Theologie der Caritas. Группа авторов

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Theologie der Caritas - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral

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wenn einer das Wort hat, der sich nicht als christlicher Philosoph versteht, sondern schlicht als Philosoph. Nur so nämlich weiß er sich frei in seinem Nachdenken.

      Der Mensch, in dem Christus lebt, ist nicht als Mensch, sondern als Christ selbsthaft, und dies nicht kraft seiner selbst, sondern durch die Gnade Christi. Paulus deutet den Sprung, den der Glaube vom Alten zum Neuen Testament macht, als den vom „ersten Adam“ zum „letzten Adam“, vom irdischen ersten Menschen, der ein beseelter Leib ist, zum zweiten Menschen, der vom Himmel kommt. Das ist ein ganz anderer Mensch, der nicht leibhaft lebt, sondern als Leben schaffender Geist.4 Der Mensch des Alten Testaments hat einen irdischen Leib und wird wieder zu Erde, der Mensch des Neuen Testaments hat in seiner Vollendung einen geistigen Leib (sôma pneumatikon) und hat seinen letzten Ort für immer im Himmel, wenn nicht ein letztes Gericht ihn mit seiner pneumatischen Natur für immer dem unlöschbaren Feuer (pyr asbestos) überantwortet. Aber schon zeit seines leiblichen Lebens ist es Gott, der den Gläubigen erhält,5 nicht er selbst, weil er sein lebendiges Selbst in Christus hat, nicht in sich selbst. Mit seinem anrührenden Wort von den Vögeln des Himmels verweist Christus auf die, die sich nicht nach Menschenart um die Erhaltung des Lebens sorgen, „und der himmlische Vater ernähret sie doch“. Selbsterhaltung wird zu einem Begriff der Aufklärung (Thomas Hobbes). Wer nicht mehr glaubt, dass Gott die Sonne scheinen lässt und so durch Wärme und Gedeihenlassen für den Erhalt des Menschen sorgt, der ist auf sich selbst angewiesen.

      Nein, so leicht ist Selbsthaftigkeit, die wirklich die des Menschen wäre, auch bei Philosophen nicht nachzuweisen. Dass das, was als Humanum gedacht ist, weit eher nach einem Divinum aussieht, lässt sich von Aristoteles bis Kant verfolgen. Für Aristoteles ist der Mensch das vernunftbegabte Lebewesen, fähig, sich untereinander über das Zuträgliche und Abträgliche, Gerechte und Ungerechte zu verständigen. Die tätige Vernunft aber gilt ihm als das Göttliche am Menschen, das für das eigentliche Menschsein zu nehmen ist.6 Zwar sieht er als Ontologe und Biologe Selbsterhaltung positiv, die aber als das natürliche Werk, sich in seiner Art fortzuzeugen, das eines unteren, nicht das des göttlich-vernünftigen Seelenteils ist.7 Damit ist „Selbst“-Erhaltung Sache einer Naturkraft, nicht aber die des Selbst. Der Mensch selbst ist Vernunft, die ausgerechnet als das, was am meisten Mensch ist (malista anthrôpos), sein Göttliches sein soll.8

      Dass das Divinum das eigentliche Humanum ist, wird von Kant nicht ebenso klar gesagt, aber nicht weniger so gedacht. Der leibhaftige Mensch, der Mensch, wie er erscheint, ist nicht wirklich Mensch, wenn es nach reiner Vernunft und gutem, weil vernünftigen Willen geht. Der leibhafte Mensch sei „nur eine Erscheinung seiner selbst“, nicht also der Mensch selbst.9 Der Mensch als Person hat keinen Leib. Der leibhaftige Mensch ist „Sache“ und damit Instrumentalisierbares, nicht Zweck an sich selbst. Das muss man erst einmal auf sich wirken lassen: Keiner von uns hier ist er selbst, es gelänge denn einem, als reine Vernunft präsent zu sein. Das aber ist, wie ich vorweg verrate, nicht möglich, da es keine Vernunft gibt, die nicht emotional gebunden wäre.

      Nein, dass auch Philosophen das menschliche Selbst in höhere Regionen verlegen, als der lebendige Mensch sie bewohnt, macht die Entselbstung des Gläubigen bei Paulus nicht zugänglicher, zumal diese ihren Höhepunkt erst in seiner Theologie der Gerechtigkeit und der Liebe findet. Ich beschränke mich hier auf die Liebe. Wieder begegnen wir dem Sprung vom Alten zum Neuen Testament, durch den der Mensch zu etwas ganz anderem wird, als wir sind. Wie Paulus auf den Geist setzt und gegen das Fleisch Stellung bezieht, verbannt er aus dem Gläubigen, in dem Christus lebt, alles Erotische. Das Wort der Genesis, das der Zusammengehörigkeit von Mann und Frau die Würde des Humanum gibt, „und die Zwei werden ein Fleisch sein“,10 wird von Paulus zitiert, um zu demonstrieren, dass dem Menschen, der nicht Geist, sondern Fleisch ist, nichts als sündenhafte Hurerei bleibt. Der Mann, der einer Frau anhängt, hängt als Hurer einer Hure an. Für Paulus lässt das „ein Fleisch“ keine andere Deutung zu. Wer dagegen dem Herrn anhängt, der ist mit ihm „ein Geist“ (hen pneuma). Sind Zwei ein Fleisch, dann sind sie eine Sünde, ein Abfall vom Herrn. Der Gläubige hat kein Fleisch, hat unmöglich Verlangen nach einem anderen Menschen. Sein fleischloser Leib ist Tempel des Geistes Christi, ist also, anders als das Fleisch, nichts selbsthaft Eigenes. Der selbsthafte Mensch kann nur sündhaft sein. Der Leib eines Gläubigen dagegen ist erst gar nicht für den Eros disponiert. Hier fällt das Wort, dass die dem Herrn anhängen, nicht sich selbst gehören (ouk este heautôn). Der pneumatische Leib, der den Gläubigen mit dem Geist Christi einen Geist sein lässt, ist von göttlicher Selbsthaftigkeit. Fleisch und Geist, wie Paulus bekräftigt, liegen unversöhnlich miteinander im Streit,11 ja er wagt das Bild, dass alles Fleisch mit seinen Leidenschaften und Lüsten gekreuzigt gehöre.12

      Das ist keine gute Ausgangslage, um einem Humanum Gestalt zu geben, dass kein Divinum ist. Soll, ja muss denn ein Humanum, werden Theologen und Gläubige fragen, nicht ein Divinum sein? Nun ist es Grundsatz monotheistischer Religionen „Der Mensch ist nicht Gott“. Allmacht und Ohnmacht sind nicht vermittelbar. Wer es mit dem Buch Hiob hält, weiß, dass alles Recht bei Gott ist und selbst der gerechteste Mensch kein Recht hat, mit Gott zu rechten. Als das Hiob spät, aber nicht zu spät einsieht und sich in Staub und Asche vor dem einzigen Rechthaber niederwirft, erhält er alles doppelt zurück, was Gott ihm zur Strafe genommen, nur die Kinder an gleicher Zahl, freilich schöner. Nein, wie es der Theologe will und womit sich selbst Philosophen befreunden: Die Grenze hält nicht. Heißt es im Gilgameschepos, dass Götter sich die Unsterblichkeit allein vorbehalten, Gilgamesch also bei allem Unsterblichkeitsbemühen nicht mehr erreichen konnte, als Herr im Totenreich zu werden,13 so denkt, glaubt und hofft Paulus anders. Für ihn steht als Ziel das „von Angesicht zu Angesicht“, ja die Vereinigung mit Gott fest. Einem Humanum, das seinen Namen verdient, ist damit à-Dieu gesagt.

      Begegnen Menschen einander, dann ist in der Regel Selbstsein im Spiel. Bei der Nächstenliebe, in die Paulus die göttliche Gesetzgebung zusammenfasst14, ist das nicht der Fall. Sie lässt keine Selbsthaftigkeit zu, sondern verlangt unterwürfigen Gehorsam: Sie ist die Erfüllung des Gesetzes (plêrôma oun nomou hê agapê). Wie Gott den Gläubigen nicht selbsthaft rechten lässt, so lässt er ihn auch nicht selbsthaft lieben. Gott, der den Menschen zuerst geliebt hat15, wodurch er ihn dazu bewegt, Gott zu lieben, schenkt in seiner Liebe dem Menschen keine Selbsthaftigkeit, im Gegenteil: Hoti theos agapê estin, quoniam Deus caritas est, „denn: Gott ist Liebe“16 – der dem Johannesevangelium zugetane Briefschreiber, der durch die Idee des liebenden Gottes der Gemeinde ein Vorbild für das Miteinander geben will, predigt ihr damit Gegenliebe zu Christus, nicht Menschenliebe. Der Nächste ist hier christlich gesehen: Ihn zu lieben fordert, in ihm den Geist Christi zu lieben. Auch die Liebe zu sich „selbst“ gilt keiner eigenen Herrlichkeit, sondern dem „Herrn“. Bereits im Alten Testament ist Nächstenliebe als liebende Fürsorge für die Geringsten (penestatoi) und Ärmsten ausdrücklich Ehrung Gottes.17 Ist für Kant die Würde des Menschen dadurch gegeben, dass es seine Wesensbestimmung ist, selbsthaft vernünftig zu sein, dann für den Gläubigen durch den ihm einwohnenden Geist Christi. Beide haben keinen Zugang zu der Einsicht, dass Menschenwürde praxisdefinit ist, d.h. dass sie nur dort wahr wird, wo Menschen einander als Menschen behandeln, schätzen und eben würdigen. Die Vorstellung ist zu verabschieden, Würde sei ursprünglich Mitgift jedes Einzelnen – entweder rein durch seine Kreatürlichkeit oder durch seine Vernunftbestimmtheit. Nein, dazu bedarf es der zwei und drei.

      Das durch die Tora in die Glaubenswelt eingebrachte Gesetz der Nächstenliebe fordert eine dem Geist Gottes dienende Liebe. Sie folgt keiner Gesellschaft und Gemeinschaft verpflichtenden Rationalität, sondern ist Sache des gläubigen Herzens.18 Als Bild kann ihr das Verhältnis von Mutter und Kind dienen, nicht das von Mann und Frau. Paulus‘ berühmtes Wort „aber die Liebe ist die größte unter ihnen“19 ist nicht zu Hochzeitspaaren gesprochen. Nächstenliebe ist geschlechtsindifferent, wenn doch ihre Taten als Gesetzeserfüllung den gläubigen Geist fordern. Gilt ihre Zuwendung auch Gebrechlichen und Hinfälligen, so ist sie in erster Linie eine geistige. Doch von

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