Kleine Fuge in g-Moll. Gisbert Greshake

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und Hersteller kenntlich zu machen. Mit einem entsprechenden Mikroskop fand Pacelli das stark lädierte Punz-Zeichen des Dentallabors und konnte es deutlich sichtbar machen. Der Rest war kriminalistische Routinearbeit.

      Im zweiten Fall wiederholte sich natürlich der Glücksfall eines Zahnbrückenfundes nicht. Aber hier kam dem Gerichtsmediziner die damals relativ neue Methode der DNA-Analyse zupass. Zwar hatte diese schon seit 1988 ihre forensische Legitimation erhalten, aber bis dahin diente sie fast ausschließlich als „genetischer Fingerabdruck“, mit dessen Hilfe man eine ganze Reihe von Tätern entlarven konnte. Dieser Mailänder Fall war nun der erste in Italien, bei dem Pacelli die Identität des Opfers durch Vergleich mit den damals noch erst wenigen gespeicherten Proben in den Gen-Dateien nachweisen konnte.

      Bei beiden Ermordeten ließ sich überdies zeigen, dass ihnen vor der tödlichen Spritze mit Kaliumchlorid starke Barbiturate verabreicht worden waren, und zwar vermutlich nicht auf einmal, sondern in verschiedenen „Portionen“.

      All diese neuen Erkenntnisse Pacellis führten zwar nicht zum Mörder und dessen Tatmotiv, wohl aber zur Identifizierung der Ermordeten. Das Opfer mit der Zahnbrücke war ein kleiner alleinstehender und alleinarbeitender Ganove, der gerade aus mehrjähriger Haft entlassen worden war. Er hatte Mitglieder der High Society bei ihren Seitensprüngen heimlich verfolgt, Skandalfotos von ihnen geschossen und sie damit erpresst. Da sich bis zum Zeitpunkt, da sich einer der Erpressten zur Anzeige entschloss, wenigstens zwei Selbstmorde von Betroffenen ereignet hatten, erhielt er vom Gericht die Höchststrafe von fünf Jahren. Natürlich ging die Mailänder Kriminalpolizei davon aus, dass der Mörder im Kreis der Erpressten zu suchen sei, konnte aber niemandem auch nur das Geringste nachweisen.

      Ähnlich verhielt es sich mit dem anderen, durch DNA-Analyse identifizierten Opfer: Es handelte sich um einen alleinstehenden, gleichfalls gerade aus langjähriger Haft entlassenen, mehrfach rückfällig gewordenen pädophilen Kinderschänder, der Kleinkinder zum Teil brutalst bis hin zum Tode missbraucht hatte. Auch hier recherchierte die Polizei im Familienkreis der betroffenen Kinder, fand aber trotz gründlichster Nachforschungen nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen Täter.

      „So hat“, schloss Pacelli seine Ausführungen, „die Gerichtsmedizin ihre Hausaufgaben ‚summa cum laude‘ erledigt. Ach, wäre es, – utinam!, würde der Lateiner sagen – mit der polizeilichen Aufklärungsarbeit ähnlich bestellt! Aber jetzt laden meine Frau und ich Sie alle zum kleinen Imbiss ein!“

      Bevor jedoch der Applaus für das Referat beendet war und sich alle von den Plätzen erhoben, rief Professore Fisichella „Ohé, ohé!“ durch den Raum. „Ivan, wart‘ einen Moment! Wir waren ja vor drei Jahren in Mailand am gleichen Klinikum tätig, und ich entsinne mich gut an die genannten Fälle und dein Verdienst an der Identifizierung. Sag bitte noch eines: Bist du jetzt auch an der Aufklärung der beiden neuen römischen Fälle beteiligt?“

      „Mir wurde diese große Ehre zuteil! Aber darüber können wir vielleicht, so es gewünscht wird, nach der Befriedigung unseres Appetits noch weiter sprechen.“

      Aus dem „Kampf ums kalte Büffet“ hielt Bu-Bu sich – dieses Mal! – heraus, obwohl, oder gerade weil er ein ausgesprochener Gourmet war. Deshalb war er auch häufig Gast in den exquisiten römischen Ristoranti oder Trattorie, die er regelmäßig, nicht selten zusammen mit Freunden oder Mitarbeitern, besuchte. Zum Teil wurde sein Eintreffen dort stürmisch begrüßt, zum Teil aber auch mit Bangen wahrgenommen. Denn er galt als unerbittlicher Kritiker. Guai!, wenn Essen oder Trinken die wenigen lustempfindlichen Zentimeter des Mundraums beleidigten! Kein anderer kannte sich in der kulinarischen Landschaft Roms so gut aus wie Bu-Bu, und keine kulinarische Szene kannte nicht „den Questore“. In dieser Welt exquisiter Speisen und Getränke fühlte er sich wohl, fast so wohl wie auf seinen ausgedehnten Wanderungen in den Abruzzen, die er über alles liebte. Deshalb focht ihn auch das Ungepflegte und Unfreundliche seiner ziemlich dunklen, dazu noch ein wenig muffigen und schmuddeligen Wohnung auf der Via delle Botteghe oscure, die ohnehin mit seinem pompösen Dienstzimmer im Justizpalast nicht konkurrieren konnte, überhaupt nicht an. Wichtig an ihr war ihm nur, einen Ort zu haben, wohin er sich privat zurückziehen konnte. Die Abruzzen oder gepflegte Restaurants – für beides hatte Bustamante einen ausgesprochenen Faible. Deshalb hielt er sich jetzt am kalten Büffet sehr zurück. Denn das Hergerichtete machte zu sehr den Eindruck, Massenprodukt einer höchst mittelmäßigen Catering-Firma zu sein, und entsprechend ging auch von jeder einzelnen Speise ziemlich genau der von der Nahrungsmittelindustrie für sie vorgesehene Einheitsgeruch aus. Deshalb begnügte er sich mit einem Glas Orvieto bianco classico und einer kleinen Portion (schlechten) Parmigianos.

      Einziges Thema während des Imbisses waren die beiden neuesten römischen Mordfälle, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit den gerade von Pacelli erinnerten Mailänder Fällen aufwiesen: Vor sechs Tagen hatte man zwei Männer aufgefischt, diesmal aus dem Tiber, wieder waren es zwei männliche Opfer, wieder mit total zerschmetterten Köpfen in einer Plastiktüte, wieder unbekleidet ohne irgendwelche Hinweise auf ihre Identität. Der einzige Unterschied zu den Mailänder Opfern bestand darin, dass ihre Fingerkuppen unbeschädigt waren.

      Kaum hatte man zur Diskussion wieder Platz genommen, meldete sich Dr. Tullio Veglianti, Procuratore della Repubblica, pensionierter Staatsanwalt, stürmisch zu Wort. „Bitte, Professore, haben Sie schon die Identität der beiden neuen Mordopfer herausfinden können?“

      „Nun, es war mir vergönnt, Hinweise zu finden, die eigentlich zur Identifizierung führen könnten oder gar müssten.“

      „Was sind das für Hinweise?“

      Pacelli wand sich. „Ich habe erst gestern mein Gutachten der Staatsanwaltschaft zukommen lassen; und es wäre wohl nicht sehr schicklich, darüber jetzt coram publico Auskunft zu geben.“

      „Aber wir sind doch kein ‚Publikum‘, es bleibt doch unter uns!“

      Pacelli wand sich noch mehr. Erst als ihm der Ex-Staatsanwalt ausdrücklich grünes Licht gab, erklärte er sich bereit, allerdings nach ausgiebiger Ermahnung zur Diskretion, einige „Fragmente“ von sich zu geben. Abgesehen von der allgemeinen Feststellung, dass beide Männer über 50 Jahre alt waren, der eine vielleicht sogar schon 60 Jahre, abgesehen davon, dass sie vor sechs Tagen im Tiber gefunden wurden, ihr Tod aber schon ungefähr acht bis neun Tage zurücklag, abgesehen davon, dass auch hier in Rom der Mord durch intravenös gespritztes Kaliumchlorid (dem zahlreiche Barbiturat-Injektionen vorangegangen waren) herbeigeführt wurde, war es im einen Fall nicht sonderlich schwer gewesen, ein spezifisches Kennzeichen auszumachen: Das ältere Opfer hatte einen Herzschrittmacher. Diese kleinen Wunderwerke der Technik tragen jeweils Produktionskennzeichen, an Hand derer man die Klinik ausmachen kann, die sie eingesetzt hat; und in der Klinik wiederum ist in einer Registratur jeder Schrittmacher einem bestimmten Patienten zugeordnet.

      „Das dürfte mithin zu Identifizierung ausreichen!“

      Beim zweiten Opfer war es schwieriger. Zwar entdeckte man einige Operationsnarben im Bauchbereich, hielt diese aber zunächst für Überbleibsel von Routineoperationen, nämlich von zwei Bruchoperationen und einer Darmoperation (Resektion eines Teils des an Divertikeln erkrankten Darms), dann aber machte Pacelli die Entdeckung, dass es sich im letzteren Fall um die riesige Narbe einer sehr ungewöhnlichen Blinddarmoperation handelte. Der Blinddarm war vermutlich, was zwar selten, aber doch gelegentlich vorkommt, nach oben um die Leber herumgewachsen gewesen. Dies bemerkte der Operateur offenbar erst bei der Operation und musste deshalb den für einen Blinddarm normalen Operationsschnitt einige Male nach oben verlängern. So kam es zu dieser für eine Blinddarmoperation außergewöhnlich langen Narbe.

      „Weil so etwas bei einer Blinddarmoperation in Italien höchstens, allerhöchstens zwei-, dreimal im Jahr vorkommt und die Operation aufgrund des Narbenbefundes nur ungefähr drei bis fünf Jahre zurückliegt, müsste sich durch Anfrage bei den italienischen

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