Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann страница 7
»Königliche Hoheit können sicher, wenn Sie wollen.«
»Das gehört zu Ihren Vorurteilen. Mit achtzehn Jahren bekam ich von einem Hofmeister Portwein; er stahl ihn mir eigenhändig von der Hoftafel. Heute bin ich zweiundzwanzig und trinke schon nur noch Kognak. Erschrecken bitte nicht, Frau Herzogin, ich verdünne ihn mit Sekt. Ein Wasserglas voll, halb Sekt, halb Kognak. Meinen Sie, daß es schadet?«
»Ich weiß wirklich nicht.«
»Mein Arzt sagt mir, es schadet gar nichts.«
»Dann können Sie's ja tun.«
»Das denken Sie doch auch wirklich?«
»Aber warum trinken Sie? Es gibt für einen Thronfolger doch so viele andere Beschäftigungen.«
»Das gehört zu Ihren Vorurteilen. Ich bin unbefriedigt wie alle Thronfolger. Erinnern Sie sich an Don Carlos. Ich möchte nützlich sein, und man verurteilt mich zur Untätigkeit; ich bin ehrgeizig, und jeder Lorbeer wird vor der Nase weggeschnitten.«
Er stand auf und trollte gebeugt durchs Zimmer. Seine Arme waren immer erhoben wie Flügel, die Hände wippten in der Höhe der Brust an den Gelenken auf und ab.
»Sie Ärmster«, sagte die Herzogin und blickte auf die Uhr.
»Die Schranzen verdächtigen mich bei dem Könige, meinem Vater, als könne ich die Zeit meiner Thronbesteigung nicht erwarten.«
»Aber Sie können es doch?«
»Mein Gott, ich wünsche dem König langes Leben. Aber ich möchte auch leben, und man will es nicht.«
Er schlich auf den Fußspitzen nahe zu ihr hin und flüsterte mit Anstrengung dicht an ihrem Gesicht:
»Wollen Sie wissen, wer es nicht will?«
Sie hustete; ein scharfer Alkoholduft wehte sie an.
»Nun?«
»Die Je-su-iten!«
»Ah!«
»Ich bin ihnen zu aufgeklärt, darum verderben sie mich. Wer ist denn heute fromm? Die Klugen geben vor, es zu sein: ich bin zu stolz dazu. Glauben Sie, Frau Herzogin, etwa an die Auferstehung oder an die unbefleckte Empfängnis oder überhaupt an das ganze Himmelreich? Ich persönlich bin über das alles hinaus.«
»Ich habe mich nie dafür interessiert.«
»Vorurteile habe ich keine mehr, sage ich Ihnen. Die Kirche fürchtet mich, darum verdirbt sie mich.«
»Bitte, wie macht sie das?«
»Sie fördert meine Laster. Sie besticht meine Umgebung, daß man mir zu trinken gibt. Wenn ich irgendwo einem schönen Weibe begegne, so haben die Schwarzen mir's in den Weg gestellt. Ich bin nicht einmal sicher, Frau Herzogin, ob nicht Sie ... Sie selbst ... Sie sind vielleicht doch fromm?«
Er schielte sie von der Seite an. Sie begriff nicht.
»Warum standen Sie neulich auf dem Balkon, gerade als ich vorbeiritt?«
»Ach, Sie glauben?«
Er zögerte, dann stimmte er in ihr Lachen ein. Er rückte auf seinem Sessel zutraulich näher.
»Ich fürchtete nur, weil Sie gar so schön sind. Phili, hab ich zu mir gesagt, da ist eine Falle. Schau, daß du weiterkommst. Aber Sie sehen, ich bin nicht weitergekommen: da sitze ich.«
Er kam noch näher, seine wippenden Händchen streiften schon die Spitzen vor ihrer Brust. Sie erhob sich.
»Gelt, ich darf da sitzen bleiben?« lallte er, erregt und unsicher.
»Aber mir erlauben Königliche Hoheit, daß ich ausgehe?«
»Aber wozu denn! Gehn's, Frau Herzogin, sein's gemütlich.«
Er trollte ihr nach, von einem Stuhl zum andern, demütig und ausdauernd.
»Aber das alte Empiregerümpel müssen Sie hinaustun und was Molliges da hereingeben, daß man lieb plauschen kann und sich auswärmen. Dann komm ich alle Tage zu Ihnen. Sie glauben nicht, wie ich zu Hause kalt hab bei meiner Frau. Muß man mir auch eine Frau aus Schweden holen, die zu predigen anfängt, sobald sie meiner gewahr wird. Quelle scie, Madame! Ein Sägefisch aus Schweden: das ist ein selbsterfundenes Wortspiel. Und ein französisches auch noch! Ach Paris!«
Er redete langsamer, ängstlich horchend. Der Vorhang öffnete sich, der elegante Begleiter des Prinzen erschien auf der Schwelle. Er verneigte sich tief vor der Herzogin und vor Phili und sprach:
»Königliche Hoheit erlaube mir zu erinnern, daß Seine Majestät Eure Königliche Hoheit um elf Uhr zum Frühstück erwarten.«
Er verneigte sich abermals. Phili murmelte: »Gleich, mein lieber Percossini.« Die Tür ging zu.
Der Prinz wurde plötzlich beweglich.
»Haben Sie ihn wohl gesehen, den Schuft? Das war der Baron Percossini, so ein Italiener. Der Schuft, er wird ja gezahlt von den Je-su-iten. Er hat gewartet, bis ich hier bei Ihnen recht warm geworden bin. Jetzt holt er mich fort, gerade im schönsten Moment, wo ich anfange zu hoffen. Ich soll närrisch werden, die Jesuiten zahlen's. Sagen Sie, liebste Herzogin, darf ich morgen wiederkommen?«
»Unmöglich, Königliche Hoheit.«
»Bitte, bitte.«
Er flehte, tränenerstickt.
»Sie sind zu schön, ich kann doch nicht anders.«
Dann plauderte er wieder.
»Der Major von Hinnerich, mein Adjutant, ah, das ist ganz was anderes. So ein braver Mann! Ein wirklich braver Mann, er hindert mich an jedem Vergnügen. Aber an jedem, sag ich Ihnen. Haben Sie neulich gesehen, wie er an meinem Zügel zog? Ein so treuer Diener meines Hauses. Seien Sie lieb, Frau Herzogin, besuchen Sie meine Frau, kommen Sie zu unserm cercle intime. Ich muß Sie doch wiedersehen, ich kann doch nicht anders. Gelt, Sie kommen? Der Prinzessin machen Sie solche Freude, sie spricht immerfort von Ihnen. Gelt, Sie kommen?«
Sie machte ungeduldig ein paar Schritte auf die Tür zu.
»Ich komme.«
Der Vorhang rauschte von neuem. Phili legte unvermutet eine gnädige Anmut an den Tag.
»Mein lieber Percossini, ich gehöre Ihnen. Küß die Hand, Frau Herzogin, und auf Wiedersehen beim cercle intime.«
Die Herzogin begab sich zu Fuß nach dem Hafen. Ein reiner Nordwind strich über das violette Meer. Beim Landen fand sie drüben am Strande einen bunten Volkshaufen, der auf sie zu warten schien. Allen voran leuchtete unter dem kraßblauen Himmel der kupferrote, schöne Bart eines