Kleine Fuge in g-Moll. Gisbert Greshake

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Kleine Fuge in g-Moll - Gisbert Greshake

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und hierarchische Dekrete, so weltfremd sie auch sein mochten, er liebte die immer mehr im eigenen Saft, in sich selbst und um sich selbst schmorenden kurialen Ämter, er liebte das liturgische overdressing, je mehr umso besser, er liebte den päpstlichen Pomp und dessen byzantinisches Hofzeremoniell mit allem traditionellen Klimbim wie Titulaturen und theatralischen Gewändern, Nobelgarde und Schweizer Hellebardisten usw. usw. All das war für ihn unterschiedslos „Mutter Kirche“, all das liebte er bedingungslos.

      Als ihm Bustamante gemeldet wurde, begrüßte er ihn ebenso überschwänglich wie klerikal-salbungsvoll in seinem wohleingerichteten Büro, welches auch das eines mittleren Managers in einem mittelständischen Betrieb hätte sein können:

      „Onorevole Questore, La saluto! Un cordialissimo benvenuto! Ich bin Ihnen ja so dankbar und ganz überwältigt, dass Sie sich selbst herbemühen. Es ist ja auch eine schreckliche Sache! Terribile! Schrecklich, wirklich schrecklich! Wir müssen nur eines tun: den Schaden von unserer Kirche fernhalten!“

      „Unsere Kirche“? Wuste der Kardinal nicht, dass er, Bustamante, obwohl früher Priester, schon seit längerem sein Amt aufgegeben und die Kirche verlassen hatte und sich seither als „praktizierender Agnostiker“ bezeichnete? Ja, erinnerte er sich nicht mehr daran, dass sie beide vor nunmehr gut 30 Jahren sogar zusammen an der Gregoriana Philosophie und Theologie studiert hatten? Sei’s drum!

      „Eminenza, wir werden diesen wirklich schrecklichen Fall bzw. diese Fälle übernehmen müssen. Aber Voraussetzung dafür ist erstens die Möglichkeit, im Vatikanstaat Untersuchungen anzustellen, z. B. in der Wohnung von Monsignore Appenhofer, sowie in Verhören mit einer Reihe von Betroffenen, soweit sie im Vatikan wohnen oder hier tätig sind, und …“

      Der Kardinal unterbrach ihn. „Diese Voraussetzung wird unter der Bedingung gewährt, dass bei Wohnungsdurchsuchungen hier im Vatikan Monsignore Morreni zugegen ist und jederzeit Einspruch erheben kann. Und was ist die zweite Voraussetzung?“

      Der Kardinal schoss förmlich aus seinem wohlgepolsterten Sessel in die Höhe: „Das verbiete ich Ihnen!“

      „Eminenza, diese Transparenz können Sie gar nicht verbieten. Denn der Kindesmissbrauch beider Prälaten dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit mit den beiden Morden zusammenhängen. Morde aber haben wir, der italienische Staat, aufzuklären. Ebenso das Kapitalverbrechen des Kindesmissbrauchs, das vermutlich hier im Vatikan geschehen ist, das wir aber mit einiger Sicherheit nicht mehr verfolgen werden, da die Täter ja nun tot sind. Ich darf Ihnen vielleicht den Artikel 22 der Lateranverträge in Erinnerung rufen: ‚Auf Ersuchen des Heiligen Stuhles und durch Bevollmächtigung von seiner Seite, die von Fall zu Fall oder für dauernd erteilt werden kann, wird Italien auf seinem Gebiet für die Bestrafung der in der Vatikanstadt begangenen Straftaten sorgen. …‘ Diese Bevollmächtigung ‚auf Dauer‘ ist nun aber per Dekret erteilt worden und gilt so lange, als sie nicht widerrufen wird. Und deshalb werden wir, der italienische Staat, die Verbrechen aufzuklären suchen und zwar auf unsere rechtsstaatliche, transparente Weise.“

      „Nun tun Sie nur nicht so! Sie wissen doch gut genug, wie korrupt der italienische Staat selbst ist!“

      „Aber so weit es an mir liegt, hat Korruption keine Chance, auch wenn die mir von Ihnen, Eminenza, nahegelegt werden sollte.“

      „Unerhört! Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie sprechen?“

      „Sehr wohl, Eminenza! Aber Sie kennen vermutlich das Wort: Amicus Plato, magis amicus veritas – Platon ist mein Freund, aber mehr noch ist mir die Wahrheit Freund!“

      „Ich verstehe Sie nicht und beklage in aller Form Ihre mangelnde Solidarität mit unserer Mutter Kirche, die entsetzlichen Schaden nimmt, wenn man hört, dass vatikanische Prälaten in abscheuliche Untaten verstrickt sind! Die Dinge dürfen einfach nicht publik werden!“

      „Abgesehen davon, dass sie meine Mutter nicht ist, glaube ich, dass ich ihr mehr nütze, wenn ich sie zu Ehrlichkeit und Offenheit ermutige und veranlasse. Nichts hat der Kirche in den letzten Jahrhunderten mehr geschadet als fehlende Transparenz, Offenheit und Wahrhaftigkeit. Stattdessen hält sie immer aufs Neue alle „Leichen“, von denen es nicht wenige gibt, im Keller versteckt. Und auch wenn Päpste aus der jüngsten Vergangenheit, so z. B. Johannes Paul II., sich für zahlreiche dieser ‚Kellerleichen‘ entschuldigt haben, waren es nur solche, die schon jahrhundertelang in den Verließen des Vatikans gestunken hatten. Verbrechen, Fehlentscheidungen, Irrtümer, die gegenwärtig geschehen oder noch nicht lange zurückliegen, bleiben immer unangefochten hinter verschlossenen Türen, müssen hinter den Türen bleiben. Nein, Eminenza, so geht das nicht. So nicht! Sie schaden sich damit selbst am allermeisten. Und im Übrigen stehen auch die beiden letzten Päpste mit ihrer Forderungen nach Offenheit und Transparenz durchaus auf meiner Seite!“

      „Ich weiß, ich weiß, aber da ist immer noch die Kurie, die aufgrund der Weisheit und Erfahrung der in ihr weitergehenden langen, langen Tradition eine etwas andere Auffassung vertritt!“

      „Leider, Eminenza, leider!“

      Da der Kardinal sah, dass er beim Questore keine Chance hatte, ihn umzustimmen, brach er abrupt die Audienz ab. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können! Aber wundern Sie sich nicht, was das gegebenenfalls für Sie an Konsequenzen haben könnte. Schließlich können auch Sie einmal in eine Lage kommen, wo Sie uns bitter notwendig gebrauchen könnten.“

      Schrecklich!, dachte Bu-Bu bei sich, als er sich auf den Heimweg machte. Damals im Studium schien dieser Angelo Urbani noch ein relativ vernünftiger Mensch gewesen zu sein. Aber dann …? Ihm fiel ein Wort des großen evangelischen Theologen Karl Barth ein: „Wie kommt es eigentlich, dass je mit dem Steigen eines Mannes auf der Leiter kirchlicher Würden, fast immer ein Absteigen seiner theologischen Offenheit, Beweglichkeit und Verantwortlichkeit stattzufinden pflegt“. Das hatte auch schon Goethe in einem Gedicht zum Ausdruck gebracht:

      „Die Priester vor so vielen Jahren

      waren, als wie sie immer waren.

      Und wie ein jeder wird zuletzt,

      wenn man ihn hat in ein Amt gesetzt. …

      Wird er hernach in Mantel und Kragen

      in seinem Sessel sich wohlbehagen.

      Und ich schwöre bei meinem Leben,

      hätte man Sankt Paulen ein Bistum geben:

      Polt’rer wär’ worden ein fauler Bauch,

      wie coeteri confratres auch.“

      Natürlich hatte Bustamante dieses Goethe-Gedicht nicht selbst im Werk des großen deutschen Klassikers gefunden – so gut Deutsch konnte er auch wieder nicht –, er hatte es vielmehr zufällig im Buch eines älteren deutschen Theologen entdeckt und sich daraus abgeschrieben.

      Zu Hause angelangt, reichte es vor Dienstschluss zeitlich gerade noch für drei Telefongespräche. Das erste ging an seine vorgesetzte Dienststelle im Justizministerium. Diese hatte die römische Kriminalpolizei darüber zu informieren, dass nunmehr „sein Ufficio“ sowohl die Mord- wie die gegebenenfalls damit verbundenen Missbrauchsfälle übernehmen würde. Im zweiten Anruf bat er den Leiter der römischen Mordkommission dringend darum, ihm Filippo Giollini „auszuleihen“. Fil – wie er genannt wurde – war früher zusammen mit seiner jetzigen Frau Carla als Commissario an der Dienststelle Bustamantes beschäftigt gewesen, war dann

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