Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann страница 10
Die Prinzessin sagte:
»Hoheit erlauben, daß ich Sie mit unsern Freunden bekannt mache.«
»Mes dames Paliojoulai und Tintinovitsch.«
Die beiden Damen beschrieben in ihren hinten zentaurenmäßig entwickelten Roben weite Komplimente. Ein anmutiges Lächeln wollte die milchige Fettschicht auf ihren Gesichtern in Fluß bringen. Die Herzogin bemerkte, daß Madame Tintinovitsch schön sei mit ihrer feinen Adlernase und den schwarzen Brauen unter den blondgefärbten Locken.
»Prinzessin Fatme«, sagte Friederike von Schweden, »meine liebe Fatme, die Gemahlin Ismael Iben Paschas, des Gesandten Seiner Majestät des Sultans bei unserm Könige.«
» Eine Gemahlin«, so verbesserte Phili. »Drücke dich stets genau aus, meine Liebe: eine von seinen vier Gemahlinnen.«
Die Herzogin ging freundlich der schönen, dicken Frau entgegen; sie wickelte sich aus ihren Kissen heraus. Ihre knappe, blaue Atlastunika über gelben Spitzen war nicht weit vom Boulevard entstanden; aber das mondvolle, schimmernde Antlitz mit den gemalten Bogen hoch über den kohleumränderten, schmalen Augen und das köstlich gesalbte Haar im bleichen Tau der Perlengehänge entschlüpfte sichtlich einer aus Versehen offengebliebenen Tür des Harems. Starker Patschuligeruch entströmte ihren Gliedern; im Hauch ihres Mundes indessen vermischte sich eine Erinnerung an süßen Tabak mit ganz, ganz leisem Knoblauchduft.
»Herr Tintinovitsch, Herr Paliojoulai«, sagte Philis Gemahlin.
Der eine war vom andern nicht zu unterscheiden. Die Schnurrbärte, die kalten, müden Augen, die blendende Wäsche und die Brillanten, überall angebracht, wo es irgend ging, gehörten ihnen gemeinsam. Sie verneigten sich gleichzeitig. Sie schienen einer Art von Männern anzugehören, die durch vornehme Gewandtheit jeden Salon zieren und denen man zutraut, daß sie in kritischer Stunde, nach einem Spielverlust, den Frauen die Ohrläppchen abreißen, an denen Juwelen hängen. Die Diamanten, die auf ihren geschmeidigen Körpern blitzten, vielleicht hatten sie sie eigenhändig aus den Schächten Indiens geholt. Ein Blick in ihre harten, eleganten, mit haarscharfen Fältchen übersäten Gesichter ließ eine Menge fremdartiger Geschichten ahnen. Wenn es mit der Dynastie Koburg je bergab ging, so vertauschten die Herren Paliojoulai und Tintinovitsch das dalmatinische Königsschloß möglichenfalls mit den Spielsälen Monakos, immer gleich sicher, als Höflinge und als Croupiers.
Die künftige Königin sagte:
»Baron Percossini, Major von Hinnerich.«
Die schlanke, elegante Gestalt des Kammerherrn klappte zusammen. Sein verehrendes Lächeln war weich wie sein gekräuseltes Bärtchen; aber sein Blick schätzte und stahl. Er bot sich mit weißen Zähnen und sanften Händen als stiller Freund an, als belangloser Verehrer und feiner Vermittler in allen Heimlichkeiten. Er hielt alles für möglich und zweifelte an allem, außer am Wert des Geldes.
Von Hinnerich zweifelte an gar nichts, und möglich war für ihn nur das Bestehende. Er war baumgroß und hatte ein rotblondes, ungelenkes Gesicht, nicht ganz frisch rasiert. Er verbeugte sich rasselnd.
»Ja, Frau Herzogin, das ist der Hinnerich, so ein treuer Mensch!« schrie unvermittelt Prinz Phili und sprang von seinem Sitze. Er schlang einen Arm um die Hüfte seines Adjutanten und grinste gebückt und ganz verklärt zu ihm hinauf, wie ein Äffchen am Fuß der deutschen Eiche. Plötzlich besann er sich auf etwas anderes.
»Sie sind ja gesehen worden, Frau Herzogin. Wissen's, das ist aber gar nicht schön von Ihnen, daß Sie mit andern Leuten spazierengehen und nicht mit uns.«
»Königliche Hoheit meinen?« fragte die Herzogin. Friederike erläuterte:
»Sogar mit jemand, der solche Ehre vielleicht nicht ganz verdient.«
»Mit einem Staatsverbrecher, Hoheit«, fügte Percossini liebenswürdig hinzu. Prinzessin Fatme meinte mit sehr hoher Flötenstimme:
»Einem gefährlichen Kerl, Frau Herzogin.«
Die Damen Paliojoulai und Tintinovitsch kreischten leise. Ihre Gatten bestätigten mit Überzeugung:
»Einem höchst gefährlichen Kerl, Hoheit.«
Sie war aufrichtig erstaunt.
»Doktor Pavic? Es war eine zufällige Begegnung. Er scheint ein gutmütiger, ziemlich eitler Mensch zu sein.«
»Ach nein!«
»Riesig naiv für sein Alter«, so ergänzte sie. »Was man eine gläubige Natur nennt, meine ich.«
»Das ist ja –«
Phili lachte kindisch. Der Rest der Gesellschaft sah sich ernst an.
»Frau Herzogin verzeihen, das ist ja gottvoll.«
»Mein Lieber, das ist nicht gottvoll«, berichtigte seine Gemahlin. Sie saß lang und weißlich da.
»Dieser Pavic, Hoheit, ist unser gefährlichster Revolutionär. Er verhetzt unser gutes Volk, er will uns vertreiben. Wir sollen im Exil enden oder auf der – der Guillotine.«
Sie sprach säuerlich und jeden Widerspruch ausschließend.
»Wenn Eure Königliche Hoheit davon überzeugt ist ...«, sagte die Herzogin.
»Das ist so.«
»Dann müßte man einmal mit ihm reden. Übrigens hat er schon im Kerker gesessen, das fand ich famos. Sie könnten ihn ja wieder hineinsetzen.«
»Wenn das heute noch ginge.«
»Auch ist es sicher nicht nötig. Er begeht keine Gewalttaten, er ist fromm.«
»Weil er die Geistlichkeit braucht.«
»So ein Heuchler!« rief Phili. »Er hält's mit die Je-su-iten.«
»Königliche Hoheit erlauben«, äußerte Percossini mit zärtlicher Stimme. »Es fragt sich, für wie wichtig man den Herrn hält. Mit etwas Geld wäre er natürlich leicht zu beschwichtigen.«
»Ich bezweifle es«, sagte die Herzogin.
»Geld!« schrie entrüstet Tintinovitsch. »Prügel!«
»Prügel, wollen Sie sagen, Baron«, schrie Paliojoulai.
Ihre Gattinnen fragten in süßen Tönen:
»Ihr habt ihn doch schon einmal durchgehauen. Wenn Königliche Hoheit der Meinung ist, so tut ihr's eben nochmals. Nicht wahr, Eugène? Nicht wahr, Maxime?«
»Ah! Sie haben damals die Exekution übernommen«, versetzte die Herzogin. »Sagen Sie bitte, meine Herren, befindet sich bei Doktor Pavic' Wohnung nicht eine Apotheke, wo man Verbandzeug bekommt? Ich frage nur beiläufig.«
Die beiden bewegten fassungslos