseln und den goldenen Käfig, der alles von ihr fernhielt, was sie so gern erleben würde.
»Juliana?«
Längst war sie mit ihren Gedanken bei der Piazza, der Basilika und den sehnigen Händen des ungehobelten Handwerkers. Darios Anblick verfolgte sie, wenn sie ihre Augen schloss, und so tat sie, als blende sie die Sonne, um nicht Assunitas Aufmerksamkeit zu wecken. Ob die Freundin verstehen würde, was ihr selbst unerklärlich war? Sie war ein Kind für den erfahrenen Mann. Gewiss hatte er ihre kurze Begegnung längst vergessen. Juliana hingegen konnte an nichts anderes denken.
»Zeig ihn mir. Nur ein einziges Mal, bitte!«
Das hatte Assunita mehrmals gesagt, Juliana hatte das Flehen ihrer neugierigen Freundin nicht gehört. Gedankenversunken blickte sie auf die dicken Stadtmauern, die Florenz umringten. Ihre Ungeduld wuchs, der Enge des Elternhauses für ein paar Stunden zu entfliehen. Sie brannte darauf, die Stadt zu erkunden. Vielleicht begegnete sie ihrem unverhofften Retter aus dem Duomo?
»Gehen wir zu den Stadtmauern oberhalb von San Niccolò?«, fragte sie Assunita unbedarft und tat, als interessiere sie der Backstein und dessen Überbringer nicht länger. Der Wachturm von San Niccolò lag am Ufer des Arno. Er war unzählige Ellen breit. Im Schatten der Stadtmauern konnten sie sich meist unbehelligt aufhalten. Im Dickicht der silbrig glänzenden Olivenbäume entkamen sie oft der brütenden Hitze in den engen Gassen und konnten die stickigen Kleider bis über die Knie raffen. Trotz eines Regenschauers, der zumindest in der Nacht für Abkühlung gesorgt hatte, versprach der klare Morgen einen weiteren heißen Tag. Von dem Wachturm bot sich ein unvergesslicher Ausblick über die Stadt und ihren dichten Kern, dessen Herz Santa Maria del Fiore bildete. Wie prächtig die Kuppel über der Stadt thronen würde, wenn sie fertig war. Auf dem Weg zum Wachturm würden sie unweigerlich die Piazza del Duomo überschreiten, und wer weiß, vielleicht trafen sie wahrhaftig Dario.
Juliana wandte sich fragend um. Assunita kniete bereits mit einem erwartungsvollen Lächeln vor der geöffneten Truhe. Kaum hatte Juliana zustimmend genickt, glitten die Hände ihrer Freundin unter den sorgsam gefalteten Stapel Kleider.
»Ich verstehe nicht, was es damit auf sich hat.« Assunita betrachtete den Backstein belustigt von allen Seiten, dann sah sie bestürzt auf ihre rot gefärbten Hände. »Vielleicht möchte er dich einladen, gemeinsam mit ihm die cupola zu bauen?« Kaum hatte sie das gesagt, bekreuzigte sie sich und senkte den Blick. »Verzeih. Was auch immer diesen Mann dazu bewogen haben mag.«
Juliana horchte auf. »Kennst du Dario?«
»Das ist nicht möglich. Er ist geizig und eigenbrötlerisch, aber verschwenderisch im Verteilen fremder Geldscheine.« Assunita sog überrascht die Luft ein. »Dario gab dir diesen Backstein? Niemals hätte er dir erlaubt, dich dem Modell zu nähern. Er ist gefühlskalt und rau, der Freund deines capomaestro.«
»Sein Freund, sagst du?« Juliana schüttelte ungläubig den Kopf. Auch mochte Dario vieles sein, gewiss nicht gefühlskalt. Sie lächelte verträumt. Die Leidenschaft, mit der er das Modell und sie vor Roberto beschützt hatte, verriet, dass Assunitas Behauptungen nicht zutrafen. Sie hätte nicht gewagt, sich nach dem Mann zu erkundigen, der offenbar ein Vertrauter des capomaestro war, und ausgerechnet Assunita wusste, was es mit ihm auf sich hatte? Angespannt wartete sie darauf, dass Assunita weitersprach.
Um den Mund ihrer Freundin zeichnete sich ein sanftes Lächeln ab. »Du hast keine Vorstellung! Viele Männer rühmen sich, an der Seite Brunelleschis helfen zu dürfen, die Kuppel zu bauen!« Sie genoss