Theologie der Caritas. Группа авторов

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Theologie der Caritas - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral

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und in präziser Wahrnehmung von Armut und Not konkretisiert. Die Wahrnehmung von Armut und Not ist ganz im biblischen Sinne einer präferentiellen Option für die Armen empathischparteilich. Angesichts dieser Aussagen mag als Desiderat für diesen Band zu Recht das Fehlen eines biblisch-exegetischen Beitrages angemerkt werden.

      „Theologie der Caritas“ stellt ein offenes Arbeitsfeld mit dem Bedarf vielfältiger Grundlagenforschung dar, interdisziplinär innerhalb der Theologie und gleichursprünglich inter- und transdisziplinär im Dialog mit den verschiedenen, je nach Fragestellung involvierten Bezugswissenschaften wie Soziale Arbeit und Rechtswissenschaften, Human- und Sozialwissenschaften, Medizin und Pflegewissenschaft, Wirtschafts- und Umweltwissenschaften. Die Beiträge dieses Bandes erheben nicht den Anspruch, das theologische Feld abzustecken oder gar abzuschreiten; sie alle wollen und können mit ihren jeweiligen Perspektiven und Akzenten jedoch „zu denken geben“ und weitere Vertiefungen und Diskussionen anregen. Heinrich Pompeÿ beginnt selbst damit und formuliert gegen Ende dieses Bandes „Resonanzen“, welche die einzelnen Beiträge in ihm ausgelöst haben. Mit Rücksicht auf diesen Resonanzraum des Jubilars gehe ich selbst in dieser Einleitung nicht näher auf die einzelnen Beiträge ein.

      Papst Benedikt XVI. fasste die Sendung der Kirche am Ende seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“ (Dce) in die Kurzformel „Sendung im Dienst der Liebe“ (Dce 42). Zwar ist diese Enzyklika das erste lehramtliche Dokument solchen Ranges mit genau diesem thematischen Fokus. Sie hat jedoch ihre Vorgeschichte – unmittelbar im Kontext der Vorarbeiten, Entwicklungen und Hindernisse, die Paul Josef Kardinal Cordes mit seiner intimen Kenntnis der Etappen und Vorgänge aufgrund seines Wirkens als damaliger Präsident des Päpstlichen Rates Cor unum in diesem Band detailliert darlegt.1

      Mittelbar liegt die Vorgeschichte der Enzyklika in den Entwicklungen organisierter Caritas-Arbeit besonders seit dem 19. Jahrhundert und der bald erkannten Notwendigkeit, die Lebendigkeit des Einsatzes zusammen mit der fachlichen Kompetenz von ihren theologisch-spirituellen Wurzeln her zu schützen und zu fördern. Das Erkennen dieser Notwendigkeit wurde zum entscheidenden Impuls für die Gründung des Instituts für Caritaswissenschaft an der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg am 03.04.19252 auf Initiative und mit Unterstützung des Deutschen Caritasverbandes durch ihren damaligen Präsidenten Benedict Kreutz (1879-1949)3. Auf evangelischer Seite folgte zwei Jahre später die Gründung des „Berliner Instituts für Sozialethik und Wissenschaft der Inneren Mission“4. Beide universitären Institute wurden wegen ihres offenkundigen Widerspruchs zur NS-Volkswohlfahrt 1938 von der NS-Regierung aufgehoben bzw. unterdrückt. Beide wurden nach dem II. Weltkrieg wieder errichtet, das Institut in Freiburg schrittweise schon ab 1945, während das Berliner Institut nach einem längeren Klärungsprozess 1954 seinen Nachfolger im Diakoniewissenschaftlichen Institut an der Universität Heidelberg fand.

      Die Notwendigkeit, die Lebendigkeit und Qualität der Caritas-Arbeit von ihren theologisch-spirituellen Wurzeln her zu schützen und zu fördern, wurde mit dem gesellschaftlichen Wandel und Wachstum in den Feldern der Sozialen Arbeit und der Gesundheitsversorgung in und nach dem II. Weltkrieg bis heute nicht geringer, im Gegenteil.5 Wie dies heute und morgen aber geeignet geschehen kann, ist eine offene Frage und Herausforderung6 zumal unter den „flüchtigen“7 Bedingungen, Möglichkeiten und Zwängen einer (post- oder spät-) modernen, pluralen und säkularen Gesellschaft, zu der die Gläubigen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Hilfesuchenden, die Kirche und ihre Caritas auf je ihre Weise selbst gehören. In keinen anderen als mitten in diesen Bedingungen, Möglichkeiten und Herausforderungen des „Heute“ hat die Kirche ihre Sendung als Diakonie zu leben.8

      Dabei kann „Diakonie“ durchaus als Synonym für „Caritas“ aufgefasst werden, wie dies häufig in praktisch-theologischen Texten geschieht. Wenn die Kirchenkonstitution des II. Vatikanums, Lumen gentium (LG), „diaconia“ als Oberbegriff für die drei Wesensvollzüge der Verkündigung, der Liturgie und der Caritas verwendet (so LG 29), qualifiziert dies die gesamte vollmächtige Sendung der Kirche von Gott her in der Logik der Sendung Jesu als diaconia „für uns Menschen und zu unserem Heil“, also in der Logik der agape=caritas des dreieinen Gottes, d.h. in der Liebe, die Gott zu den Menschen und seiner Schöpfung hat. Benedikt XVI. sah hierin die notwendige Einheit des ersten und zweiten Teils seiner „Antrittsenzyklika“9 und zeigte auf, wie sehr die drei Wesensvollzüge der Kirche einander brauchen (vgl. Dce 25), um den Auftrag, die Sendung der Kirche zu verwirklichen.

      Wenn nun die Caritas theologisch tatsächlich als ein Wesensvollzug der Kirche verstanden wird, ohne die sie nicht sein kann – im Unterschied zu Melanchthons und Martin Luthers Auffassung, dass die Kirche dort ist, wo „das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden“10 –, dann ist erstaunlich, wie wenig dieser Wesensvollzug theologisch Gegenstand im Curriculum des kanonischen Theologiestudiums (nach Sapientia Christiana) und (nicht zuletzt) der Pastoral- und Priesterausbildung ist. Die Aussage, dass die Caritas ein Querschnittsthema für alle curricular etablierten theologischen Fächer darstellt bzw. darstellen könnte (wenn sie denn konsequent wahrgenommen und behandelt würde), wirkt dann nur wie eine Beschwichtigung, die von der klaffenden Lücke abzulenken sucht.

      Selbst ohne zentrale römische Vorgaben könn(t)en die Bischofskonferenzen diesbezüglich ihre Spielräume stärker nutzen und die Studierenden in ihrer intrinsischen Begeisterung für die Nachfolge Jesu „caritas-theologisch“ so weiterqualifizieren, dass die „Hierarchie der Wahrheiten“ (vgl. II. Vatikanum, Unitatis redintegratio 11) des christlichen Glaubens und Lebens nicht aus dem Blick gerät vor lauter Zersplitterung in theologische Einzelfragen, die innerhalb ihres jeweiligen Kontextes selbstverständlich ihre wissenschaftliche Berechtigung behalten.

      Das erste und wichtigste jedoch ist die im Volk Israel immer deutlicher erfahrene und in Jesus Christus menschgewordene Liebe Gottes zu uns Menschen, der die Menschen aller Völker, Zeiten und Kulturen in ihrem Innersten beruft, diese Liebe anzunehmen und ihrerseits so zu beantworten, wie Jesus Christus uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34; 15,12). Mit anderen Worten: Das wichtigste sind nach den Worten Jesu „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue“ (Mt 23,23), nicht religiöse Ge- und Verbote, kultische Normen oder moralische Vorschriften. Diese sind nachrangig, sollen erfahr- und erkennbar Ausdruck und Entfaltung dieses Wichtigsten sein und dürfen nicht wie ein geschlossenes System für sich stehen, losgelöst und unabhängig davon, Gott mit allen Kräften zu lieben und die Nächsten wie sich selbst (vgl. Mk 12,28-34 parr).

      Die Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe übernimmt das Christentum von Israel. Sie wird christologisch transformiert und universalisiert durch die konkrete Anschauung ihrer „innovativen“ Realisierung im irdischen Leben und Wirken, Leiden und Sterben Jesu von Nazareth. Die Selbstoffenbarung Gottes als „die Liebe“ (vgl. 1 Joh 14,8.16) und seiner Barmherzigkeit (vgl. Ex 34,6; Mt 5,48) und die universale anthropologische Hinordnung aller und jedes Menschen, darauf in der Kraft des Heiligen Geistes (vgl. Röm 5,5) in Freiheit und Hingabe zu antworten, gehören zusammen. Mit anderen Worten, die Sehnsucht und Hinordnung jedes und aller Menschen auf persönliche Erfüllung im Geliebtwerden und Lieben findet ihr Ziel diesseits und jenseits der Todesschranke in dem Gott, der die Liebe ist.

      Die absolute Priorität dieser theo-logischen Botschaft war offenkundig das zentrale Anliegen der Enzyklika Deus caritas est (vgl. Dce 1) und durchzieht ebenso das Wirken von Papst Franziskus. Die völlige Erstrangigkeit der Liebe, wie der Apostel Paulus sie formulierte (vgl. 1 Kor 13; Gal 5,14 u.a.) hatten und haben in westlichen Gesellschaften der letzten Jahrzehnte viele Getaufte verstanden, die sich enttäuscht von der Kirche abwandten, weil sie ihr so gar nicht zu entsprechen schien, sondern festgefahren in Sackgassen theologischer Nebenfragen, moralischer Gängelungen und rechtlicher Verhärtungen. Die demgegenüber „neue“, klare Prioritätensetzung durch Papst Benedikt und nicht weniger durch Papst Franziskus (im Sinn der „Hierarchie der Wahrheiten“; vgl. Evangelii gaudium; Amoris laetitia) scheint Widerhall in den vielen Getauften

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