Network. Ansgar Thiel

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Network - Ansgar Thiel

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machte eine kurze Pause und legte ihren gebrauchten Nikotinstick auf eine Untertasse. Sofort war eine Kellnerin zur Stelle, um diese mit einem leichten Kopfschütteln fortzutragen, Babics leeren Tiramisu-Teller gleich mit.

      Di Marco, der lange genug geschwiegen hatte, übernahm.

      »Du brauchst die Netzidentität aber nicht nur für das Bürgergeld, wenn du netzarbeitspflichtig bist. Suchst du eine Wohnung und hast keinen Job außerhalb des Netzes, dann will der Vermieter entweder deine Kontoauszüge oder deinen Netzausweis sehen. Hast du keines von beidem, bekommst du kein Bürgergeld, kannst die Miete nicht bezahlen und bekommst deshalb auch keine Wohnung.«

      Babic kannte das zum Teil schon aus den USA und den Telefonaten mit Hensen. »In Amerika ist es ähnlich, aber in vielen abgefuckten Gegenden fragen dich die Vermieter nach gar nichts, die rücken dir höchstens mal mit einem Messer auf die Pelle, damit du wenigstens einen Teil deines erbettelten oder erdealten Geldes abgibst.«

      »Ist hier nicht anders«, schaltete sich Hensen wieder ein. »Was meinst du, wo die Leute bleiben, die weder Job noch Netzidentität haben? Du hast doch am Ku’damm die vielen Bettler gesehen. Die kriegen nicht mehr wie früher Sozialhilfe. Wenn sie Glück haben, dann dürfen sie eine Weile betteln. Wenn nicht, dann werden sie von Servanten in die Außenbezirke verfrachtet.«

      »Diese Ghetto-Stories sind also keine Sozialpropaganda?«, fragte Babic.

      »Der Anteil von Leuten ohne Netzidentität ist in Berlin bestimmt noch nicht so hoch wie in London oder Rom, aber groß genug.«

      Babic hatte sich durchaus über die aktuellen gesellschaftlichen Zustände in den verschiedenen Hauptstädten Europas informiert. Es war noch immer so, dass die Personen, die keiner Netzarbeit nachgingen, aber nicht unter die Sonderregelungen fielen oder keine Sonderregelung beantragt hatten, im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Netz fielen. Ihnen wurde die Netzidentität entzogen, womit auch jeder Anspruch auf Bürgergeld und Internetnutzung entfiel.

      »Haltet mich nicht für naiv, aber die Netzarbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Regierung haben in den letzten drei Jahren doch extrem zugelegt, weshalb gibt’s dann noch immer so viele Bettler auf den Straßen?« Für Babic war dies unbegreiflich. Als sie damals weggegangen war, war gerade mit groß angelegten politischen Programmen versucht worden, sozial Ausgegliederte in einfache Netzarbeiten einzubinden, um ihnen damit wenigstens die Möglichkeit zu geben, ihre Netzidentitäten zu erhalten und um auf die zunehmende Zahl an Bettlern zu reagieren. Angeschlagen hatte das, wie es jetzt aussah, offensichtlich nicht.

      Nach der großen Weltwirtschaftskrise und den Energiemangeljahren 2031–33 war das normale Berlin schon in vielen Teilen verfallen. Dass Industrie und Senat kaum mehr in den Erhalt der städtischen Infrastrukturen investierten, sondern stattdessen ihre Gelder in die Netzpflege steckten, machte die Sache nicht besser.

      Einige Regionen waren mittlerweile für den Durchgangsverkehr gesperrt und wurden nicht einmal mehr durch die Stadtpolizei, sondern durch Servanten-Patrouillen, zuweilen durch private Sicherheitsdienste sowie gelegentlich durch die politische Sicherheit kontrolliert. In diesen Bereichen wurden heute die als Out of Network klassifizierten Personen untergebracht, die OONs, Menschen ohne Privatvermögen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihre Netzidentität und damit ihre Berechtigung zur Virtual Work und zum Bezug von Bürgergeld verloren hatten.

      »Tja, die Industrie entzieht die Kohle, Geld wird jetzt mit dem Netz gemacht. Die Leute sind zufriedengestellt, entweder haben sie im oder außerhalb des Netzes Arbeit. Und was scheren einen die, die ganz rausfallen, solange sie nichts bedrohen?« Di Marcos Sarkasmus war nicht zu überhören.

      Babic hätte gerne noch länger politisiert. Aber ihr war noch nicht klar, was dies mit ihrem ersten Fall zu tun hatte.

      »Wir haben offenbar einen Serienmörder im Netz«, sagte Hensen, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.

      »Ach so?«, fragte Babic und zog eine Augenbraue hoch.

      *

      In der Pathologie der Bundespolizei wurden zum gleichen Zeitpunkt drei Leichen auf nebeneinander stehende Bahren gehievt: Arthur Mallmann, der Geiselnehmer David Fuller, dessen Identität der Polizei noch immer unbekannt war, und der Sohn des amerikanischen Botschafters.

      »Im Tod sind sie alle gleich«, gab der leitende Pathologiepfleger eine alte Weisheit zum Besten. Der ihm zugeordnete Pathologie-Servant nickte wissend.

      *

      Hensen versuchte erfolglos, die Kellnerin auf sich aufmerksam zu machen, um sich einen Espresso zu bestellen. Sie zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder Babic zu. »Du weißt, wie Serienmörder im Netz arbeiten?«

      »Dir stehen im Netz alle Möglichkeiten zur Verfügung, jemanden zu töten«, mischte sich Di Marco ein. »Es funktioniert wie ein normaler Mord draußen, ist halt nur simuliert, also mit virtuellen Messern, Gift, Knarren und so weiter. Umbringen tust du ihn genauso, wie du ihn draußen umbringen würdest.«

      Er nippte an seinem Mineralwasser.

      »Der Witz an den Morden ist, dass sie reversibel sind. Dein Virtual-Reality-Programm checkt dich nach einer Stunde ohne Netzaktivität automatisch aus, du wachst auf, bewegst dich ein bisschen und trinkst einen, um den Schreck zu überwinden. Du musst den Mord dann bei der Netzverwaltung melden, die schaltet dich irgendwann frei, und danach kannst du wieder reingehen, als sei nichts passiert«, fügte Hensen an.

      »Meistens zumindest, denn es kommt vor, dass derjenige, der im Netz ermordet wird, vor Angst auch wirklich stirbt.«

      »Das passiert in immerhin 0,01 Prozent der Fälle. Weltweit waren das mehr als 500 Tote letztes Jahr«, kommentierte Babic.

      »Natürlich hat Mia dazu ein Paper gelesen«, grinste Hensen.

      Babic winkte ab. »Klar, hier wird die Polizei routinemäßig eingeschaltet. Aber das passiert ja nur selten. Wann kommt ihr in den anderen Fällen ins Spiel? Du kannst doch gleich wieder rein ins Netz, wenn du den Mord gemeldet hast?«

      »Wir kriegen normalerweise nur was mit, wenn sich die Geschädigten beschweren und eine Ermittlung durch die SBBK fordern.« Di Marco hatte Glück bei der Kellnerin und bestellte zwei Espressi, einen für sich und einen für Hensen.

      Er zwinkerte Hensen zu und holte zur Erklärung aus. »Das kommt immer wieder vor. Wenn du im Netz ermordet wirst, musst du einen Antrag auf Wiederauferstehung stellen, wie der Volksmund das nennt. Wenn du genug Geld hast, dann geht dies relativ schnell, wenn du keine finanziellen Mittel hast, musst du warten.«

      »Und in der Zeit kannst du keine Netzdienste in Anspruch nehmen und kassierst kein Bürgergeld«, konstatierte Babic.

      »Gut, Mia«, grinste Di Marco.

      »Mit solchen Sachen haben wir oft zu tun, Leute kommen, beschweren sich, Ermittlungen werden aufgenommen, es wird versucht, den Leuten Übergangsgelder zu bezahlen und so weiter«, schaltete sich Hensen wieder ein. »Aber das ist nicht das Hauptproblem bei unserem Fall.«

      Offenbar fühlte sie sich nicht wohl, denn sie rutschte auf ihrem Designerstuhl hin und her.

      »Bei unserem Fall wurden in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer wieder Netzidentitäten ermordet, und zwar auf alle möglichen Arten: aufgeschlitzt, überfahren, erschossen, erschlagen. Also ganz normale Netzmorde, die gemeldet werden müssen, und dann bekommen die Leute irgendwann ihre alte Identität wieder.«

      Hensen

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