Theologie der Caritas. Группа авторов

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Theologie der Caritas - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral

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als sie im Sinn habe, sei durch eine „unsichtbare Hand“ geführt, die aus praktischer Blindheit für Andere das Gemeinwohl entspringen lasse.26 Die Maxime „Sei selbstisch!“ ist in der Verfassung der USA in die Form „Pursuit of Happiness“ gebracht, selfishness, der Tod des Humanum, als garantiertes Verfassungsrecht. Dieses Verfassungswort gibt dem Vitalismus recht und verbrieft als bürgerliches Grundrecht das Recht des Stärkeren. Findet Wissenschaft für menschliches Selbst das Wort Fluidum, dann passt dies Bild auch für das Humanum: Es ist nichts, das jemals zu etwas Festem und Bleibenden gerinnt. Ständig ist es in Entwicklung begriffen. Das ist für die grundständige Ungerechtigkeit unter Menschen bedeutsam, für diese Ungleichheit als Ausgangslage des Lebens und Handelns. Der Kampf für den Ausgleich ist jeden Tag neu zu führen. Es ist der Kampf gegen die Pervertierung des Selbsthaften ins Selbstische, der Kampf gegen das unbehinderte Recht des Stärkeren.

      Unter den geschichtlich gewachsenen Ungleichheiten ist die von Arm und Reich von einsamer Dominanz. „Denn Arme habt ihr allezeit (pantote) bei euch“27 – das ist kein einfacher Sachverhalt. Schon Aristoteles spricht von zu Armen und zu Reichen.28 Diese Auswüchse sind nicht hinnehmbar. Zu Reiche ruinieren die politische Gemeinschaft. Das Zulassen, ja systemische Hervorbringen verwahrloster Armut unterbindet die Möglichkeit, dass Arm und Reich das Leben gelingend miteinander teilen. Beider Zu-sehr ist politisch unmöglich zu machen. Bestrebungen jedoch, alle gleich arm bzw. gleich reich zu machen, verfolgen schlechte Utopien. Nun kommt ein gewagter neuer Gedanke: Die Ungleichheit von Arm und Reich, soweit kein Zu-sehr vorliegt, bleibt erhalten, aber das Unrecht, das grundständig in ihr mitgegeben ist, wird aufgehoben und in einen Rechtszustand umgewandelt.

      Das Verhältnis von Arm und Reich, in dem, zumindest latent, das ungerechte Recht des Stärkeren herrscht, kann, so mein Gedanke, allein dadurch den Rechtsstatus erlangen, dass beide Seiten aufeinander zugehen, um sich gegenseitig als die anzuerkennen, die sie sind. Gibt es erst einmal im gegenseitigen Einverständnis das Recht, arm zu sein, und das Recht, reich zu sein, so dass Arme und Reiche füreinander gleicherweise im Recht sind, dann ist, bei bleibender Ungleichheit, doch eine Balance hergestellt. Kommt es jetzt zur Konfrontation, wenn Einer beim Anderen etwas erreichen will, dann ist das kein feindlicher, sondern ein guter Streit, eine eris agathê, wie Hesiod sagt. Das verändert auch die Verhältnisse von Helfenden und Hilflosen, Starken und Schwachen. Sie sind, pränormativ, Rechtsverhältnisse geworden. Um ein prägnantes Beispiel zu geben: Der Demente hat ein Recht auf Demenz, was besagt, dass mit dem Recht auf Fürsorge auch eine pränormative Pflicht übernommen wird. Nachdem Demenz durch ihre Häufigkeit zur Lebensform geworden ist, bedarf es keines Mitleids gegenüber den Dementen, um hilfreich für sie tätig zu werden. In dem Recht auf Demenz ist auch das Recht eingeschlossen, nächste Angehörige nicht mehr zu erkennen. Mit der Gewinnung des Rechtszustandes ist eine Entmystifizierung verbunden. Wer jetzt noch von Schicksal spricht, von unverdientem oder verdientem, ja gar von Strafe, muss das selber verantworten – als Poet.

      Nun habe ich zum Recht der Armen und Schwachen, arm und schwach, und zum Recht der Reichen und Starken, reich und stark zu sein, noch eine theologische Frage: Ist das Gnade-vor-Recht-ergehen-Lassen, wie es in Hosea und im Römerbrief vorgeführt wird, ein Vorrecht und also Recht Gottes, oder etwas Außerrechtliches, was nach Belieben und Willkür schmeckte? Auch Menschen haben ja die Gelegenheit, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Die Anrede „Gnädigste“ ist veraltet, aber Herrscher haben, angemaßt oder verfassungsgemäß, das Recht der Begnadigung. Was ist es wohl, was dann bei ihnen die Entscheidung herbeiführt: Kalkül, Mitleid, Vorurteil? Meine Frau und ich haben schon früh bei Gottfried Benn die letzten Zeilen des späten Gedichts „Menschen getroffen“ geschätzt:

      Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,

      woher das Sanfte und das Gute kommt,

      weiß es auch heute nicht und muß nun gehen.29

      Das Recht, selbsthaft Mensch zu sein, das sich im Recht auf Reich- und Arm-, Stark- und Schwachsein spiegelt, kann vor keinem Gericht erstritten werden. Um zu bestehen und wirksam zu werden, bedarf es Kräfte im Menschen, die in der Kraft zum Guten geeint sind. Menschliche und göttliche Güte – ja, das ist die Grundlage für alles, was der Mensch für sich als sein Gelingen bestimmen und erfahren kann. Wie jüdische und christliche Religiosität das Humanum als Divinum deutet, verdankt sich dieses den Menschen übersteigende Gelingen der Güte Gottes. Für diese Güte steht in Seputaginta und Neuem Testament das Wort für Mitleid und Erbarmen. Doch diese Güte kommt nicht aus einem absoluten Gemüt, sondern aus einem mit den Gläubigen verbundenen, da sie sich als Antwort versteht auf das Gebrauchtsein ihrer selbst. Dazu erhält sie in beiden Religionen eine Metapher, die sich auf Menschliches stützt: Die mitleidige, barmherzige, gnädige, liebende Güte ist die des Vaters zu seinen Kindern.30 Dem entnehme ich einen höchst bedeutsamen Hinweis: Güte, wie sie für ein gelingendes rechtliches Divinum und auch Humanum Grundlage ist, hat ihren Ursprung im Familiären: im Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern. Diese Güte ist Praxis, keine einseitige Regung. Wie Gott die Sünder braucht, um Gnade erweisen zu können, und die Sünder den von Sünden erlösenden Gott, so die Eltern die Kinder, um ihre Elternliebe entfalten zu können, und die Kinder die Elternliebe, um ins Leben zu finden.

       IV.

      Ist Arm und Reich die dominante gesellschaftlich gewachsene Ungleichheit, dann Mann und Frau die dominante durch Natur gegebene. Die Ungleichheit des Geschlechts ist es, die den Menschen unrevidierbar, die geringen Ausnahmen bestätigen es, die eine und die andere Natur sein lässt. Doch diese natürliche Zweiheit läßt sich nicht isoliert festhalten. Bereits prähistorisch ist die Ungleichheit von Mann und Frau immer auch eine gesellschaftlich gewachsene. Wieder geht es um Herrschaft: um die Ungleichheit von Herrschenden und Beherrschten. Sind im Verhältnis von Arm und Reich die Reichen in der Regel die politisch und gesellschaftlich Herrschenden, dann im Verhältnis von Mann und Frau die Männer, sei es in familiärer Gemeinschaft, sei es in der Gesellschaft. Hat im gesellschaftlichen Leben der Reiche, wie er sich selbst versteht, das bessere Leben, so im gemeinschaftlich geteilten der Mann, wie er sich selbst versteht, die höhere Verantwortung. Arme, die sich nicht ideologisch um ihren bon sens bringen lassen, halten ihr Leben für schlecht, Frauen, wie sie die kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft prägt, halten sich für subaltern. Bereits die Genesis nimmt sich der gesellschaftlich gewachsenen Ungleichheit von Mann und Frau an und bestimmt die Frau als Hilfe (boêthos) für den Mann.

      Paulus geht einen entscheidenden Schritt weiter, wenn er von der kulturellen Entwicklung der Gemeinschaft absieht, und den von Natur gegebenen Unterschied theologisch überhöht: „Der Mann ist Abbild und Abglanz Gottes, die Frau aber ist der Abglanz des Mannes. Denn der Mann stammt nicht von der Frau ab, sondern die Frau vom Mann. Der Mann wurde auch nicht für die Frau geschaffen, sondern die Frau für den Mann.“31 Wäre Paulus der anderen Version der Schaffung des Menschen in der Genesis gefolgt, hätte er feststellen müssen, dass beide gleicherweise Menschen sind: „und er schuf den Menschen (auton), und er schuf sie (autous) männlich und weiblich.“32 Doch er geht noch einen Schritt weiter in die falsche Richtung, wenn er den Mann mehr teilhaben lässt am Göttlichen als die Frau. Entsprechendes findet sich noch bei Kant, wenn er dem Mann Erhabenheit zuspricht, der Frau nur Schönheit, die nicht zureicht, um das Sittengesetz praktizieren zu können.

      Die gesellschaftlich gewachsene Ungleichheit von Mann und Frau setzt die Frau, mit oder ohne ideologische Unterstützung, ins Unrecht. Gendertheoretiker nutzen diese Ungleichheit, um eine natürliche für nicht gegeben zu erklären. Der biologische Unterschied würde sich nicht auf Kognition, Fühlen und Verstehen auswirken, so dass die Ungleichheit der Geschlechter eine rein künstliche sei. Doch Einebnung des Unterschieds ist nach Jahrtausenden der praktischen und theoretischen Erniedrigung der Frau durch den Mann genau die falsche Antwort. Für die auf Lebensteilung gerichtete Anthropologie ist der Mensch nicht die Zweiheit von Vernunft und Trieb, Kopf und Geschlecht, sondern die Zweiheit von Mann und Frau. Beider gelingendes Verhältnis ist das erste Humanum.

      

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