Theologie der Caritas. Группа авторов

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Theologie der Caritas - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral

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wir über menschliches Gelingen nach, dann zeigt sich, dass fürsorgende Liebe (agapê) und geschlechtliche Liebe (erôs) zusammengehören: Sie bedingen einander. Das der Zeit nach Erste für einen Menschen ist die erfahrene fürsorgende Liebe. Der Neugeborene, soll er leben, braucht die natürliche Güte der Eltern. Das der Sache nach Erste ist die geschlechtliche Liebe: Ihr verdankt sich das Leben, wie es Menschen hervorbringen, wobei ich bewusst außer Acht lasse, dass längst Wege beschritten sind, menschliches Leben ohne Intimität zu reproduzieren. Philosophie, die dem Humanum eine Chance in künstlerisch erhöhter Wirklichkeit gibt, hat einen anderen Weg gewählt als den, der zu einem Menschenglück führen soll, das sich aus wirklichen und vermeinten Erleichterungen der Lebensbewältigung addiert.

      Die natürliche Ungleichheit von Mann und Frau lässt ihr Verhältnis nicht in Balance sein. Damit zeigt es ein grundständiges, allem Normativem vorausliegendes Unrecht. Dieses in Recht überzuführen, indem sich das männliche und weibliche Geschlecht als gleicherweise im Recht erfahren, ist einzigartig die Mann und Frau vereinende Liebe. Im höchsten Wirken der Ungleichheit ist die volle Balance erreicht.

      Ist auslösendes Moment caritativer Liebe die Hilfsbedürftigkeit des Anderen, dann das der erotischen Liebe die Schönheit des Anderen, die der liebende Blick ihm verleiht. Im Hohelied der Liebe und Gegenliebe, nicht von ungefähr das „Lied der Lieder“ genannt, beginnt der Mann:

      Siehe, du bist schön, meine Geliebte,

      siehe, du bist schön.

      Und die Frau antwortet ihm:

      Siehe, du bist schön, mein Geliebter,

      so lieblich …33

      In der reinen Gegenseitigkeit gibt es keine Vorbehalte, hat kein Abwägen statt. Das einander Preisen ist ein vollkommenes:

      Du bist ganz und gar schön, meine Freundin, ein Makel ist nicht an dir.34

      Der schaffende Blick der Liebe ist nicht idealisierend. Er sieht Realität – es versteht sich: in erhöhter Wirklichkeit. Die Freundin ist holê kalê, ist ganz und gar schön. Auch der Geliebte zeigt sich der Liebenden ganzheitlich:

      … und ganz Begehren (kai holos epithymia). Das ist mein Geliebter.35

      Das lebenskünstlerisch gesteigerte Verhältnis beider ist ganz uti et frui geworden: Sie brauchen einander, sie erfreuen einander:

      Ich gehöre meinem Geliebten und er ist mir zugewandt.36

      So ist erotische Liebe Ursprung und Urbild menschlichen Gelingens. Jetzt ist der Leib mit im Spiel, von dem anfangs als Bedingung menschlicher Selbstwerdung die Rede war. Der Leib, wie er von Lebens- und Liebeskünstlern geschaut und gefühlt wird, ist von höherer Wirklichkeit. Die Rede philosophischer Vernunftoptimisten, dass geschlechtliche Liebe eine Tierheit im Menschen hervorkehre, entlarvt das Unvermögen introvertiert-solipsistischer Anthropologie, dem Menschen gerecht zu werden.

      Fürsorgende Liebe in der Gestalt christlicher Caritas, die in religiöser Bewegtheit im Hilfsbedürftigen den Geist Christi wahrnimmt, ist auch Lebenskunst, ist auch schöpferisch, hebt auch das Verhältnis von Helfenden und Hilfsbedürftigen auf eine höhere Ebene, der Banalität des Lebens entrückt. In ihr tritt etwas zutage, das die unübertreffliche Nähe zum Anderen, wie sie den in Liebe Vereinten eigen ist, spiegelt. In der fürsorgenden Liebe, die den Anderen mit Selbsthaftigkeit belehnt, findet die in äußerster Selbsthaftigkeit ausgetragene Liebe von Mann und Frau ihren schönsten Widerschein. Fragen wir nach menschlichem Gelingen, fragen wir nach dem Humanum, dann müssen wir Eros und Agape nachgehen als den Vorbildern alles lebensteiligen Gelingens in überhöhter Wirklichkeit.

       Bibliographie

      Benn, Gottfried, Gesammelte Gedichte, Wiesbaden 1956.

      Gilgameschepos frz. (trad./introd. Jean Bottéro), Paris 1992.

      Kant, Immanuel, Grundlegung der Metaphysik der Sitten, Akademie-Textausgabe Bd. IV., Berlin 1968.

      A Kempis, Thomas, Nachfolge Christi (trad. Bischof J.M. Sailer), Kempen 1947. Marten, Rainer, Lebenskunst, München 1993.

      Smith, Adam, Der Wohlstand der Nationen (trad./intro, Recktenwald, Host Claus), München 71996.

      1 Aristoteles, Politik I 4, 1254a14 f.

      2 Röm 14,8.

      3 Gal 2,20.

      4 1 Kor 15,45-47.

      5 Mt 6,26.

      6 Aristoteles, Nikomachische Ethik X 7, 1178a2.

      7 Aristoteles, De anima B 4, 415a25 ff.

      8 Aristoteles, Nikomachische Ethik X 7, 1178a7.

      9 Immanuel Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten, Akademie-Textausgabe Bd. IV., Berlin 1968, 457; vgl. 458; 461.

      10 Gen 2,24: 1 Kor 6,16

      11 Gal 5,17.

      12 Gal 5,24.

      13 Gilgameschepos frz. (trad./introd. Jean Bottéro), Paris 1992, 258: „Se réservant l’immortalité/ à eux seuls!“

      14 Röm 13,9.

      15 1 Joh 4,19.

      16 1 Joh 4,8.

      17 Spr 14,13.

      18 Dafür steht der Ausdruck „mit ganzem Herzen“: Dtn 6,5; 30,10; 1 Sam 13,14; Mt 22,37; Apg 8,37 et al.

      19 1 Kor 13,13.

      20 Thomas a Kempis, Nachfolge Christi (trad. Bischof J.M. Sailer), Kempen 1947.

      21 Aristoteles, Große Ethik II 15, 1213a21.

      22 Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik IX.

      23 Hos 11,9.

      24 Aristoteles, Eudemische Ethik 1244b25; 1245b22.

      25 1723-1790. An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776.

      26 Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen (trad./intro, Host Claus Recktenwald), München 71996, S.371: „… strebt er lediglich nach eigenem Gewinn. Und er wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat.“

      27 Mt 26,11.

      28 Das hoi euporoi sphodra und hoi aporoi sphrodra (Aristoteles, Politik IV 11, 1295b2) wird, wie es üblich ist, mit sehr reich und sehr arm, very rich und very poor falsch übersetzt. Es geht eindeutig um das Zu-sehr.

      29 Gottfried Benn, Gesammelte

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