Artgerechte Partnerhaltung. Das Geheimnis glücklicher und beständiger Liebe. Andreas Winter
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Und so „erfinden“ wir uns leider auch unsere Verliebtheit oftmals selbst, weil wir aufgrund von Erwartungen denken, unser Partner hätte bestimmte Eigenschaften, die wir für begehrenswert halten – dabei sind diese Erwartungen lediglich Muster aus Vereinfachungen unserer Erfahrungen.
Das Fatale am Kennenlernen ist: Je weniger Informationen wir von unserem Gegenüber bekommen, desto mehr Daten ergänzen wir aus unserem eigenen Repertoire. Das ist besonders verhängnisvoll, wenn wir beispielsweise durch das Internet jemanden „kennen“ lernen. Bei einer Begegnung vis-à-vis bekommen wir Millionen von Informationen, die wir alle gleichzeitig aufnehmen. So etwa allein bei der Stimme: den Klang, die Melodie, die Lautstärke, die Geschwindigkeit, die Tonhöhe, die Sprachrichtung – dazu kommen noch die Wortwahl, das Sprachniveau, die Grammatik und die Kommunikationskompetenz (also, ob man Sie ausreden lässt usw.). Weiter geht es mit den Augen: die Farbe, die Wimpernlänge, Wimpernfarbe, die Lidschlagfrequenz, die Blickrichtung, der Öffnungsgrad der Augen, die Pupillengröße, die Fältchen, die Tränensackbeschaffenheit. Sie registrieren Mund, Lippen, Nase, Kinn, Größe, Körperhaltung, Frisur, Bekleidung und und und. Im Internet-Chat haben Sie statt Millionen von Eindrücken nur ein paar elektronische Zeichen, die Wortwahl und die Antwortgeschwindigkeit – das war’s. Den Rest fügen Sie aufgrund Ihrer Erwartungen hinzu, verlieben sich bis über beide Ohren in Ihre eigenen Vorstellungen, und bis Ihnen dieser Irrtum auffällt, vergeht eine Ewigkeit.
Vor einiger Zeit schrieben die Zeitungen über das jordanische Ehepaar Bakr und Sanaa Melhem, das sich im Internet einen heimlichen Flirtpartner suchte – anonym natürlich – und prompt an den eigenen Partner geriet. Als es zum Blind Date kam, flog die Sache auf, und anstelle eines Happy Ends endete die Ehe mit Scheidung. „Beide waren durch einen Ortswechsel für mehrere Monate getrennt. Und beide hatten anscheinend dieselbe Idee. Ein kleiner Flirt im Netz würde die Zeit des Wartens sicher schneller vorübergehen lassen. Bakr, der sich beim Online-Dating Adnan nannte, lernte bald eine interessante Frau kennen. Ihr Name war Dschamila. Dschamila war eine kultivierte, unverheiratete Frau und strenggläubige Muslimin. Bakr ahnte nicht, dass Dschamila in Wirklichkeit seine Ehefrau Sanaa war. Nach drei Monaten intensiver Flirts im Netz war es um die beiden geschehen. Man wollte für immer zusammenbleiben. „Adnan“ und „Dschamila“ hatte es voll erwischt. Bei einem ersten Treffen wollten sie die Sache klarmachen und ihre Verlobung besiegeln. Als Bakr bei diesem Rendezvous zu seinem Entsetzen in Dschamila seine Ehefrau erkannte, rief er in voller Lautstärke: ‚Ich verstoße dich, ich verstoße dich, ich verstoße dich!‘ – die traditionelle Scheidungsformel des Islam. ‚Du bist ein Lügner‘, antwortete Sanaa noch. Dann fiel sie in Ohnmacht“ (zitiert aus: http://flirt.stuttgarter-zeitung.de/newsletter/61/).
Was für eine tragische Geschichte! Man sieht: Wenn Partner ihre gegenseitigen Vorurteile außen vor lassen, können sie sich durchaus erneut ineinander verlieben. Hätten sich Bakr und Sanaa besser ganz bewusst um den Abbau ihrer Vorurteile gekümmert, wären sie heute womöglich in den zweiten Flitterwochen.
Dahingegen ist es relativ einfach, einen Menschen beim ersten Blick auf Herz und Nieren zu checken. Eigentlich sind wir „innerhalb von einer Sekunde splitternackt“, wie ich auf meinen Vorträgen immer demonstriere. Allein, wie unsere Körperhaltung ist, ob und welchen Schmuck wir tragen, den Modestil, die Frisur und die Gesichtsfältchen liefern Millionen von verwertbaren Daten. Wir sehen so aus, wie wir sind – selbst wenn wir uns verstecken, so kann man wahrnehmen, dass wir uns verstecken. Jeder von uns verfügt über Intuition. „Bauchgefühl“ nennt man das. Dieses wird uns zwar leider oft aberzogen, weil man uns einbläut, die unterbewussten Wahrnehmungen und Körpersignale wären nur Vorurteile. Man sollte natürlich ein Buch nicht anhand des Covers beurteilen, aber mit ein wenig Selbstvertrauen können Sie die oft brachliegende Fähigkeit der Intuition wieder kultivieren und trainieren. Damit sind Sie als Menschenkenner klar im Vorteil.
Betrachten wir also nun noch genauer das fremde Wesen an der Bar gegenüber (oder liegt es schon in Ihrem Bett?). Mit einer einzigen Frage können Sie nämlich eine Fülle von präzisen Informationen bekommen (welche meist die eigenen Eltern nicht hatten): Sie fragen einfach nach dem Sternzeichen.
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