Kleine Fuge in g-Moll. Gisbert Greshake

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Kleine Fuge in g-Moll - Gisbert Greshake

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ihm zu fahren.

      „Es sind schreckliche Dinge passiert!“, begann der Monsignore nach nur kurzer Begrüßung seinen Bericht. „Ich weiß nicht, ob du von den zwei Leichen gehört hast, die man aus dem Tiber gefischt hat. Beide …“

      „Stop, ich bin bestens orientiert!“

      „Weißt du auch, dass Professor Pacelli mit der Untersuchung der Leichen beauftragt war? Er …“

      „Auch darüber bin ich genau informiert, weil er selbst darüber gestern in seinem Club ‚Novità‘ berichtet hat. Er hat, wie er sagte, der Polizei ein Gutachten angefertigt, das nach nur kurzen Recherchen eigentlich zur eindeutigen Identifikation der Leichen führen müsste.“

      „Ja, und diese Identifikation ist heute Morgen gelungen. Stell dir vor: Beide Opfer sind Priester, Monsignori sogar, Mitarbeiter bei uns hier im Vatikanstaat bzw. an der römischen Kurie. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Denn nachdem ich von der Identifizierung erfahren habe, bin ich sogleich zum Personalchef des Governatorato des Vatikanstaates gegangen, um in die Personalakten Einblick zu nehmen. Ich kenne nämlich beide Priester nur flüchtig. Im Personalbüro war gerade nur die Sekretärin, Schwester Claudia, anwesend, die mir aus Datenschutzgründen die Akten nicht herausrücken wollte, aber einen etwas verwirrten Eindruck auf mich machte, als ich ihr erzählte, um was es ging. Erst eine halbe Stunde später traf dann der Chef ein, Cavaliere Alfonso di Nobile, der mir sofort volle Akteneinsicht gewährte. Und da stellte sich nun heraus, dass vor gut 14 Tagen am gleichen Tag, denk dir!, am gleichen Tag, aber von zwei verschiedenen Personen, eine Anzeige gegen jeden der beiden ermordeten Priester wegen Kindesmissbrauchs eingegangen war. Schwester Claudia hatte die Anzeigen entgegengenommen und deshalb auf meine Bitte um Akteneinsicht so eigenartig reagiert. Beide aber, sie und der Cavaliere, hatten noch keine Ahnung davon, dass es sich bei den zwei Tiber-Leichen um die angezeigten Priester handelte, sie waren völlig fassungslos.“

      „Hast du den Personalchef nicht gefragt, wie er auf die Anzeigen gegen Kindesmissbrauch reagiert hat?“

      „Natürlich! Er hat sofort beide Monsignori, natürlich separat, zu sich zitiert. Dabei stellte sich dann aber heraus, dass einer der beiden, der Ältere, ein Schweizer Priester namens Jörg Appenhofer, der an der Gehaltsabteilung des Vatikanstaates für die Entlohnung der Kleriker zuständig ist, überhaupt nicht anzutreffen war. Seit fast drei Wochen war er nicht zum Dienst erschienen; Anrufe in seine Wohnung hier im Vatikan sowie zwei Versuche, ihn persönlich aufzusuchen, schlugen fehl. Kurz: er war und blieb verschwunden. Der Personalchef erlitt fast einen Tobsuchtsanfall, denn man hätte ihm den Dienstausfall von Appenhofer schon längst gemeldet haben müssen. Dann hätte man bereits vor Wochen eine Vermisstenanzeige aufgeben können. Und jetzt das …“

      „Wer hat ihn denn angezeigt?“

      „Der Vater des Opfers, ein Schweizer Gardist, der im Vatikan wohnt und in dessen Familie der Monsignore verkehrte.“ „Und was war mit dem zweiten Täter?“

      „Es handelt sich um einen gewissen Monsignore Vittorio Scarvaglieri, Mitarbeiter an der Ritenkongregation, der zwar nicht mehr wie noch vor einigen Jahren zu den Angestellten des Vatikanstaats gehört, dessen Personalakte aber noch immer hier geführt wird. Als er zum Personalchef geladen wurde, ahnte er wohl schon, um was es ging. Gleich bei der ersten Frage des Cavaliere fing er an, bitterlich zu weinen, gab sofort alles zu und versprach, alles zu tun, was man von ihm verlangen würde: Aufgabe seiner kurialen Funktion und seines priesterlichen Dienstes, Rückzug in ein Kloster usw. Nur bat er darum, ihn nach Möglichkeit nicht der italienischen Justiz für ein Strafverfahren auszuliefern, da dann seine Verwandten alles erfahren und sich zu Tode schämen würden.“

      „Und wie hat der Cavaliere darauf reagiert?“

      „Er wolle sich die Sache überlegen. Auf jeden Fall aber müsse vorher die Anzeige vom Kläger zurückgenommen werden. Doch dann kam ein weiterer Schlag: Als Cavaliere di Nobile ihn nach einigen Tagen zur Klärung offener Fragen abermals in sein Ufficio bat, war Scarvaglieri nicht anzutreffen; er war ab dem Tag nach der Anzeige und seines Gesprächs mit di Nobile auch nicht mehr an seinem Arbeitsplatz in der Ritenkongregation gewesen.“

      „Wer war denn in seinem Fall der Kläger?“

      „Auch das eine merkwürdige Sache: Ein Offizier der Päpstlichen Nobelgarde, ein gewisser Conte Marco Vespucci!

      Bustamante kannte sich im verwirrenden System der früheren und heutigen vatikanischen Wach- und Sicherheitsdienste gut aus. Die Nobelgarde war 1801, also noch zur Zeit des alten Kirchenstaats, von Pius VII. als neue päpstliche Leibgarde gegründet worden und rekrutierte sich aus Angehörigen des römischen Adels. Erst Paul VI. löste sie 1970 als Leibgarde auf. Seither leisten einige wenige von ihnen zusammen mit Offizieren der früheren Palatin-Ehrengarde (einer nicht aus Adligen bestehenden früheren Päpstlichen Garde, die gleichfalls durch Paul VI. aufgelöst wurde) nur noch Repräsentationsdienst bei feierlichen Angelegenheiten, wie zum Beispiel bei Besuchen von Staatspräsidenten, Regierungschefs, Außenministern und bei der Übergabe von Beglaubigungsschreiben neuer Botschafter. Mitglied der Nobelgarde zu sein war also eine höchste „noble“ Angelegenheit.

      „Wie kam es denn, dass ein Offizier der Nobelgarde Anzeige erstattete? War sein eigenes Kind betroffen?“

      „Nein! Seine Kinder sind schon erwachsen. Er erstattete die Anzeige im Namen einer jungen Frau, die im Vatikanstaat arbeitet. Aber Genaues weiß ich dazu noch nicht. Ich bin nach diesen Informationen sofort zu Kardinal Urbani gegangen, dem derzeitigen Präsidenten der Päpstlichen Kommission für den Vatikanstaat, um ihn zu informieren und mitzuteilen, dass beide Fälle unverzüglich an die italienischen Justiz, also an euch, weitergegeben werden. Der Kardinal war entsetzt und hat mir eindringlich ans Herz gelegt, es dürfe dabei nichts, aber auch gar nichts über den Kindesmissbrauch der Prälaten an die Öffentlichkeit gelangen. Es könne nur darum gehen, den Mord an ihnen aufzuklären.“

      „Das glaubst du ja wohl selbst nicht!“

      „Doch! Aber du weißt, es spielt keine Rolle, wie ich darüber denke. Ich muss dir das so weitergeben, wie er es mir gesagt hat.“

      „Also …, du kennst mich ja mittlerweile ein wenig. Und du wirst wissen, dass ich mich auf solche Versteck- und Verdrängungsspielchen nicht einlasse. Aber das werde ich dem Kardinal schon selbst sagen. Wenn wir den Fall übernehmen, und das wird uns nach Rechtslage wohl nicht erspart bleiben, müssen zwei Dinge klar sein: Erstens müssen wir das Recht haben, hier im Vatikan zu recherchieren, und zweitens werden wir nichts unter den Teppich kehren.“

      „Va bene! Aber dann sprich du morgen mit dem Kardinal! Ich werde ihm deinen Besuch ankündigen.“

      „Gut! Und von dir erbitte ich die Adressen all derer, die in diesem Fall oder besser in diesen Fällen im Spiel sind. Bitte, ruf mich deswegen morgen noch vor 8 Uhr 30 an!“

      Es war schon spät geworden, und der Questore spürte die Anspannungen des überlangen Tages in immer häufiger auftretenden „Gähn-Anfällen“. Trotzdem: Was sein muss, muss sein! Das wusste auch Monsignore Morreni, als er noch zu einem „Schlaftrunk“, einem hervorragenden Rotwein, „Brunetto di Montalcino“, Jahrgang 2001, einlud. Wie Bu-Bu nachher dann doch noch nach Hause kam, konnte er am nächsten Morgen beim besten Willen nicht mehr sagen. So sehr hatte der Schlaf sein Erinnerungsvermögen mit dem Mantel des Erbarmens überdeckt.

      ***

      Ganz anders verhielt es sich mit Sua Eminenza, il Cardinale Angelo Urbani, Presidente della Pontificia Commissione per lo Stato della Città del Vaticano (so sein genauer Titel). Eminenza hatte schlecht, sehr schlecht geschlafen. Skandale im Vatikan, und dazu noch unter seiner Verantwortlichkeit,

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