Network. Ansgar Thiel
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»Haak, hast du ’ne Dusche in deinem Mund? Und putz dir mal wieder die Zähne«, sagte er verächtlich, sich abwendend.
Haak wollte sich eben auf Di Marco stürzen, als Hensen sich zwischen die beiden schob. »Di Marco, Schluss jetzt, das bringt nichts«, versuchte sie, ihren Kollegen zu beruhigen, während sie Haak mit der linken Hand am Revers festhielt. »Und du, hau ab!«, bellte sie ihn an.
»Was mischst du dich überhaupt ein?« Plötzlich stand Strickle vor Hensen. Er überragte sie um eineinhalb Köpfe.
»Strickle, Strickle, kümmere dich um deinen Kumpel und bleib locker«, zischte Hensen. Strickle trat etwas zurück und stieß unverständliche Verwünschungen aus, ließ Hensen und Di Marco aber ziehen.
Babic, die den Vorfall aus der Entfernung beobachtet hatte, konnte es kaum fassen. »Was ist los mit euch? Ihr seid doch Kollegen?«, fragte sie Hensen, als diese zur Wartebank kam, auf der sie ihre Jacken abgelegt hatten. »Alte Geschichte, erzähl ich dir ein anderes Mal ausführlich«, sagte Hensen abwesend und rieb sich die Nase. Ein dezentes Räuspern in ihrem Rücken ließ sie herumwirbeln. Die Dienstaufsicht der Inneren Sicherheit war eingetroffen. Zwei Frauen in klassischen grauen Kostümen, eine etwa 30 Jahre alte, auffallend hübsche Brünette mit vermutlich indischem Hintergrund, die andere, vielleicht 40 Jahre alt, mit kurzgeschnittenem tiefschwarzem, vermutlich gefärbtem Haar. Sie gingen direkt zu Hensen und Babic.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte die Größere.
»Na ja …«
»Wir haben uns entschieden, Sie morgen in der SBBK-Zentrale zu vernehmen. Ich denke, es wird Ihnen guttun, sich etwas auszuruhen.«
Beide lächelten freundlich und verständnisvoll. Babic lächelte zurück, doch Hensen zog sie weg von den beiden. »Das war eine Aufforderung zu gehen«, sagte sie betont langsam und mit bissigem Unterton.
»Die sind doch nett, oder?«, entgegnete Babic erstaunt.
»Unterschätz die beiden nicht. Die haben Haare auf den Zähnen. Beides erstklassige Ermittler in einem absolut unbeliebten Geschäft und entsprechend hart drauf.«
»Jaja«, murmelte Babic skeptisch.
»Jetzt geh aber erst mal auf die Toilette, wasch dich und zieh das frische T-Shirt an.«
Babic widersprach nicht. Als sie zurückkam, gingen sie zum Ausgang des Supermarkts, wo sie auf Di Marco stießen, der schon auf sie wartete. Er hatte eine Mordswut, nicht nur auf Haak, sondern auch auf Hensen.
»Hey, warum hast du vorhin gesagt, ich soll mich beruhigen? Bin ich jetzt der Asoziale, oder was?«
Hensen ging langsam auf ihn zu, fasste ihn an der Schulter und sagte: »Ruhig, Di Marco, ich wollte dich nicht beleidigen. Aber mit Haak zu reden, das hat keinen Zweck. Sorry.«
»Warum hast du die beiden überhaupt gerufen?«, grummelte Di Marco.
»Was meinst du damit?«, erwiderte Hensen überrascht. »Ich hab die beiden nicht gerufen. Ich habe über Funk Burger informiert, sonst nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die beiden eingeschaltet hat.«
Babic schaute vom einen zum anderen. Sie fühlte sich etwas fehl am Platz, was Hensen nicht entging.
»Übrigens, Di Marco, das ist deine neue Kollegin Mia Babic.«
Di Marcos Gesicht hellte sich auf. Er reichte Babic die Hand.
»Freut mich. Darf ich Mia sagen?« Er schaute sie fragend an.
»Klar … Hey, Di Marco, danke für deinen Einsatz!« Sie lächelte verlegen. Di Marco fiel jetzt erst auf, wie hübsch sie war.
Der Fall
1.12.2046
Kriminaloberrat Detlef R. Burger machte Bürogymnastik, während er nachdachte. In Polizeikreisen galt der operative Leiter der SBBK trotz seines mit 45 Jahren noch relativ jungen Alters bereits als lebende Legende, nachdem er, noch vor seinem Wechsel zur SBBK, beim Morddezernat der Stadtpolizei die höchste Aufklärungsquote der letzten 50 Jahre erzielt hatte.
Wie Di Marco war auch er ein Studienabbrecher. Burger hatte bis zu seinem 18. Geburtstag sowohl die amerikanische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft besessen. Er hatte in den USA studiert, wo er die ersten Initiativen für eine globalpolitische Wachstumsbeschränkung internationaler Unternehmenskonsortien mitinitiiert hatte, was natürlich einem Kampf gegen Windmühlen gleichgekommen war. Von der politischen Machtlosigkeit und dem Desinteresse der Bevölkerung ernüchtert, war er dauerhaft nach Deutschland gezogen und hatte seinen Aktionsraum verlagert. Die Polizei, die damals aufgrund diverser Menschenrechtsverstöße gegen Einwanderer für Schlagzeilen sorgte, schien ein fruchtbares Feld für seine neuen Ziele. Seine Vergangenheit als politischer Aktivist hatte ihm karrieremäßig eher Respekt eingebracht als geschadet.
Tatsächlich war es ihm gelungen, modifizierte Verhörroutinen, eine verbesserte Unterbringung nach der Verhaftung sowie die Anschaffung einer für 20 Sprachen anwendbaren Übersetzungssoftware durchzusetzen. Es hatte jedoch nicht lange gedauert, bis er auf die Position eines Hauptkommissars im Morddezernat weggelobt worden war. Die Beamten des Morddezernats waren froh über einen fähigen, liberalen Vorgesetzten, die ehemaligen Vorgesetzten der Stadtpolizei über einen lästigen Unruhestifter weniger.
Als auf politischer Ebene der Plan gefasst wurde, eine neue Spezialeinheit zur Verbrechensbekämpfung einzurichten, die auch virtuelle Kriminalität ins Visier nehmen sollte, fiel sehr bald die Entscheidung, ihm den Aufbau dieser Einheit zu übertragen, nicht nur wegen seiner Erfolge bei der Mordkommission, sondern vor allem, weil er sich in seiner Zeit als politischer Aktivist den Ruf eines äußerst beweglichen Hackers erworben hatte.
Jetzt gerade war Burger extrem nervös, ein Zustand, der eigentlich nicht typisch für ihn war. Er hielt noch immer sein Visiophone in der Hand, obwohl er das Gespräch mit dem deutschen Regionaldirektor der Europäischen Bundespolizei bereits beendet hatte. Was war das für ein Tag heute! Jetzt kam auch noch die gestrige Geiselnahme zu Mallmanns Ermordung hinzu.
Gleich würden die Berliner Stadtpolizeidirektorin und die Regierende Bürgermeisterin erscheinen. Die Bürgermeisterin! Normalerweise ließ sie die Leute im Rathaus antanzen. Ihr Besuch hier unterstrich die Brisanz des Falls.
Burger deckte den Besprechungstisch, eine seiner vielen Eigenarten, die seine Mitarbeiter so an ihm schätzten. Er ließ solche Aufgaben nicht durch Untergebene oder Servanten erledigen, sondern kochte – wenn er Zeit dazu hatte – Tee und Kaffee selbst, meist Laos Wild Phoingsali und Kona Blend, besorgte dazu vegane Früchtemakronen oder Kokos-Reis-Plätzchen und brachte beides den Mitarbeitern zuweilen sogar an den Schreibtisch.
Die Tür wurde aufgerissen.
Die Bürgermeisterin, bekannt für eine Neigung zu Arroganz und Jähzorn, die es selten versäumte, ihren über 20 Generationen zurückreichenden Stammbaum zu erwähnen, hielt sich nicht mit Anklopfen auf. In ihrem Gefolge: die Polizeidirektorin und ein Zwei-Meter-Hüne in blauem Nadelstreifenanzug, offensichtlich ihr Bodyguard.