Network. Ansgar Thiel

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der Läden waren Secondhandshops, von denen bestimmt drei Viertel Tauschgeschäfte erlaubten. Die restlichen Schaufenster sahen aus wie Marktstände hinter Glas, an denen es so ziemlich alles zu kaufen oder zu tauschen gab, was man für den Alltag brauchte.

      Babic blieb vor einem unbeleuchteten Schaufenster stehen und betrachtete geistesabwesend ihr Spiegelbild. Sie sah müde aus. Ihre widerspenstigen blonden Locken nervten sie auch dieses Mal ebenso wie die beiden Grübchen auf ihren Wangen. Daran änderte auch nichts, dass andere immer wieder betonten, wie hübsch sie doch sei. Oberhalb der linken Augenbraue hatte sie eine kleine Narbe, eine Erinnerung an den Faustschlag eines betrunkenen Investmentbankers, den sie davon abgehalten hatte, seine Freundin zu verprügeln.

      Gedankenverloren strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Oft schon hatte sie gehört, dass an ihr auf den ersten Blick vor allem etwas undefinierbar Exotisches auffiel, das in reizvollem Kontrast zu ihrer Haarfarbe und ihrer mitteleuropäischen Gesichtsform stand. Wahrscheinlich waren es der relativ dunkle Teint und die dunkelbraunen Augen.

      Sie ging weiter und seufzte leise.

      Jetzt war sie also wieder zu Hause. Morgen würde ein neuer Lebensabschnitt für sie beginnen. Sie atmete tief durch. Der Druck im Magen ging trotzdem nicht weg. Sie wusste nicht, ob sie den Stress schon wieder aushalten würde.

      Der Gesichtsausdruck ihres Vaters kam ihr in den Sinn, als sie ihm vor Jahren eröffnet hatte, dass sie ihren Kindheitswunsch verwirklichen und zur Polizei gehen werde. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie daran dachte, wie er auf sie eingeredet hatte: sie habe doch Psychologie studiert und mit Auszeichnung promoviert und sei erst 25 Jahre alt. Es war ihm nicht gelungen, sie von ihrem Plan abzubringen.

      Die Polizei hatte damals zur Anhebung des Bildungsstandards eine ganze Reihe von Fördermaßnahmen für Quereinsteiger eingeführt, die Jobs und gute Aufstiegschancen versprachen. Sie war gerade ein Jahr im Morddezernat gewesen, als ihr ein Platz in einem Eliteausbildungsprogramm in den USA angeboten wurde. Sie zögerte keine Minute, bevor sie zusagte. Das animierende Gefühl nervöser Erregung, das sie durchströmte, als sie zum ersten Mal den Seminarraum der FBI-Sondereinheit in San Francisco betrat, war Babic heute noch gegenwärtig.

      In diesem Umfeld sog sie alles, was ihr geboten wurde, begierig auf; die kriminologische Grundlagenausbildung, das Profiler-Spezialtraining, die Masterkurse in Neurophysiologie, ja, sogar die eher langweiligen IT-Programmier-Schulungen. Als sie als Mitglied der Behavioral-Analysis-Unit zum New York Police Department wechselte, hatte sie ein Zeugnis mit der zweithöchsten Abschlusstest-Punktzahl der letzten 15 Jahre in der Tasche.

      Babic setzte sich auf eine kleine Bank an einer E-Bahn-Haltestelle, ließ ihren Blick über den Mehringdamm schweifen und dachte an ihre neue Stelle. Morgen fing ihre Arbeit als Mitglied einer unlängst eingerichteten, kleinen Spezialeinheit der Bundespolizei für die Bekämpfung von staatlich relevanten Kapitalverbrechen, kurz SBBK, an. Sie war gespannt, was sie erwartete. Das Spektrum der Verbrechen reichte von Morden an öffentlichen Personen über schwerwiegende Serienstraftaten und organisierte Kriminalität bis zur Störung der virtuellen Realität. Irgendwie hatte sie den Verdacht, dass man ihr den Job hier als eine Art Rehabilitationsprogramm gegeben hatte. Und dass nicht nur ihr alter Chef, sondern auch ihre beste Freundin Richie Hensen dabei eine entscheidende Rolle gespielt hatte.

      Sie schüttelte den Kopf. Sie würde mit Richie Hensen zusammenarbeiten, die sie schon seit ihrer Kindheit kannte. Unglaublich. Keinen Cent hätte sie früher darauf verwettet, dass Richie einmal bei der Polizei landen würde. Sie hoffte nur, dass sie nicht wieder zusammenbrach. Und dass niemand bemerkte, dass sie immer noch diese fürchterlichen Panikattacken hatte. Sie hatte nicht mal Richie davon erzählt.

      Bis zu ihrem Treffen blieb ihr noch eine Dreiviertelstunde. Sie entschied sich für einen kurzen Einkauf im Supermarkt gegenüber dem vereinbarten Treffpunkt. Als sie den Fast-Buy betrat, sah sie, dass sich eine ungefähr 15 Meter lange Schlange an der einzigen funktionierenden Kasse gebildet hatte.

      Ein etwa 40-jähriger, gedrungener und leicht abgegriffen gekleideter Mann mit schütterem grauem Haar und auffallenden Tränensäcken stand am Kopf der Schlange und fegte wutentbrannt Konserven vom Fließband. Die anderen Kunden standen mit ängstlich-neugierigen Gesichtern und einem gewissen Sicherheitsabstand um ihn herum. Ein ungefähr 17-jähriger, teuer gekleideter Jugendlicher sprach gerade in den an seinem Kragen befestigten Telefonbutton, holte tief Luft, streckte die Brust raus und ging ein paar Schritte auf den Mann zu.

      Hoffentlich spielt der jetzt nicht den Helden, schoss es ihr durch den Kopf. Sie spannte ihre Muskeln an, hielt sich aber noch zurück. Im Grunde ging es sie ja gar nichts an, aber der Mann war verzweifelt und der Junge ein Angeber. Eine ungute Kombination, das wusste sie aus Erfahrung. Sie bewegte sich ein paar Schritte vorwärts, bis sie nur noch etwa sechs Meter von der Menschenansammlung entfernt war.

      »He, Alter!«

      David Fuller ließ die Cola-Dose aus recyclebarem Shuyao fallen, die er gerade gegen die Zahlstation schleudern wollte. Er blickte den Jungen, der sich direkt vor ihm aufgebaut hatte, irritiert an. Der Junge stand breitbeinig da, ein siegesgewohntes Lächeln auf dem Gesicht, im für dieses Alter typischen naiven Glauben an absolute Unverletzbarkeit.

      Fuller zuckte mit den Schultern, strich eine Haarsträhne zurück und hämmerte mit der Faust gegen die Zahlstation. Das Lächeln im Gesicht des Jungen erstarb. Er schaute sich kurz um, ganz besonders schien ihn die Reaktion einer hübschen jungen Frau Anfang 20 zu interessieren, deren angstvoller Blick ihn offenbar anstachelte.

      Er trat an den Mann heran, der ihm den Rücken zugewandt hatte, und gab ihm mit der flachen Hand einen Schubs. Erstaunlich schnell wirbelte dieser herum. Erschrocken trat der Junge einen Schritt zurück.

      Der Mann hatte etwas Bananenförmiges in der Hand. Babics Puls beschleunigte sich. Ein G-Booster. Das Gerät, das die Security-Servanten bei gewaltsamen Konflikt-Eskalationen benutzten. Um Gottes willen! Wie war er da rangekommen? Und ganz offensichtlich kannte er sich mit dem Gerät nicht aus: Das Teil war auf volle Stärke eingestellt – damit konnte man sogar in eine Betonwand ein Loch schießen.

      Fuller richtete den Booster auf den Jungen. Der wusste allem Anschein nach nichts von der Wirkung des Apparats. Er hatte sich wieder gefangen.

      »Was willst du denn?«, motzte er ihn an. »Leute, die sich ihren Lebensunterhalt verdienen wollen, möchten ebenfalls einkaufen, also schwirr ab.«

      Fuller zuckte zusammen.

      »Was?«, fragte er mit leerem Blick.

      »Du hast mich doch verstanden, oder?« Der Junge verzog verächtlich die Mundwinkel. »Leute wie du sollten froh sein, dass sie versorgt werden, und ein bisschen mehr auf ihr Geld achtgeben.« Nach Anerkennung heischend sah er sich um.

      Fuller erstarrte. Sein Gesicht wurde puterrot. Er atmete zweimal tief durch, machte einen Satz nach vorne, riss den jungen Mann an den Haaren zu sich und packte ihn mit einem Doppelnelson-Griff. Der Gesichtsausdruck des Jungen war nun deutlich weniger selbstsicher. Seine Augen traten aus den Höhlen, und sein Gesicht nahm langsam eine rotbläuliche Farbe an.

      Babic hatte sich den beiden langsam genähert. Sie stand Fuller nun am nächsten. Die anderen Kunden hatten sich entsetzt ein paar Schritte entfernt, keiner aber hatte den Supermarkt verlassen. Aus sicherem Abstand gafften sie, die Neugier hatte die Angst aus ihren Gesichtern verdrängt.

      Babic atmete tief in den Bauch, hob ihre linke Hand, um den Mann auf sich aufmerksam zu machen, und sprach ihn mit ruhiger, fester Stimme an. »Lassen Sie den Jungen bitte gehen.«

      Fuller sah auf. Sein Gesicht war voller Angst und Sorge. Den Jungen

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